VwGH 2000/01/0235

VwGH2000/01/023511.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn,

1.) über den Antrag des PN in W, geboren am 15. Mai 1980, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. April 2000, Zl. 213.750/0/V/15/99, betreffend Asylgewährung, und 2.) in dieser Beschwerdesache, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1.) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.) Der angefochtene Bescheid wurde dem Antragsteller am 13. April 2000 zugestellt.

Mit dem vorliegenden, am 21. Juni 2000 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Es sei am 13. April 2000 an der Wohnadresse des Beschwerdeführers eine Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes in dessen Postkasten hinterlegt worden. Er sei nicht ortsabwesend gewesen und es sei von der Rechtmäßigkeit der Zustellung durch Hinterlegung auszugehen. Der Beschwerdeführer setzte fort:

"Allerdings hatte der Antragsteller von der Verständigung über die Hinterlegung keine Kenntnis, da er in diesem Zeitraum keinen Postkastenschlüssel hatte. Diesen hatte der Antragsteller nämlich verloren. Er musste deshalb beim zuständigen Postamt einen neuen Postkastenschlüssel bestellen und hatte daher von diesem Verständigungszettel zunächst keine Ahnung. Erst nachdem er den bestellten neuen Postkastenschlüssel bezahlte, wurde ihm dieser zugesandt und konnte er daher in der Folge den Postkasten öffnen und fand den Verständigungszettel über die Hinterlegung eines Schriftstückes. Der Versuch, das hinterlegte Schriftstück abzuholen, scheiterte daran, dass dieses längst an den Absender zurückgesandt war. In der Folge wandte sich der Antragsteller dann am 7.6.2000 an Rechtsanwältin Dr. Renate Sandner, übergab dieser den Zettel von der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes und nahm diese, da auf Grund der ihr erteilten Information sie davon ausging, dass es sich möglicherweise um einen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates handelte, mit dieser Behörde bzw. der dort zuständigen Frau Mag. Unterer Kontakt auf. In der Folge wurde dann auf Grund der Urgenz von Dr. Renate Sandner der Berufungsbescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 7.4.2000, GZ: 213.750/0/V/15/99, neuerlich an den Antragsteller übermittelt und durch Hinterlegung am 9.6.2000 zugestellt.

Mit diesem Bescheid wurde die Berufung des Antragstellers abgewiesen. Da die erstmalige Hinterlegung im April 2000 offensichtlich rechtmäßig war, hat der Antragsteller sohin die Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde versäumt.

...

Im vorliegenden Fall war der Umstand, dass der Antragsteller keinen Postfachschlüssel hatte, er sohin keinen Zugang zum Postkasten und daher auch keine Kenntnis von der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes hatte, sowohl ein unvorhersehbares als auch ein unabwendbares Ereignis. Unvorhersehbar deshalb, da er nicht damit rechnen konnte, dass sich im Postkasten die entsprechende Verständigung befunden hat. Unabwendbar deshalb, da er ja zunächst einen Postfachschlüssel bestellen musste und diesen erst nach Bezahlung des Kaufpreises erhalten hat, wodurch der hinterlegte Bescheid an den Unabhängigen Bundesasylsenat retourniert wurde. Sollte dem Antragsteller sein Verhalten, nämlich den Postkastenschlüssel zu verlieren, vorzuwerfen sein, sohin ihn ein gewisses Verschulden an der Versäumung der Kenntnisnahme von der Hinterlegung des Berufungsbescheides treffen, so handelt es sich jedenfalls um ein Versehen minderen Grades, da es jeder noch so korrekten Person einmal passieren kann, dass sie etwas verliert. Darüber hinaus hat der Antragsteller sofort nach Kenntnis vom Verlust des Postfachschlüssels einen neuen nachbestellt und ist daher davon auszugehen, dass ein Verschulden des Antragstellers überhaupt nicht gegeben ist.

