VwGH 2001/20/0004

VwGH2001/20/000417.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Oktober 2000, Zl. SD 571/99, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
WaffG 1996 §12 Abs1;
AVG §37;
AVG §52;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Oktober 2000 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im September 1998 sei vom Gendarmerieposten Dobersberg eine Überprüfung der Person des Beschwerdeführers in waffenrechtlicher Hinsicht angeregt worden, und zwar im Zusammenhang damit, dass sich der Beschwerdeführer durch Strahlen bzw. Hochfrequenzen, die der Bewohner eines Nachbarhauses mit einer Wärmebildkamera auf ihn richte und die auch durch die Wände dringen würden, täglich und auch des Nachts beschossen wähne. Dies rufe beim Beschwerdeführer nach seiner Ansicht verschiedene Krankheitssymptome (Übelkeit, steigender Blutdruck, stechende Schmerzen in der Brust, Gleichgewichtsstörungen, Inkontinenz) hervor (der Beschwerdeführer habe seinen Nachbarn deswegen am 14. September 1998 angezeigt). Ferner habe der Beschwerdeführer angeblich zum Nachbarn gesagt, dass er Mittel und Wege finden werde, ihm dies heimzuzahlen; er besitze eine Jagdwaffe und werde diese benützen, wenn er sich bedroht fühle. Die belangte Behörde zitiert sodann in der Bescheidbegründung mehrere ärztliche Gutachten zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. In einem Gutachten vom 14. Juni 2000 habe die Universitätsklinik für Psychiatrie zusammenfassend festgestellt, dass beim Beschwerdeführer paranoide Wahnideen im Vordergrund gestanden seien. Die Wahnideen des Beschwerdeführers hätten sich in erster Linie auf seinen Nachbarn bezogen, von dem er sich seit vielen Jahren bestrahlt fühle. Durch die Involvierung der Behörden habe der Beschwerdeführer seine Wahnvorstellungen auch auf andere Personen ausgedehnt. Diese stünden noch immer in direktem Zusammenhang mit den Vorfällen um den Nachbarn. Der Beschwerdeführer glaube auch, dass sein Nachbar Ärzte und Behörden beeinflusse. Wie das Gutachten weiter ausführe, bestünde beim Beschwerdeführer keine akute bzw. ständig vorhandene Gefährlichkeit. Er fühle sich jedoch immer wieder durch die vermeintliche Bestrahlung stark, auch körperlich, beeinträchtigt. Dies könne auch gelegentlich zu einer affektiven Einengung führen, da er weder die vermutete Bestrahlung durch den Nachbarn beeinflussen könne, noch bei anderen Menschen Verständnis für diese vermeintliche Belästigung finde. In bestimmten Situationen könne dies dann auch erhöhte Angst und das Gefühl, sich wehren zu müssen, hervorrufen. Der Beschwerdeführer fühle sich subjektiv im Recht, er habe sehr stark das Gefühl, tatsächlich in seiner Gesundheit und Lebensqualität durch den Nachbarn beeinträchtigt zu sein, und müsse nun zu diesem Schaden auch noch weitere Nachteile, wie den Entzug des Führerscheins und des "Waffenscheins", in Kauf nehmen. Eindeutig gewalttätige Handlungen von Seiten des Beschwerdeführers seien bis jetzt nicht bekannt, er habe jedoch vor ca. eineinhalb Jahren seinen Nachbarn verbal bedroht. Der Beschwerdeführer selbst verneine dies. Unabhängig davon, ob diese Drohung von ihm ausgesprochen worden sei oder nicht, wisse man aus der aktuellen wissenschaftlichen Literatur, dass das Vorliegen eines Wahns an sich noch nicht zu erhöhter Gefährlichkeit führe. Bestimmte Wahninhalte, ein enges System wie im Fall des Beschwerdeführers und die mögliche emotionale und affektive Einengung, gesteigert durch bestimmte situative Faktoren, könnten jedoch zum Auftreten von gefährlichem Verhalten führen, nämlich dann, wenn das Leben oder die Gesundheit des Beschwerdeführers vermeintlich von außen bedroht schienen. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, ein Waffenverbot setze nicht zwingend das Vorliegen einer Geisteskrankheit voraus. Es würden bereits Anzeichen paranoider Tendenzen genügen, dass dem Beschwerdeführer auch eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit Dritter oder fremden Eigentums durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen sei. Letztlich räume der Beschwerdeführer selbst ein, der von ihm gehegte Verdacht, sein Nachbar beeinträchtige ihn durch Laserstrahlen, könne bei ihm Angst auslösen und er habe das Gefühl, sich dagegen zur Wehr setzen zu müssen. Entgegen der offensichtlichen Meinung des Beschwerdeführers könne das Auftreten von Ängsten vor allem dann ein Waffenverbot rechtfertigen, wenn - wie vorliegend beim Beschwerdeführer - eine anhaltende wahnhafte Störung diagnostiziert werde und paranoide Wahnideen sowie Hinweise auf spontane Affektlabilität festgestellt würden. Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse sei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 WaffG zu bejahen. Vor diesem Hintergrund sei die vom Beschwerdeführer beantragte Einholung eines Gutachtens eines Fachmannes auf dem Gebiete der Radiologie zum Beweis dafür, dass die von ihm befürchteten Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Laserstrahlen durchaus einem realistischen Szenario entsprächen, entbehrlich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:

