VfGH B1436/2010

VfGHB1436/201020.9.2012

Keine Verletzung der Versammlungsfreiheit durch Auflösung einer nicht angemeldeten "Spontanversammlung" gegen den Ball des Wiener Korporationsringes; keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Anhaltung des Beschwerdeführers zur Identitätsfeststellung; keine Verletzung des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung infolge "Einkesselung" und Einsatzes einer "Räumkette"

Normen

EMRK Art3
StGG Art12
PersFrSchG 1988 Art1, Art2
VersammlungsG §9, §13, §14, §19
SicherheitsheitspolizeiG §31, §88, §89
VStG §35
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2012:B1436.2010

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem bekämpften Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Wien (im Folgenden: UVS Wien) vom 30. August 2010 wurde die Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers, die sich gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, gegen schlichtes Polizeihandeln und gegen eine mehrfache Verletzung der Richtlinienverordnung gemäß §31 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl 566/1991 in der – im Zeitpunkt der gegenständlichen Ereignisse geltenden – Fassung BGBl I 133/2009, (im Folgenden: SPG) richtete, und mit der vom Beschwerdeführer weiters die Feststellung begehrte wurde, dass er in seinen Rechten auf Versammlungsfreiheit, auf persönliche Freiheit sowie in seinem Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt worden sei, als unbegründet abgewiesen.

2. Auf das Wesentliche zusammengefasst, nahm der UVS Wien dabei folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

"Am 29.1.2010 fand der jährliche Ball des Wiener Korporationsrings (kurz WKR) in der Hofburg statt. In den Jahren 2008 und 2009 gab es jeweils Demonstrationen gegen diese Veranstaltung […]. Auch gegen den heurigen WKR-Ball wurden mehrere Versammlungen angezeigt. Die von der GRAS (Grüne Alternative StudentInnen) angemeldete Versammlung […] wurde mit Bescheid der BPD Wien vom 28.1.2010 […] untersagt. […]

Trotz der Untersagung fanden sich am 29.1.2010 ab cirka 17.00 Uhr Versammlungsteilnehmer ein. Gegen 18.30 Uhr waren mehrere hundert Demonstranten am Christian-Broda-Platz [Anm: in 1060 Wien] anwesend. […]

Gegen 18.35 Uhr nahmen die ersten Aktivisten für einen Demonstrationszug in der Mariahilfer Straße stadteinwärts Aufstellung. Die Mariahilfer Straße war auf Höhe Kaiserstraße/Stumpergasse durch Tretgitter gesichert, welche durch Exekutivbeamte besetzt waren. […] An den unmittelbar an diese Sperre angrenzenden Straßen Kaiserstraße und Stumpergasse standen ebenfalls Tretgitter und Exekutivbeamte zur Absperrung dieser Straßen bereit. Gleiches galt für den Bereich Christian-Broda-Platz/Gürtel und den dazwischen liegenden Quergassen zur Mariahilfer Straße. […]

Um 18.45 Uhr erfolgte eine Durchsage des Behördenvertreters […], wonach die Versammlung untersagt wurde und die Teilnehmer aufgefordert wurden, in Richtung Stumpergasse abzuströmen. […]

Cirka um 18.49 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Richtung der Tretgitter in der Mariahilfer Straße in Bewegung. […]

Teilnehmer, die sich im vorderen Teil des Demonstrationszuges aufhielten, bewarfen die hinter den Tretgittern stehenden Exekutivbeamten mit Flaschen, Bierdosen, etc und schossen Knallkörper gegen die Polizisten ab. Zeitgleich liefen die vordersten Versammlungsteilnehmer auf die Sperrgitter auf, attackierten Exekutivbeamte und versuchten, die Tretgitter wegzureißen und die Sperren zu durchbrechen, um in Richtung Innenstadt marschieren zu können.

Gegen 18.50 Uhr kam es zu einer schweren Sachbeschädigung an einem […] abgestellten Polizeifahrzeug.

Um 18.51 Uhr erfolgte die behördliche Auflösung der Versammlung mittels Lautsprecherwagen. Die Versammlungsteilnehmer wurden […] aufgefordert, Richtung Stumpergasse abzuströmen. Als Frist wurden 10 Minuten eingeräumt.

[…]

Um 18.54 Uhr erfolgt[e] die Wiederholung der Auflösungsdurchsage und der Hinweis, dass noch 7 Minuten zum Abströmen Richtung Stumpergasse bleiben.

[…]

Zwischen 19.14 Uhr […] und 19.20 Uhr […] erfolgte eine weitere Behördendurchsage via Lautsprecherwagen, wonach die Versammlungsteilnehmer eine Verwaltungsübertretung begangen haben und daher angezeigt werden. Sie mögen sich bei der Stumpergasse zur Ausweisleistung einfinden.

Ab dieser Durchsage war ein Verlassen des Christian-Broda-Platzes grundsätzlich nur noch gegen Ausweisleistung (Identitätsfeststellung) bei der Stumpergasse möglich. Aus der Aktenlage zeigt sich, dass vereinzelt Personen auch an anderen Sperren hinausgelassen wurden.