Geht man davon aus, dass die neuerliche Zustellung des Berufungsbescheides durch Hinterlegung am 9.6.2000 erfolgt ist und erlangte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt das erste Mal Kenntnis davon, dass seine Berufung abgewiesen wurde und er die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof versäumt hat, so ist die zweiwöchige Frist des § 46 Abs. 3 VwGG gewahrt."

§ 46 VwGG lautet:

"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt oder dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

Es kommt daher schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht darauf an - wie der Antragsteller vermeint -, wann er vom Inhalt des anzufechtenden Bescheides Kenntnis erlangt hat, sondern darauf, wann er vom Zustellvorgang selbst Kenntnis erlangt hat (vgl. zur diesbezüglich inhaltsgleichen Rechtslage nach dem AVG das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 95/19/0392). Die neuerliche Zustellung des anzufechtenden Bescheides über "Urgenz" von Dr. Sandner, welche durch Hinterlegung am 9. Juni 2000 erfolgte, entfaltet keine Rechtswirkungen, weil es sich bei der erstmaligen Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung am 13. April 2000 um die rechtsgültige Zustellung des anzufechtenden Bescheides handelt. Zur neuerlichen Zustellung war die belangte Behörde sohin auch nicht verpflichtet.

Dass nach erfolgter Kenntnis vom Zustellvorgang durch Öffnen des Postkastens und Vorfinden der - wie sich aus der vorgelegten Kopie ergibt - den Forderungen des § 17 Abs. 2 letzter Satz ZustG entsprechenden Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes ein neues unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis (etwa der Unmöglichkeit, den Absender eruieren zu können) aufgetreten wäre, tut der Beschwerdeführer durch den Hinweis darauf, dass in der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes nur die "Rep. Österr. 1100" als Absender genannt sei, nicht dar. Denn er behauptet weder, dass er zB. - als eine von mehreren zumutbaren Erkundigungsmöglichkeiten sei folgende herausgegriffen - eine mögliche Frage über den Absender anlässlich der versuchten Behebung des Schriftstückes beim Postamt 1170 Wien gestellt habe, noch dass solch eine Frage nicht beantwortet worden wäre.

Der Wiedereinsetzungswerber hat konkrete Angaben zu machen, aus denen die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages zu erkennen ist. Im gegenständlichen Antrag fehlen konkrete Angaben darüber, an welchem Tag er den Postkasten nach Erlangung des neuen Postkastenschlüssels öffnen konnte und den Verständigungszettel über die Hinterlegung eines Schriftstückes vorgefunden hat. Auch nach Einräumung der Gelegenheit zur Verbesserung im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG idF. BGBl. I Nr. 158/1998, der gemäß § 62 Abs. 1 VwGG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuwenden ist, bleibt diese Frage letztlich offen, weil der Beschwerdeführer hiezu nur ausführt:

"Der Postfachschlüssel wurde am 30.5.2000 per Post von der Fa. J. Cervinka & Co KG an den Beschwerdeführer übermittelt und hat er diesen circa eine Woche nach dem 25.5.2000, an welchen er den Schlüssel bezahlt hat, erhalten. Noch am selben Tag, an dem ihm der Schlüssel zugekommen ist, hat der Beschwerdeführer dann den Postkasten geöffnet."

Der Zeitraum, in dem der Beschwerdeführer sohin vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, erstreckt sich nach seinen Angaben zwischen 30. Mai 2000 bis circa 2. Juni 2000.

Fehlende bzw. nicht konkrete Angaben im obigen Sinne stellen einen Inhaltsmangel dar. In einem solchen Fall ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 672, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1, 3 und 6 VwGG zurückzuweisen.

Im Übrigen würde zurückgerechnet vom Tag der Postaufgabe des gegenständlichen Antrags (21. Juni 2000) jeder Tag der Kenntnis vom Zustellvorgang vor dem 7. Juni 2000 die verspätete Einbringung des Antrages bewirken.

2.) Bei diesem Ergebnis war die am 21. Juni 2000 zur Post gegebene und am 23. Juni 2000 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, wodurch sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erübrigt.

Wien, am 11. Oktober 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte