VwGH 2001/06/0033

VwGH2001/06/003326.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der Gemeinde P, vertreten durch Dr. Klaus Gürtler, Rechtsanwalt in 6060 Hall i.T., Stadtgraben 25, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Februar 2001, Zl. Ve1-550-2690/1-6, betreffend Nichterteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: A S und W S, beide in P, vertreten durch Dr. Paula Stecher, Rechtsanwältin in 6130 Schwaz, Winterstellergasse 11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52 Abs3 idF 1995/471;
AVG §53a Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §68 Abs1;
AVG §76 Abs1 idF 1999/I/164;
BauO Tir 1989 §31;
BauRallg;
GebAG 1975 §38 Abs2;
VwRallg;
AVG §52 Abs3 idF 1995/471;
AVG §53a Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §68 Abs1;
AVG §76 Abs1 idF 1999/I/164;
BauO Tir 1989 §31;
BauRallg;
GebAG 1975 §38 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit er die Behebung des Spruchpunktes 1 des Bescheides des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde vom 2. August 2000 zum Gegenstand hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Hingegen wird die Beschwerde insoweit, als sie die Behebung des Spruchpunktes 2 des Bescheides des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde vom 2. August 2000 zum Gegenstand hat, als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat der Gemeinde P Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 3. Oktober 1995 war den mitbeteiligten Parteien die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses samt Garage auf der in ihrem Eigentum stehenden, in dem zur beschwerdeführenden Gemeinde gehörenden Siedlungsgebiet "K" liegenden Grundstück Nr. 373/15 unter Erteilung von Auflagen, u. a. der Auflage "Dachdeckung Hauptdach: Ziegeldeckung Farbe Grau oder Schiefer oder Grasdach (Braun- oder Rottöne sind nicht zulässig)" erteilt worden. In Abweichung dazu wurde die Dacheindeckung jedoch in der Folge nicht mit "Betondachsteinen grau" , sondern mit roten Dachziegeln vorgenommen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 12. August 1997 wurde den mitbeteiligten Parteien die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 40 Abs. 3 TBO 1989 aufgetragen. Die dagegen erhobene Berufung der Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 20. Januar 1998 abgewiesen, die dagegen gerichtete Vorstellung mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juli 1998 abgewiesen.

Mit Eingabe vom 1. September 1998 beantragten die Mitbeteiligten nunmehr die nachträgliche Genehmigung der Änderung des Bauvorhabens hinsichtlich der Farbgebung der Dacheindeckung.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 24. März 1999 wurde dieser Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die mit roten Dachziegeln vorgenommene Dacheindeckung stünde in Widerspruch zu dem für dieses Siedlungsgebiet vorgesehenen Planungskonzept und damit dem Orts- und Straßenbild.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Berufung, die nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Arch. Dipl. Ing. Dr. M. S. mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 2. August 2000 als unbegründet abgewiesen wurde (Spruchpunkt 1). Gleichzeitig wurde den Mitbeteiligten der Ersatz der Verfahrenskosten in der Höhe von S 48.000,-- an Sachverständigenhonorar und S 1.248,-- an Barauslagen (der Sachverständigen für die Herstellung von Fotografien) binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides aufgetragen (Spruchpunkt 2).

Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2001 gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge, behob den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde zurück.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrens und Hinweis, dass auf Grund der am 1. September 1998 erfolgten Antragstellung die Tiroler Bauordnung 1998 anzuwenden sei, verwies die belangte Behörde auf § 20 Abs. 1 lit. b dieses Gesetzes, wonach sonstige Änderungen von Gebäuden nur dann bewilligungspflichtig seien, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt würden, was nach Ansicht der belangten Behörde bei der Anbringung roter Dachziegel anstelle grauer nicht der Fall sei. Die gegenständliche Maßnahme sei daher lediglich anzeigepflichtig gewesen. Dies hätte die Baubehörde erster Instanz dazu veranlassen müssen, die Mitbeteiligten zur Klarstellung über den Sinngehalt ihrer Eingabe vom 1. September 1998 aufzufordern. Indem sie dies unterlassen habe, seien die Mitbeteiligten in subjektivöffentlichen Rechten verletzt worden. Erstmals in der Berufung sei auch von den Mitbeteiligten selbst auf das Vorliegen einer bloßen Anzeigepflicht im Sinne des § 22 TBO 1998 hingewiesen worden. Sei aber davon auszugehen, dass die Mitbeteiligten ihre Eingabe als Bauanzeige gewertet hätten wissen wollen, so hätte der Gemeinderat den ablehnenden Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters mangels Vorliegens eines Antrages auf Baubewilligung wegen Unzuständigkeit ersatzlos beheben müssen. Auch dadurch seien die Mitbeteiligten in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden. Zur Kostenvorschreibung führte die belangte Behörde aus, es sei grundsätzlich zulässig gewesen, dass die beschwerdeführende Gemeinde, die über keinen Amtssachverständigen verfüge, einen nichtamtlichen Sachverständigen herangezogen habe, dies sei jedoch ohne formelle Beschlussfassung und entgegen der Bestimmung des § 52 Abs. 4 AVG ohne Beeidigung erfolgt. Nach § 53a AVG hätten nichtamtliche Sachverständige Anspruch auf Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975. Diese Gebühr wäre mittels Bescheid zu bestimmen gewesen, was nicht geschehen sei. Zwar sei dadurch die Verwertung des Gutachtens nicht unzulässig, die Mitbeteiligten hätte aber keine Verpflichtung zum Kostenersatz getroffen. Dasselbe gelte für die Barauslagen (Fotos), hinsichtlich derer auch nicht erkennbar sei, wer sie veranlasst habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Gründen der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich in ihrem Recht auf Abweisung des gegenständlichen Bauansuchens verletzt.

Die belangte Behörde erstattete - ebenso wie auch die Mitbeteiligten - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nur die die Aufhebung tragenden Gründe eines aufhebenden Vorstellungsbescheides im fortgesetzten Verfahren Bindungswirkung entfalten und somit die beschwerdeführende Gemeinde in ihren Rechten verletzen können (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1997, Zl. 97/05/0304).

Hinsichtlich der Aufhebung des Spruchpunktes 1. des Bescheides vom 2. August 2000 ist Folgendes auszuführen:

Auszugehen ist davon, dass die den Mitbeteiligten erteilte Baubewilligung die eindeutige Auflage enthalten hat, die Dacheindeckung in bestimmter Weise vorzunehmen ("Dachdeckung Hauptdach: Ziegeldeckung Farbe Grau oder Schiefer oder Grasdach /Braun- oder Rottöne sind nicht zulässig/").

Nach § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995, sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Die Zurückweisung des Anbringens kommt nur in Betracht, wenn die Abänderung oder Behebung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides in der Sache beantragt wird. Bei Änderung der Sach- und Rechtslage kommt eine Zurückweisung mangels entschiedener Sache zwar regelmäßig nicht in Frage, doch liegt eine relevante Änderung des Sachverhaltes hier aus den nachstehenden Erwägungen nicht vor:

Eine Auflage ist eine pflichtenbegründende Nebenbestimmung eines begünstigenden Verwaltungsaktes (hier: der erteilten Baubewilligung), wobei die Pflicht auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sein kann. Die Nichtbefolgung der Auflage berührt den Bestand des Verwaltungsaktes, dem sie beigefügt ist, nicht. Wird die Auflage nicht erfüllt, kann sie vollstreckt werden; die Nichterfüllung der Auflage hebt aber die Bewilligung nicht auf . Die erteilte Bewilligung steht mit den für die Ausführung der bewilligten Maßnahme vorgeschriebenen Auflagen in einem untrennbaren Zusammenhang; die Bewilligung kann nicht isoliert von den mit ihr verknüpften Auflagen bestehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1997, Zl. 97/05/0020). Ein Antrag auf nachträgliche Genehmigung der Nichteinhaltung einer Auflage stellt sich demnach als ein Ansuchen dar, das die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt. Die durch den bereits in Rechtskraft erwachsenen Baubewilligungsbescheid erledigte Sache war sohin mit der dem neuerlichen Antrag der Mitbeteiligten zugrundeliegenden Antrag um Bewilligung der Abweichung deshalb ident, weil die mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 3. Oktober 1995 erteilte Baubewilligung mit der darin enthaltenen Auflage, deren Abänderung die Mitbeteiligten mit dem der Beschwerde zugrundeliegenden Antrag bezweckten, untrennbar verbunden war, weshalb den durch auflagenwidrige Bauausführung geschaffenen geänderten Umständen keine Entscheidungsrelevanz zukommen kann. Eine Änderung des Sachverhaltes liegt nämlich nur dann vor, wenn Umstände eingetreten sind, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulassen, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung der Rechtssache nicht von vornherein auszuschließen ist (vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis vom 18. Februar 1997, Zl. 97/05/0020).

Dies hätte die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde zu beachten gehabt. Indem sie diese Rechtslage jedoch verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Hinsichtlich der Aufhebung des Spruchpunktes 2 des Bescheides vom 2. August 2000 gilt Folgendes:

Nach § 52 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995, sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig wird. Die Behörde kann aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten erscheint (§ 52 Abs. 2 erster Satz AVG). § 53a Abs. 1 Satz 1 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I 1998/158 bestimmt, dass nichtamtliche Sachverständige für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren nach den §§ 24 bis 37 und 43 bis 51 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 haben. Die Gebühr ist gemäß § 38 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 bei der Behörde geltend zu machen, die den Sachverständigen herangezogen hat. Nach Abs. 2 leg. cit. ist die Gebühr von der Behörde, die den Sachverständigen herangezogen hat, zu bestimmen. Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, gemäß § 76 Abs. 1 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 164/1999, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

Nach der Aktenlage verfügt die beschwerdeführende Gemeinde über keinen Amtssachverständigen für Bau- bzw. Raumordnungsfragen. Grundsätzlich war daher die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen nicht von vornherein unzulässig. Sie war jedoch angesichts der oben, zu Spruchpunkt 1 des Bescheides vom 2. August 2000 gemachten Ausführungen im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG nicht notwendig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1997, Slg. Nr. 4369/A). Abgesehen davon wurden die Barauslagen, die der Behörde erster Instanz durch die amtswegige Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen entstanden sind, den Mitbeteiligten noch ohne Beschlussfassung über die nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 zu bestimmende Höhe der Sachverständigenkosten (die mit dem verzeichneten Honorar nicht jedenfalls ident sein muss) und damit jedenfalls zu früh vorgeschrieben, wodurch die Mitbeteiligten in ihren subjektivöffentlichen Rechten verletzt wurden, was die belangte Behörde in diesem Punkte zutreffend erkannt hat.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde, insoweit sie sich gegen die Aufhebung im Kostenpunkt wendet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. September 2002

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