Bis zu dieser Behördendurchsage war das Verlassen des Versammlungsortes via Stumpergasse ohne Identitätsfeststellung möglich. […]

Ab cirka 19.16 Uhr […] bzw ab 19.20 Uhr […] wurde mit den Identitätsfeststellungen begonnen. Vor dem Ausgang in der Stumpergasse kam es zu einer Ansammlung einer größeren Menschenmenge, die auf ihre Identitätsfeststellung warteten. Diese Kontrollen wurden von durchschnittlich rund 6 bis 8 Exekutivbeamten vorgenommen, zeitweise waren auch mehr Polizisten im Einsatz.

Herr *** nahm ab cirka 19.00 Uhr an der Versammlung teil. […] Die Möglichkeit bis cirka 19.15/19.20 Uhr den Ort über die Stumpergasse zu verlassen, nahm der Beschwerdeführer nicht in Anspruch, sondern versuchte er zu einem späteren Zeitpunkt an einer anderen Stelle den Ort zu verlassen. Da dies nicht möglich war, verblieb *** vor Ort und sah dem Geschehen zu. Er […] stellte sich einmal kurzfristig beim Ausgang an der Kaiserstraße an. Da ihm dort zu viele Leute standen, ebenso an der Stumpergasse, stellte er sich erst zwischen 22.00 und 22.15 Uhr an der Stumpergasse an und musste der Beschwerdeführer rund 20 bis 35 Minuten auf seine Identitätsfeststellung warten. Danach konnte er gegen 22.35 Uhr den Ort verlassen. […]

[…]

Gegen 20.20 Uhr begann eine aus Exekutivbeamten bestehende Abdrängkette vom Gürtel in Richtung innere Mariahilfer Straße zu gehen, um den Aktionsradius der Versammlungsteilnehmer einzugrenzen. […] Auf dem [Anm: als Beweismittel vorgebrachten] Polizeivideo ist ersichtlich, dass die geschlossene Kette von Exekutivbeamten mit Schildern ausgestattet war und sehr langsam vorwärtsging. Nach wenigen Schritten hielt die Kette immer wieder an. Die Demonstranten wurden verbal aufgefordert, in Richtung Stumpergasse zu gehen. Einzelne versuchten der Kette auszuweichen, so auch der Beschwerdeführer, und wurden daher aufgefordert wegzugehen. Die Aufforderung erfolgte teilweise in Mundart ('geht's weiter'), was wohl auch im Einsatz von Exekutiveinheiten aus Oberösterreich und dem Burgenland begründet war. Da sich der Beschwerdeführer nur sehr langsam – langsamer als die Abdrängkette – bewegte, erhielt er von einem nicht bekannten Exekutivbeamten einen leichten Stoß, um ih[n] vorwärts zu bewegen. Hierdurch kam Herr *** weder zu Sturz noch wurde er verletzt.

Der Beschwerdeführer wurde von Exekutivbeamten weder beschimpft noch geduzt. Es wurde ihm gegenüber auch kein Verhalten gesetzt, dass als voreingenommen verstanden hätte werden können oder erniedrigend gewirkt hätte […]."

3. Rechtlich ging der UVS Wien zunächst davon aus, dass die Frage der Zulässigkeit der Untersagung der Versammlung keine Vorfrage im konkreten Verfahren sei und es sich bei der hier zu beurteilenden "Menschenansammlung" um eine Versammlung iSd Versammlungsgesetzes 1953, BGBl 98 in der – im Zeitpunkt der gegenständlichen Ereignisse geltenden – Fassung BGBl I 127/2002, (im Folgenden: VersammlG) gehandelt hätte. Zudem sei eine "Identität" der ursprünglich untersagten mit der tatsächlich abgehaltenen Versammlung festzustellen; "[m]it anderen Worten, die untersagte Versammlung wurde am 29.1.2010 am Christian-Broda-Platz abgehalten". Deren anfängliche Duldung durch die Behörde dürfe "nicht als Legitimation der untersagten Versammlung verstanden werden".

3.1. Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers führte der UVS Wien rechtlich im Wesentlichen wie folgt aus:

"Aus den vom UVS eingesehenen Videos und auch aus den glaubhaften Aussagen mehrerer Zeugen […] steht fest, dass eine größere Anzahl von Versammlungsteilnehmern in vermummte[m] Zustand gewaltsam gegen die vor Ort anwesenden Exekutivbeamten vorgegangen sind. Es wurden diverse Gegenstände gegen Polizisten geschleudert […]. Zudem hatte sich um 18.49 Uhr ein Demonstrationszug mit Mitgliedern der linksextremen und autonomen Szene […] gebildet, die offenbar vorhatten, sich vom Christian-Broda-Platz in Richtung Innenstadt zu bewegen und damit exakt jenen Demonstrationszug beabsichtigten, der bereits bescheidförmig untersagt worden war. Zu dieser Zeit wurde in unmittelbarer Nähe ein Polizeifahrzeug […] schwer beschädigt. […]

Aufgrund dieses sich für den vor Ort anwesenden Behördenvertreters ergebenden Sachverhalts durfte dieser in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass von den Versammlungsteilnehmern eine ernsthafte und unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit, insbesondere von fremden Eigentum, […] und der persönlichen Integrität der in der Mariahilfer Straße anwesenden Konsumenten, Passanten und Touristen, ausging oder zumindest mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten war. Es ereigneten sich aus dem Kreis der Versammlungsteilnehmer offenkundig gesetzwidrige Vorgänge […] und nahm die Versammlung dadurch einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter an.

