VwGH 2002/06/0028

VwGH2002/06/002825.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, in der Beschwerdesache 1. des Mag. TR (nach HZ),

2. der GZ und 3. der UZ, alle in B, alle vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 22. November 1999, Zl. I-2-11/1999, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. H GmbH in B, vertreten durch Piccolruaz & Müller, Anwaltspartnerschaft in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, 2. Landeshauptstadt B, vertreten durch den Bürgermeister), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Vlbg 2001 §31 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §31 Abs2;
BauRallg;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
BauG Vlbg 2001 §31 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §31 Abs2;
BauRallg;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. November 1999 hat die belangte Behörde gemäß § 83 des Vorarlberger Gemeindegesetzes die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen eine der Erstmitbeteiligten gemäß § 6 Abs. 9, und §§ 31 und 32 des Vorarlberger Baugesetzes LGBl. Nr. 39/1972 (Vbg BauG) von den Baubehörden der Zweitmitbeteiligten erteilte Baubewilligung für die Errichtung einer Wohn- und Geschäftshausanlage mit Tiefgarage und dafür nach § 64 der Vorarlberger Bautechnikverordnung, LGBl. Nr. 44/1984, nach § 36 Abs. 2 des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, und nach § 6 Abs. 9, § 31 und § 32 Vbg BauG erteilte Ausnahmenbewilligungen, abgewiesen. Die Beschwerdeführer haben in der gegen diesen Bescheid zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen und von diesem mit Beschluss vom 27. November 2001, B 2013, 2014/99-12, abgelehnten und mit weiterem Beschluss vom 25. Februar 2002, B 2013, 2014/99-15, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde die Verletzung von Rechten als Nachbarn des genehmigten Bauvorhabens geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligten eine Gegenschrift, dazu legten die Beschwerdeführer eine Replik vor.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 teilten die Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass die Erstmitbeteiligte ihren Bauantrag "zurückgezogen" habe und dass dieser (gemeint: die erteilte Baubewilligung) auch infolge unterlassener Antragstellung auf Verlängerung hinfällig wäre. Statt des eingereichten Projekts sei inzwischen ein zweigeschoßiger "H-Markt" mit ausdrücklicher Zustimmung der Beschwerdeführer als baubehördlich anerkannte Nachbarn baubehördlich bewilligt und inzwischen auch baulich fast fertig gestellt worden.

Es sei daher Klaglosstellung der Beschwerdeführer eingetreten, ihnen seien die Kosten ihrer Beschwerde zuzusprechen.

Nach übereinstimmenden Mitteilungen der Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit der Ausführung des mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Vorhabens nicht begonnen. Die Wirksamkeit des Baubewilligungsbescheides wurde aber mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 29. Juli 2004 gemäß § 31 Abs. 2 des Vorarlberger Baugesetzes bis zum 11. Juli 2007 verlängert.

Gemäß § 31 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 44/2007 verliert eine Baubewilligung ihre Wirksamkeit, wenn nicht binnen drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen oder wenn die bereits begonnene Ausführung durch drei Jahre unterbrochen und die Wirksamkeit der Baubewilligung nicht verlängert worden ist. Die Wirksamkeit der Baubewilligung ist gemäß § 31 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz auf schriftlichen Antrag jeweils um drei Jahre zu verlängern, sofern kein Versagungsgrund gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. vorliegt.

Im Hinblick auf den Ablauf jenes Termines, bis zu welchem die angefochtene Baubewilligung verlängert wurde, wurde den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof Gelegenheit gegeben, binnen vier Wochen zur Frage Stellung zu nehmen, ob die angefochtene Baubewilligung angesichts des § 31 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes in der Fassung vor seiner am 13. Juli 2007 in Kraft getretenen Änderung, LGBl. Nr. 44/2007, ihre Wirksamkeit verloren hat und bejahendenfalls, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid noch in Rechten verletzt sein können.

Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 5. September 2007 ein Schreiben des Bürgermeisters der Zweitmitbeteiligten vom 20. August 2007 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, dass die angefochtene Baubewilligung, verlängert bis zum 11. Juli 2007, ihre Wirksamkeit verloren hat und dass vor Ablauf ihrer Wirksamkeit kein Antrag auf Verlängerung eingegangen ist.

Die Beschwerdeführer haben dem Verwaltungsgerichtshof - soweit hier relevant - mit Schreiben vom 10. September 2007 mitgeteilt, dass sie keine Verlängerung der Baubewilligung zugestellt erhalten hätten. Dem Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, der am 12. Juli 2007 seine Wirksamkeit verloren hat, noch in Rechten verletzt erachteten.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandlos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Eine derartige Klaglosstellung (im engeren Sinne) setzt allerdings eine Beseitigung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch wen und aus welchem Titel auch immer, insbesondere eine formelle Aufhebung durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof voraus (formelle Klaglosstellung). Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann jedoch auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch einen behördlichen Akt oder durch ein sonstiges Ereignis dasselbe Ergebnis herbeigeführt wird, das der Beschwerdeführer mit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes anstrebt; in einem so gelagerten Fall wird auch von einer "materiellen" Klaglosstellung gesprochen (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Beschlüsse vom 23. September 1994, Zl. 92/17/0134, vom 19. Dezember 2000, Zl. 2000/09/0104, vom 27. Juni 2001, Zl. 2000/09/0199, und vom 13. Juni 2002, Zl. 2002/06/0073, m.w.N.).

Es ist der zweitgenannte Fall einer "materiellen" Klaglosstellung eingetreten. Die Beschwerde war daher - weil eine förmliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht nachgewiesen wurde - in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Zu dem - ohne Begründung - gestellten Antrag der Beschwerdeführer auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wird bemerkt, dass von einer solchen gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abgesehen werden kann, wenn das Verfahren einzustellen ist. Mit der von den Beschwerdeführern bekämpften Baubewilligung ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK das rechtliche Substrat ihres Verhandlungswunsches weggefallen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist darauf zu verweisen, dass - im Sinne des oben Gesagten - keine formelle Klaglosstellung eingetreten ist. Es war daher bei der Kostenentscheidung nicht § 56 erster Satz VwGG, sondern § 58 Abs. 2 VwGG anzuwenden. Nach der letztgenannten Bestimmung ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand ist nicht zu ersehen, welchen Ausgang das verwaltungsgerichtliche Verfahren genommen hätte, wäre die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Weder die Auffassung der beschwerdeführenden Partei noch die der belangten Behörde kann nämlich ohne nähere Prüfung als zutreffend oder unzutreffend angesehen werden. Aus diesem Grunde wird nach freier Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofes von einem Kostenzuspruch zu Gunsten einer der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abgesehen.

Wien, am 25. September 2007

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