"Waffenverbot

§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, hätte die belangte Behörde das Gutachten eines Fachmannes auf dem Gebiete der Radiologie eingeholt, so wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die von ihm aufgestellte Behauptung, sein Nachbar würde ihn durch Bestrahlung mit Laserstrahlen in seiner Gesundheit gefährden, keineswegs auf ein paranoid wahnhaftes Ideensystem zurückzuführen sei, sondern der Wirklichkeit entspreche. Aus dem Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 14. Juni 2000 ergebe sich bloß, dass er die waffenrechtliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 8 WaffG nicht besäße. Das Ergebnis des Gutachtens rechtfertige keinesfalls die Annahme, dass der Beschwerdeführer Waffen missbräuchlich verwenden werde, sondern ergebe lediglich ein paranoid-wahnhaftes Weltbild seinerseits. Dieses paranoidwahnhafte Weltbild führe dazu, dass er nach Ansicht der belangten Behörde paranoid-wahnhafte Anzeigen erstattet habe. Diese Anzeigenerstattung allein rechtfertige aber nicht die Annahme missbräuchlicher Waffenverwendung.

Diese Ausführungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen:

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2003, Zl. 2000/20/0047, mwN). Dadurch, dass der Beschwerdeführer bisher nur Anzeigen erstattet und Waffen nicht missbräuchlich verwendet hat, ist die Verhängung eines Waffenverbotes folglich nicht ausgeschlossen.

Bei den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschiedenen Fällen, in denen die Verhängung eines Waffenverbotes auf Grund von paranoiden Tendenzen für gerechtfertigt erachtet wurde, bestand überwiegend ein Zusammenhang mit einem in der Vergangenheit gesetzten, waffenrechtlich relevanten (Fehl)Verhalten (vgl. z.B. die zur vergleichbaren Rechtslage nach § 12 WaffG 1986 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 11. Dezember 1997, Zl. 97/20/0086, und vom 19. Juni 1997, Zl. 95/20/0426, sowie auch das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1997, Zl. 97/20/0060, mwN). Ohne einen solchen "waffenrechtlichen Bezug" des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers - wobei von der nicht festgestellten behaupteten Drohung, eine Jagdwaffe gegen den Nachbarn zum Einsatz zu bringen, hier abzusehen ist - kommt eine Gefährdungsprognose im Sinn des § 12 Abs. 1 WaffG bei psychischen Beeinträchtigungen dann in Betracht, wenn deren konkrete Auswirkungen und Symptome in der im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Ausprägung für sich genommen eine Gefährdung im erwähnten Sinn befürchten lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0242, und Zl. 2001/20/0601).

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf das Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 14. Juni 2000 gestützt. Dieses Gutachten erfüllt die für Sachverständigengutachten maßgebenden Schlüssigkeitskriterien (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E 151 ff zu § 52 AVG zitierte hg. Judikatur) und legt nachvollziehbar dar, dass es beim Beschwerdeführer zum Auftreten von gefährlichem Verhalten kommen kann, wenn für ihn sein Leben und seine Gesundheit "vermeintlich von außen bedroht zu sein scheinen". Der Beschwerdeführer hat, wie in diesem Gutachten festgestellt wird, "sehr stark das Gefühl, tatsächlich in seiner Gesundheit und Lebensqualität durch den Nachbarn beeinträchtigt zu sein". Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 WaffG für ein Waffenverbot als gegeben ansah.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers verschlägt es nichts, wenn in dem genannten Gutachten gefolgert wird, dass die "im Waffengesetz geforderte Verlässlichkeit" derzeit nicht vorliege. Dadurch wird zwar ein Kriterium des § 8 WaffG angesprochen, dessen Erfüllung iVm § 25 WaffG (nur) zum Entzug waffenrechtlicher Urkunden führt. Die Frage des "missbräuchlichen Gebrauchs von Waffen" im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG ist aber eine allein von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage, die nicht Gegenstand eines medizinischen Gutachtens sein kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, Zl. 97/20/0086). Auf Grund der im Gutachten vom 14. Juni 2000 enthaltenen unbedenklichen Befundaufnahme und der daraus nachvollziehbar gezogenen gutächtlichen Schlüsse auf der Grundlage der medizinischen Wissenschaften konnte die belangte Behörde zutreffend zu der im angefochtenen Bescheid getroffenen Prognoseentscheidung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG gelangen.

Die beantragte Einholung eines Gutachtens eines Fachmannes auf dem Gebiet der Radiologie konnte, ohne dass der belangten Behörde dadurch ein Verfahrensmangel unterlaufen wäre, unterbleiben, da ein derartiges Gutachten die von der belangten Behörde im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG gefällte Prognoseentscheidung jedenfalls nicht zugunsten des Beschwerdeführers hätte beeinflussen können.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2003

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