Die für eine Versammlungsauflösung gebotenen Umstände […] lagen bei einer ex ante-Betrachtung vor. Die Auflösung der Versammlung am 29.1.2010 um 19.51 Uhr erweist sich daher als rechtmäßig.

Entgegen der von Beschwerdeführerseite vertretenen Ansicht lag eine Versammlung vor, die nur in ihrer Gesamtheit aufgelöst werden konnte. […] Die Auflösung einer Versammlung erfolgt in der Praxis durch eine Lautsprecherdurchsage und richtet sich an alle Versammlungsteilnehmer. Einer derartigen Behördenmaßnahme kommt generelle Wirkung wie einer Verordnung zu, dh sie wirkt normativ und gilt für alle Versammlungsteilnehmer. Eine Individualisierung ist schon faktisch unmöglich. […]

Nach §14 Absatz 1 Versammlungsgesetz sind nach einer Versammlungsauflösung alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Dies gilt auch für Personen, die den Versammlungsort erst nach der Auflösung betreten und nicht sogleich (jedenfalls innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist) wieder verlassen.

Um den Zweck der polizeilichen Maßnahmen, nämlich den Schutz des WKR-Balles und der damit i[m] engsten Zusammenhang stehenden Burschenschafterlokale vor Angriffen, zu erreichen, war es geboten, einen geschlossenen Marsch einer größeren Anzahl an Demonstranten in den Nahbereich dieser Örtlichkeiten […] zu unterbinden. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Maßnahmen findet sich in den Erfahrungswerten der Veranstaltungsbehörde aus den Gegenveranstaltungen zum WKR-Ball der Jahre 2009 und 2008, wo es jeweils zu schweren Ausschreitungen und Verletzungen mehrere[r] Exekutivbeamte[r] kam. Auf der Grundlage dieser Gefahreneinschätzung – die nicht zu beanstanden ist – war es nicht ausreichend, die Versammlungsteilnehmer lediglich aufzufordern, sich vom Christian-Broda-Platz zu entfernen, sondern war es geboten, das Abströmen so zu gestalten, dass eine Fortsetzung des Demonstrationszuges Richtung gefährdeter Objekte unterbunden wird. In diesem Sinne ist es vertretbar, den Versammlungs[t]eilnehmern eine bestimmte Abströmrichtung (hier über die Stumpergasse) vorzugeben. […]

Die Auflösung erfolgte […] über einen Lautsprecherwagen. Nach den eingesehenen Videos waren die Durchsagen an sich klar und verständlich. Es ist davon auszugehen, dass die Durchsagen als solche von den Versammlungsteilnehmern akustisch wahrgenommen werden konnten. […] Die gesetzliche Verpflichtung, sich vom Versammlungsort zu entfernen, entsteht mit der Auflösung. §14 Absatz 1 Versammlungsgesetz schreibt vor, den Versammlungsort sogleich zu verlassen. […] Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass mit der Auflösung einer Versammlung das Verlassen sofort – dh ohne zeitlicher Verzögerung – einzusetzen hat. Die Festlegung einer bestimmten Frist durch die Behörde ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Die Einräumung einer Frist von 10 Minuten verletzt den Beschwerdeführer schon deshalb nicht in seinen Rechten, weil diese Frist einen längeren Zeitraum als 'sogleich' gewährt.

[…]

In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass ein Verlassen des Christian-Broda-Platzes unmittelbar nach der Versammlungsauflösung nicht möglich gewesen wäre, weil sämtliche Ausgänge durch Polizeisperren blockiert waren. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer gar keinen Versuch unternommen hat, in der Zeit von 18.51 bis 19.01 Uhr (das war der 10-Minuten-Zeitraum) über die Stumpergasse den Ort zu verlassen, deckt sich das Beschwerdevorbringen nicht mit den vom UVS getroffenen Feststellungen, wonach ein[…] Verlassen des Versammlungsortes bis cirka 19.14/19.20 Uhr […] ohne Ausweisleistung möglich war. Lediglich um cirka 18.53 Uhr, war ein Abströmen über die Stumpergasse für knapp zwei Minuten nicht möglich. Wie sich aus der Aussage von *** ergibt, war allerdings zu diesem Zeitpunkt die Sperre am Gürtel noch nicht aktiviert. […] Im Ergebnis ist festzuhalten, dass für die Versammlungsteilnehmer ab der Auflösung um 18.51 Uhr bis cirka 19.14/19.20 Uhr – mit einer zweiminütigen Unterbrechung – ein Verlassen des Versammlungsortes über die Stumpergasse (und wohl auch über den Gürtel; ab wann hier die Sperren aktiviert wurden, wurde nicht eruiert, jedenfalls bestand eine Öffnung bis cirka 19.00 Uhr, da Herr *** zu diesem Zeitpunkt den Platz unbehindert bei einem offenstehenden Gitter betreten konnte) möglich war. Der Beschwerdeführer kam seiner gesetzlichen Verpflichtung[,] dem sofortigen Verlassen des Versammlungsortes über die Stumpergasse[,] nicht nach."

