VwGH 2001/01/0259

VwGH2001/01/025921.8.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über den Antrag der MM in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages zum Zwecke der Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2001, Zl. 207.204/0-XI/34/99, betreffend §§ 7, 8 AsylG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §17;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §17;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2001 wurde die Berufung der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 9. Dezember 1998 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Antragstellerin in den Sudan zulässig sei.

Nach den handschriftlichen Vermerken auf dem von der Antragstellerin in Kopie vorgelegten Rückschein über die Zustellung des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates an der Anschrift S-Straße, Wien, erfolgte der erste Zustellversuch, bei dem die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches in das Hausbrieffach eingelegt wurde, am 19. März 2001; der zweite Zustellversuch sowie das Einlegen der Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach fanden am 20. März 2001 statt; die Hinterlegung erfolgte beim Zustellpostamt, wobei die Abholfrist am 21. März 2001 begann.

Mit dem am 22. Juni 2001 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages für die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid vom 2. März 2001. Begründend zum Wiedereinsetzungsantrag führt die Antragstellerin aus, sie habe im März und April 2001 an der Adresse S-Straße, Wien, als Untermieterin gewohnt. Die Hauptmieterin Ngozi N. hätte über den Postkastenschlüssel verfügt, täglich den Postkasten entleert und die an die Antragstellerin gerichtete Post an diese weitergeleitet. Die Hauptmieterin habe trotz Aufenthaltes in der Wohnung in der Zeit nach dem 2. März 2001 - somit nach Bescheiderlassung - und täglicher Postkastenleerung nicht bemerkt, dass versucht worden sei, der Antragstellerin ab dem 19. März 2001 den besagten Bescheid zuzustellen. Die Hauptmieterin sei weder von Postbeamten auf eine amtliche Postsendung für die Antragstellerin aufmerksam gemacht worden noch habe sie eine Benachrichtigung im Postkasten vorgefunden. Sie könne es nicht ausschließen, dass sich eine solche Benachrichtigung im Postkasten befunden habe und dass sie diese versehentlich nicht als solche erkannt und weggeworfen habe, ohne diese an die Antragstellerin weiterzuleiten. Jedenfalls habe sie die Post immer sehr sorgfältig behandelt und an die Antragstellerin adressierte Poststücke unverzüglich an diese weitergegeben. Dies ergebe sich auch daraus, dass sich in den letzten Tagen eine gelbe Benachrichtigung für die Antragstellerin im Postkasten befunden habe und sie dies der Antragstellerin umgehend telefonisch mitgeteilt habe. Der Bescheid sei beim zuständigen Postamt hinterlegt worden. Durch die Zustellung durch Hinterlegung sei die sechswöchige Beschwerdefrist in Gang gesetzt worden. Auf Grund der Unkenntnis der Antragstellerin vom Zustellvorgang sei diese nicht in der Lage gewesen, die Frist zur rechtzeitigen Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zum Zwecke der Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu wahren. Sie sei als Untermieterin auf ihre Unterkunftsgeberin, an deren Zuverlässigkeit sie keine Zweifel gehegt habe, angewiesen gewesen. Nach ihrer Übersiedlung nach Innsbruck im April 2001 habe die Antragstellerin am 30. Mai 2001 "im Zuge der Verlängerung der Bescheinigung gemäß § 19 AsylG" erfahren, dass "der Bescheid bereits zugestellt worden" sei. Am 1. Juni 2001 habe sie sich in Begleitung einer Mitarbeiterin von Amnesty International zum Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, begeben, wo ihr mitgeteilt worden sei, dass die Berufungsentscheidung nach Wien (gemeint: die für die Antragstellerin bestimmte Ausfertigung an ihre damalige Zustelladresse in Wien) gesendet worden sei. Der Zustellnachweis sei bei dieser Gelegenheit kopiert worden. Auf die im Akt des Bundesasylamtes erliegende "Abschrift" des Bescheides und auf die Möglichkeit des Erhalts einer Kopie desselben sei die Antragstellerin nicht aufmerksam gemacht worden. In der ersten Juniwoche sei die Antragstellerin nach Wien gefahren, um aufzuklären, weshalb sie den Bescheid nicht an ihrer Adresse in Wien erhalten habe. Bei einem neuerlichen Besuch am 8. Juni 2001 beim Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, habe die Antragstellerin schließlich den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2001 (gemeint: eine Kopie der an das Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, adressierten Ausfertigung) ausgehändigt bekommen. Mit der "Aushändigung des Bescheides" habe das Hindernis, das sie an der Einbringung eines rechtzeitigen Verfahrenshilfeantrages gehindert habe, aufgehört.

Die auf diesen Sachverhalt anzuwendenden Bestimmungen lauten:

§ 17 Zustellgesetz (auszugsweise):

"(1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt ... zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen ...

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. ...

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die in § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

§ 46 VwGG lautet:

"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

Im vorliegenden Fall wird als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, die Antragstellerin habe von der Hinterlegung des Berufungsbescheides nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt. Davon ausgehend kann aber der Rechtsansicht der Antragstellerin, das der Wahrung der Beschwerdefrist entgegenstehende Hindernis habe erst mit der Aushändigung einer Bescheidkopie aufgehört, weshalb ihr Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig sei, nicht gefolgt werden. Auch der bestimmungsgemäße Zugang einer Hinterlegungsanzeige vermittelt dem Empfänger nicht Kenntnis vom Inhalt des hinterlegten Schriftstücks, sondern nur die Möglichkeit, sich diese Kenntnis zu verschaffen und die danach erforderlichen Schritte zu setzen. In diesem Sinne war das Hindernis, auf das sich der Antrag stützt, unter den im Antrag behaupteten Umständen jedenfalls vor dem 8. Juni 2001 weggefallen (vgl. im Ergebnis ähnlich das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 95/19/0392, und den Beschluss vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0235). Insoweit die Antragstellerin zumindest andeutungsweise auch geltend macht, sie sei in Bezug auf die Frage, wie sie nach der Erlangung der Kenntnis vom Zustellvorgang vorgehen solle, schlecht beraten oder unzureichend belehrt worden, womit der Sache nach Gründe für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemacht werden, ist sie auf den gesetzlichen Ausschluss der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung dieser Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu verweisen.

Der erst am 22. Juni 2001 zur Post gegebene Antrag war daher wegen Versäumung der in § 46 Abs. 3 erster Fall VwGG bestimmten Frist zurückzuweisen.

Wien, am 21. August 2001

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