3.2. Bezug nehmend auf die Identitätsfeststellung urteilte der UVS – zusammengefasst – wie folgt:

"Gemäß §19 Versammlungsgesetz sind Übertretungen dieses Gesetzes als Verwaltungsübertretung strafbar. Eine Übertretung des Versammlungsgesetzes besteht darin, dass sich jemand, der am Ort einer Versammlung anwesend ist, nach Auflösung dieser Versammlung nicht sogleich entfernt hat. Da sich der Beschwerdeführer nach 19.01 Uhr noch am Ort der Versammlung aufgehalten hat, konnte die Behörde vertretbar annehmen, dass sich der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung schuldig gemacht hat. Es reicht der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung. Ein solcher lag unzweifelhaft vor.

Gemäß §35 VStG [Anm: Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl 52 in der – im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Ereignisse geltenden – Fassung BGBl I 135/2009, (im Folgenden: VStG)] dürfen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Personen festnehmen, wenn diese auf frischer Tat betreten werden und der Betretene den Organen unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort festgestellt werden kann.

Aus einem Größenschluss ergibt sich, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf der Grundlage dieser Bestimmung berechtigt sind, eine Identitätsfeststellung bei einer einer Verwaltungsübertretung verdächtigen Person vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer wurde von Sicherheitsorganen bei einer Verwaltungsübertretung nach dem Versammlungsgesetz auf frischer Tat betreten und war diesen nicht bekannt. Eine Identitätsfeststellung war daher gerechtfertigt. Dass eine Identitätsfeststellung bei mehreren hundert Personen einige Zeit in Anspruch nimmt, liegt auf der Hand.

[…] Die von der Versammlungsbehörde gewählte Form der Identitätsfeststellung durch individuelles Anstellen bei der Sperre stellt grundsätzlich keine Rechtsverletzung dar.

[…]

Nach seinen eigenen Angaben stellte sich der Beschwerdeführer vorerst nicht beim Ausgang Stumpergasse an. […] Angestellt hat sich Herr *** bei der Stumpergasse nach seiner Einschätzung erst zwischen 22.00 und 22.15 Uhr, also rund 3 Stunden nach Auflösung der Versammlung. Die Wartezeit von rund 20 bis 35 Minuten ist nicht unverhältnismäßig und daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

In diesem Zusammenhang ist zum Vorbringen, wonach wenige Beamte mit den Identitätsfeststellungen befasst und dadurch zu lange Wartezeiten entstanden wären, auszuführen, dass es natürlich zutrifft, dass es bei einer entsprechend hohen Anzahl an Beamten zu einer Beschleunigung kommt, es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Herr ***in der Stumpergasse erst gegen 22.00 bis 22.15 Uhr angestellt hat, obwohl er den Platz über die Stumpergasse schon Stunden zuvor verlassen hätte können. Es lag daher nicht an der Exekutive, sondern an ihm, dass er mehrere Stunden vor Ort verblieben ist. Zudem kam es immer wieder zu Straftaten, auf die die Exekutive reagieren musste. […] Zudem bedurfte es Kräfte für die Einsatze im Sperrbereich (zB für Zugriffe) und Einheiten für Vorfälle außerhalb, aber im Nahbereich der Sperren. Zudem ist es nachvollziehbar, dass immer nur eine kleine Anzahl von Versammlungsteilnehmern durch die Sperre gelassen wurde, da andernfalls ein 'Überlaufen' der die Identität feststellenden Einheit zu befürchten war. […]"

3.3. Zu den Gesamtumständen der "Einkesselung" urteilte der UVS Wien im Wesentlichen wie folgt:

"Keiner der in der Beschwerde angeführten Umstände […] hat sich unmittelbar gegen den Beschwerdeführer gerichtet. Nach seinen eigenen Ausführungen hat er sich am Rand des Demonstrationszuges aufgehalten. Der Beschwerdeführer wurde weder 'wie ein Tier zusammengetrieben', noch war er sonst von unmittelbarer polizeilicher Zwangsgewalt (mit Ausnahme der Räumung […]) betroffen. Der bloße Umstand, dass es im näheren Umfeld zu Ausschreitungen kommt und die Polizei dagegen vorgeht, erreicht nicht den Schutzbereich von Artikel 3 EMRK, stellt aber jedenfalls keine Verletzung dieser Bestimmung gegenüber dem Beschwerdeführer dar. […] Ein persönliches Unwohlgefühl ist nachvollziehbar, stellt aber keinen rechtlichen Indikator für eine Rechtsverletzung dar. Eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung des Beschwerdeführers durch die BPD Wien lag nicht vor […]."

3.4. Bezug nehmend auf das Abdrängen der Versammlungsteilnehmer mittels Räumkette führte der UVS Wien in seiner rechtlichen Beurteilung – zusammengefasst – Folgendes aus:

"§14 Absatz 2 Versammlungsgesetz sieht für den Fall des Ungehorsams die Anwendung von Zwangsmitteln zur Auflösung einer Versammlung vor.

[…]

Der Einsatz einer Abdräng- bzw Räumkette, mit welcher der Aktionsradius jener verbleibenden Versammlungsteilnehmer eingeschränkt werden sollte, die sich nicht an der Stumpergasse angestellt haben, kann daher dem Grunde nach nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zu beurteilen, obliegt in erster Linie der Versammlungsbehörde vor Ort. Deren Einschätzung hat in der Überprüfung durch den Verwaltungssenat, der hierbei von einer ex ante – Sichtweise auszugehen hat, stand gehalten. Aufgrund der Ausschreitungen innerhalb des Christian-Broda-Platzes und des passiven Ungehorsams einer großen Menschenmenge auf einem Platz, der aufgrund seiner Größe eine relativ hohe Mobilität für die Versammlungsteilnehmer bot, erweist sich eine räumliche Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Versammlungsteilnehmer und ein Abdrängen Richtung Ausgang als verhältnismäßig und damit gesetzeskonform.

Der Stoß eines Exekutivbeamten gegen Herrn *** […] ist durch §14 Absatz 2 Versammlungsgesetz legitimiert. Der Beschwerdeführer ist der Aufforderung, weiterzugehen, nach eigenen Angaben nur sehr zögerlich und langsam nachgekommen. Zuvor hat er versucht, der Räumkette auszuweichen. Aus polizeitaktischen Überlegungen und zur Gewährleistung der Eigensicherung der im Einsatz befindlichen Polizisten ist es unbedingt notwendig, die Räumkette nicht aufzulösen oder zu unterbrechen. […] Der Stoß erweist sich daher als gesetzeskonform. Da der Einsatz von Körperkraft legitimiert und verhältnismäßig war, liegt auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vor."

3.5. Zur Richtlinienbeschwerde gemäß §89 SPG, mit der der Beschwerdeführer die Feststellung einer Verletzung des §31 SPG begehrt hatte, urteilte der UVS Wien schließlich – auszugsweise – wie folgt:

"Eine solche Verletzung der Richtlinienverordnung [Anm: Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung – RLV), BGBl 266/1993] kann nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht festgestellt werden. Die Amtshandlung wurde gegenüber dem Beschwerdeführer nicht in einer Weise vorgenommen, die geeignet war, den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken. […]

Worin die Missachtung der Menschenwürde gelegen sein soll, wurde nicht näher dargelegt […]. Der Beschwerdeführer wurde nicht beschimpft, körperlich attackiert […] oder dgl. Dass die Situation vor Ort unangenehm war, ist unbestritten, erfüllt aber nicht den 'Tatbestand' der Verletzung der Menschenwürde.

Die in Mundart ausgesprochene Aufforderung 'geht's weiter', stellt nach Ansicht des Verwaltungssenates kein Duzen im Sinne des §5 Absatz 2 Richtlinienverordnung dar. Eine derart formulierte Aufforderung, die sich an eine größere Personengruppe richtet, die noch dazu überwiegend aus jungen Menschen besteht, ist durchaus als nicht unüblich zu bezeichnen und ist darin kein herabwürdigendes Verhalten zu erkennen."

4. Gegen diesen Bescheid des UVS Wien richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde des Beschwerdeführers, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte "nach Art11 EMRK iVm Art12 StGG iVm dem VersammlungsG, Art5 EMRK iVm Art1 und 2 PersFrBVG, sowie Art3 EMRK" behauptet und die teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides – die Feststellung des UVS Wien, dass keine Richtlinie verletzt worden wäre, und die dazugehörige Kostenentscheidung werden nicht bekämpft – beantragt wird. Wörtlich führt der Beschwerdeführer darin – soweit hier wesentlich – wie folgt aus:

"Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, da[ss] es sich bei der am Christian-Broda-Platz abgehaltenen um keine von der angemeldeten und untersagten Demonstration der GRAS unterscheidbare Demonstration handelt. Dem wird widersprochen.

[…] Die schon von vornherein angekündigte Duldung einer Standkundgebung anstatt eines untersagten Demonstrationszugs legt auch nahe, da[ss] die Behörde selbst von der Abhaltung einer anderen als der untersagten Versammlung ausgegangen ist. […]

Die große Mehrheit der am Christian-Broda-Platz anwesenden Menschen wollte[…] dann auch offensichtlich an dieser Standkundgebung teilnehmen und formierte sich auch nur ein kleiner, selbst nach Aussage der Behördenvertreter unterscheidbarer und abgetrennter Teil der Anwesenden zu einem Demonstrationszug. […]

Da[ss] ich jedenfalls an der Standkundgebung teilnehmen wollte und teilnahm, und nicht zu den sich zu einem Demonstrationszug formierenden Menschen gehörte, geht aus den Feststellungen der belangten Behörde […] sowie aus der Tatsache hervor, da[ss] ich erst knapp nach 19.00 Uhr am Versammlungsort eingetroffen bin. Hätte ich an dem, ursprünglich für 18.00 Uhr angesetzten, untersagten Demonstrationszug teilnehmen wollen, so hätte ich mich früher zum Christian-Broda-Platz begeben müssen.

Die Teilnehmer der geduldeten Standkundgebung, damit auch ich als Beschwerdeführer[,] haben jedenfalls keinen Anlass zu einer Auflösung dieser Versammlung geboten, war daher […] deren Auflösung […] rechtswidrig. Dies begründet daher eine Verletzung meines Rechts, mich friedlich zu versammeln.

[…]

Die gegenständliche Versammlung wurde entsprechend der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen um 18.51 Uhr aufgelöst und wurde den Versammlungsteilnehmern eine Frist von 10 Minuten, also bis 19.01 Uhr zugestanden, [um] den Versammlungsort zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt traf ich erst […] ein und hatte folglich beim Einlangen am Versammlungsort von diesem Umstand keine Kenntnis. […]

Es wäre aber die Pflicht der Polizei und auch faktisch möglich gewesen, mich beim Zutritt zum Christian-Broda-Platz entweder darauf aufmerksam zu machen, da[ss] ich mich zu einer nicht zulässigen Versammlung begebe und mich bei einem Betreten des Geländes daher auch strafbar mache bzw mich durch entsprechende Aufforderungen oder entsprechendes Handeln am Zutritt zur Versammlung zu hindern und wegzuweisen. […] Weder wurde ich auf den Umstand der Auflösung zumindest aufmerksam gemacht, noch am Zutritt gehindert, und kann mir gegenüber daher eine behördliche Erklärung der Auflösung der Versammlung nicht ergangen sein."

Hinsichtlich der von ihm behaupteten Verletzung des Art5 EMRK iVm Art1 und 2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988 idF BGBl I 2/2008, (im Folgenden: PersFrBVG) führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus:

"Erst nach einem Aufenthalt von etwa 30 Minuten habe ich durch andere Versammlungsteilnehmer vom Umstand der bereits erfolgten Erklärung der Auflösung der Versammlung erfahren. […] Anschließend habe ich umgehend versucht, der mit bekannten gesetzlichen Verpflichtung zum Verlassen des Versammlungsortes nachzukommen, was aber nicht mehr möglich war. […]

Mit den Identitätsfeststellungen waren nur wenige, zumeist nur 6 bis 8 Exekutivbeamte befa[ss]t und waren die Wartezeiten alleine durch diesen Umstand begründet. Die Behörde hatte von Beginn an Kenntnis über die Anzahl der Versammlungsteilnehmer, die mehrere hundert Menschen betrug[,] und konnte sie damit rechnen, da[ss] bei Einsatz von bloß 6 bis 8 Beamten die Identitätsfeststellungen über mehrere Stunden andauern werden. […] Die Verzögerung hatte die Behörde daher von Beginn an offensichtlich in Kauf genommen.

[…]

Vielmehr erscheint gerade durch das Verhältnis der kontrollierenden Polizeibeamten und der Menge der zu kontrollierenden Versammlungsteilnehmer der Schlu[ss] naheliegend, da[ss] es der Behörde gerade darauf ankam, einem großen Teil der Versammlungsteilnehmer für längere Zeit und jedenfalls für einen unzumutbar und unnotwendig langen Zeitraum die Freiheit zu beschränken. […]

Durch die unverhältnismäßig und unnotwendig lange Festhaltung über die Dauer von etwa 3 Stunden zur Identitätsfeststellung wurde ich jedenfalls in meinem Recht auf die persönliche Freiheit verletzt."

Zu der behaupteten Verletzung des Art3 EMRK äußerte sich der Beschwerdeführer – zusammengefasst – wie folgt:

"Die belangte Behörde geht fehl, wenn sie die Einkesselung an sich nicht als erniedrigende Behandlung oder Strafe beurteilt.

[…]

[D]ie Polizei [hat es] vorgezogen, einen Kessel zu bilden und hunderte friedliche Versammlungsteilnehmer vorhersehbar für Stunden bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, ohne Zugang zu Lebensmitteln und ohne Zugang zu Toiletten festzuhalten. […] Die Bildung eines Kessels, […] so wie er gegenständlich von der Polizei 'gestaltet' wurde, stellt eine Demütigung dar. […]

Insbesondere ist diesbezüglich auf das Vorgehen der Räumkette zu verweisen, die um ca. 20.20 Uhr begann, ohne Ankündigung und ohne erkennbaren Anla[ss] den Kessel enger zu ziehen […]. Die Notwendigkeit der Räumkette begründet die belangte Behörde mit Ausschreitungen auf dem Christian-Broda[-P]latz und dem Ungehorsam einer größeren Menschenmenge. Da[ss] dieser Ungehorsam weitgehend durch die Art und Weise der Durchführung der Identitätskontrollen bedingt war […], lä[ss]t die belangte Behörde außer Acht. Ebenso lä[ss]t die belangte Behörde außer Acht, da[ss] die Ausschreitungen, die […] bereits längst beendet waren, […] keinen Vorwand mehr für das ankündigungslose Engerziehen des Kessels […] liefern konnte. […] Im Ergebnis haben die Versammlungsteilnehmer keinen Anla[ss] für den Einsatz der Räumkette, das Engerziehen des Kessels und das Zusammentreiben der Menschen auf einen verengten Platz geliefert, war dieses Vorgehen auch nicht durch andere Umstände gerechtfertigt und erweist sich daher als unverhältnismäßig.

[…] Zumal schon der Einsatz der Räumkette nicht rechtmäßig erfolgt ist, war auch die anlä[ss]lich deren Vorgehens gegen mich eingesetzte Zwangsgewalt nicht gerechtfertigt und stellt eine Mi[ss]achtung des in Art3 EMRK geregelten Verbots der erniedrigenden Behandlung dar."

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

6. Mit dem – dem Akt des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens beiliegenden – Berufungsbescheid des UVS Wien vom 11. Mai 2011 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das auf §19 VersammlG gestützte Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. November 2010 Folge gegeben und das Straferkenntnis aufgehoben. Rechtlich führte der UVS Wien hier insbesondere aus, dass die Auflösung der am 29. Jänner 2010 am Christian-Broda-Platz abgehaltenen Versammlung gegenüber dem Beschwerdeführer nicht gehörig kundgemacht worden sei, da der Beschwerdeführer den Versammlungsort erst nach der Auflösungsdurchsage von 18.51 Uhr betreten habe. Die erste für den Beschwerdeführer wahrnehmbare Durchsage sei erst um 19.20 Uhr erfolgt; zu diesem Zeitpunkt sei ein Verlassen des Versammlungsortes ohne Ausweiskontrolle nicht mehr möglich. Da der Beschwerdeführer die ihm zu Last gelegte Verwaltungsübertretung, nämlich das Verbleiben am Versammlungsort nach Auflösung der Versammlung, nicht begangen habe, sei das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

II. Rechtslage

1. Die belangte Behörde hat den Bescheid, mit dem sie die Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers abgewiesen hat, insbesondere auf die §§1, 6, 9, 11, 13, 14 und 19 VersammlG gestützt. Diese Bestimmungen lauteten idF BGBl I 127/2002:

"§1. Versammlungen sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet.

[…]

§6. Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.

[…]

§9. (1) An einer Versammlung dürfen keine Personen teilnehmen,

1. die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern oder

2. die Gegenstände mit sich führen, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern.

(2) Von der Festnahme einer Person gemäß §35 Z3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 wegen eines Verstoßes gegen Abs1 ist abzusehen, wenn der gesetzmäßige Zustand durch Anwendung eines gelinderen Mittels hergestellt werden kann; §81 Abs3 bis 6 des Sicherheitspolizeigesetzes gilt sinngemäß.

(3) Darüber hinaus kann von der Durchsetzung der Verbote nach Abs1 abgesehen werden, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht zu besorgen ist.

[…]

§11. (1) Für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung haben zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen.

(2) Sie haben gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten. Wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen.

[…]

§13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§16 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.

§14. (1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

[…]

§19. Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden."

2. Der Beschwerdeführer stützte seine Beschwerde ua auf Art1 und 2 PersFrBVG. Diese lauteten idF BGBl I 2/2008:

"Artikel 1

(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind.

Artikel 2

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

1. wenn auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkannt worden ist;

2. wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist,

a) zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, daß er einen bestimmten Gegenstand innehat,

b) um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder

c) um ihn bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung an der Begehung einer gleichartigen Handlung oder an der Ausführung zu hindern;

3. zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist;

4. um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;

5. wenn Grund zur Annahme besteht, daß er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde;

6. zum Zweck notwendiger Erziehungsmaßnahmen bei einem Minderjährigen;

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

(2) Niemand darf allein deshalb festgenommen oder angehalten werden, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen."

III. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer behauptet die Verletzung in seinen Rechten auf Versammlungsfreiheit, auf persönliche Freiheit sowie eine Verletzung des Verbots der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Die Verletzung in seinem Recht auf Versammlungsfreiheit argumentiert er – auf das Wesentliche zusammengefasst – damit, dass die Versammlung, bei welcher er anwesend gewesen sei, von der Behörde zu Unrecht aufgelöst worden wäre.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist jede Verletzung des VersammlG, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten (vgl zB VfSlg 17.600/2005, 18.114/2007 mwN). Auch eine Bestrafung wegen Übertretung des VersammlG (VfSlg 14.365/1995, 14.773/1996 mwN) oder die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Gefolge der Auflösung einer Versammlung (VfSlg 14.366/1995, 14.761/1997 mwN) können in das genannte Grundrecht eingreifen.

1.3. Eine Verletzung des Versammlungsgesetzes liegt jedoch nicht vor:

1.3.1. Bei der gegenständlich zu beurteilenden Versammlung handelt es sich um eine nicht angemeldete "Spontanversammlung" aus Anlass des Balls des Wiener Korporationsringes in der Hofburg. Als solche unterfällt sie dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit, da nach ständiger Rechtsprechung auch Versammlungen, die nicht behördlich angemeldet wurden, als Versammlungen iSd VersammlG zu qualifizieren sind (vgl zB VfSlg 14.366/1995).

1.3.2. Hinsichtlich der in der Beschwerde gerügten Auflösung der gegenständlichen Versammlung ist, aus verfassungsrechtlicher Sicht, festzustellen, dass diese in nicht zu beanstandender Weise erfolgt ist, hat doch die Behörde auf Basis der Analysen zur ursprünglich geplanten, doch schließlich untersagten Versammlung (vgl VfSlg 19.423/2011) und der Beurteilung am Ort der "Spontanversammlung" in nachvollziehbarer Weise die Entscheidung getroffen, dass bei deren Abhaltung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu gewärtigen sei (vgl ua auch VfSlg 10.955/1986, 11.132/1986, 11.832/1988). Hieraus folgt, dass die Auflösung der gegenständlichen Versammlung dem VersammlG entsprochen hat (vgl VfSlg 14.761/1997) und der Beschwerdeführer sohin nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde.

2. Weiters behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinem Recht auf persönliche Freiheit im Zuge der Durchführung der Versammlungsauflösung.

2.1. Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass gemäß §14 VersammlG alle am Versammlungsort anwesenden Personen verpflichtet sind, selbigen nach Auflösung der Versammlung sogleich zu verlassen (vgl VfGH 20.9.2012, B1359/11). Zur Feststellung des Ungehorsams gegen dieses gesetzliche Gebot reicht es aus, dass ein Anwesender nicht von sich aus diese Verpflichtung erfüllt; ein wie immer gearteter Widerstand ist hier nicht erforderlich (VfSlg 14.772/1997). Unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer die Mitteilung der Auflösung der Versammlung rechtswirksam zugegangen ist, konnten die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anbetracht der Gesamtsituation vor Ort mit gutem Grund annehmen, dass sich der Beschwerdeführer durch Nicht-Verlassen des Versammlungsortes einer Verwaltungsübertretung schuldig gemacht hat. Die Annahme der Behörde, der Beschwerdeführer habe §14 VersammlG übertreten, erscheint unter den Umständen des konkreten Falls durchaus vertretbar (vgl ua auch VfSlg 10.376/1985).

2.2. Aus §35 VStG folgt, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Identität jener Personen feststellen dürfen, die bei einer Verwaltungsübertretung auf frischer Tat betreten werden. Unter der "Betretung auf frischer Tat" ist nach der Judikatur die unmittelbare Wahrnehmung einer Tat zu verstehen, ohne dass zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind oder Schlüsse gezogen werden müssen (VfSlg 7309/1974). Hinsichtlich der Frage, ob eine unmittelbar wahrgenommene Tat eine Verwaltungsübertretung darstellt, genügt es nach ständiger Rechtsprechung, dass für die Annahme, ein bestimmter Tatbestand sei erfüllt worden, vertretbare Gründe vorliegen (vgl zB VfSlg 14.367/1995).

2.3. Da, wie oben dargetan, die Auflösung der Versammlung rechtmäßig erfolgt ist, der Beschwerdeführer den Versammlungsort hienach nicht verlassen hat und da infolgedessen die Annahme der Behörde vor Ort, er hätte eine Verwaltungsübertretung begangen und wäre bei dieser auf frischer Tat betreten worden, durchaus vertretbar erscheint, kann auch in der Anhaltung des Beschwerdeführers und in der Feststellung seiner Identität grundsätzlich keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit erblickt werden (vgl hiezu auch VfSlg 14.761/1997).

2.4. Was die vom Beschwerdeführer gerügten Modalitäten der Anhaltung betrifft, nämlich die behauptete "Einkesselung" der Versammlungsteilnehmer und die "schleppende Durchführung" der Identitätskontrollen, so kann hierin ebenso wenig eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf persönliche Freiheit erblickt werden. Gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Ort bei Vollzug der Versammlungsauflösung "maßhaltend" zu agieren (VfSlg 14.365/1995). Im konkreten Fall liegt allerdings kein Umstand vor, der eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgebots nahe legen würde. Insb. unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das etwa dreistündige Verbleiben des Beschwerdeführers am Versammlungsort nach der Versammlungsauflösung va. auf dessen eigenes Verhalten zurückzuführen ist, kann von einem maßhaltenden Agieren der Sicherheitsorgane ausgegangen werden.

2.5. Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit hat demnach nicht stattgefunden.

3. Schließlich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Verbots der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung infolge der "Einkesselung" der Versammlungsteilnehmer und des Einsatzes einer "Räumkette".

3.1. Hiezu ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auflösung einer Versammlung das Vorliegen einer erniedrigenden Behandlung iSd Art3 EMRK nicht bei jedem physischen Zwangsakt angenommen hat; vielmehr muss qualifizierend zu diesem Akt hinzutreten, dass ihm eine die Menschenwürde beeinträchtigende Missachtung des Betroffenen als Person zu eigen ist (so zB VfSlg 10.427/1985).

3.2. Der konkrete Sachverhalt legt allerdings keinesfalls nahe, dass eine derartige Rechtsverletzung stattgefunden hätte. Soweit im konkreten Fall physische Gewalt gegen den Beschwerdeführer selbst zum Einsatz kam, erschöpfte sich diese in einem leichten Stoß, den ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Beschwerdeführer versetzte, als dieser der verbalen Aufforderung, weiterzugehen, nicht nachgekommen ist. Hiedurch erreicht der Zwangsakt aber jedenfalls nicht jene Intensität, auf Grund der er als erniedrigende oder unmenschliche Behandlung zu qualifizieren wäre.

3.3. Demnach hat auch die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Verbots der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nicht stattgefunden.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzungen seiner Rechte auf Versammlungsfreiheit und auf persönliche Freiheit sowie die behauptete Verletzung des Verbots der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sind nicht erfolgt. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als nicht begründet.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte