OGH 9ObA98/14y

OGH9ObA98/14y27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Dr. Peter Schnöller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. C***** W*****, vertreten durch Mag. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 9.294,95 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2014, GZ 7 Ra 36/14m‑17, mit der der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 9. Jänner 2014, GZ 10 Cga 63/13a‑13, keine Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der am ***** 1966 geborene Kläger besuchte vom 15. 2. 1984 bis 24. 4. 1986 die Fachschule für Nachrichtentechnik an der HTBLA *****, die er am 9. 6. 1986 mit Fachprüfung erfolgreich abschloss. Von 1. 4. 1987 bis 30. 11. 1987 absolvierte er den Präsenzdienst. Von 12. 1. 1987 bis 11. 1. 1988 arbeitete er beim Verein „J*****“ und von 1. 2. 1988 bis 31. 7. 1992 beim Verein Ö***** als Sanitätsgehilfe. Von 5. 9. 1992 bis 1. 7. 1994 besuchte er den ‑ erstmals im September 1990 eingeführten - Aufbaulehrgang für Elektronik an der HTL ***** und absolvierte am 6. 10. 1994 die Reifeprüfung. Er studierte an der TU Wien Elektrotechnik und erlangte mit Bescheid vom 8. 10. 2004 den akademischen Grad Diplom-Ingenieur; in diesem Zeitraum arbeitete er als Studienassistent. Anschließend arbeitete er bis 2. 9. 2009 facheinschlägig in der Privatwirtschaft.

Seit 2. 9. 2009 ist der Kläger bei der Beklagten als Vertragslehrer für Informatik an der HTBLA ***** beschäftigt und wird gemäß der Entlohnungsgruppe l1 entlohnt. Sein Vorrückungsstichtag wurde mit 2. 2. 2002 festgesetzt. Der Kläger war im Jänner 2010 in der Entlohnungsstufe 5 eingereiht, die nächste Vorrückung erfolgte per 1. 1. 2012. Die Ausbildungszeiten im Aufbaulehrgang für Elektronik an der HTL ***** wurden von der Beklagten bei der Berechnung des Vorrückungsstichtags nicht berücksichtigt.

Der Kläger begehrte eine Entgeltnachzahlung von zuletzt 9.294,95 EUR brutto sA für den Zeitraum Jänner 2010 bis September 2013 bei Neuberechnung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der Zeiten des Aufbaulehrgangs. § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 widerspreche Artikel 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG . Denn nach dieser Bestimmung würden all jene Personen, die vor Abschluss der Schulbildung einer Beschäftigung nachgegangen seien, gegenüber jenen, die diese Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt absolviert hätten und danach eine Beschäftigung ausübten, diskriminiert. Es liege auch keine gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Alters vor. Aufnahmevoraussetzung sei eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft nach dem Studium. Es komme daher nicht darauf an, ob man dem Bundesdienst länger zur Verfügung stehe.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Kläger den Aufbaulehrgang nicht iSd § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 zum „aufgrund schulrechtlicher Vorschriften“ frühestmöglichen Zeitpunkt abgeschlossen habe, weshalb die Zeiten nicht anzurechnen seien. Bei Errechnung des Vorrückungsstichtags sei von einem fiktiven Studienverlauf ohne Berücksichtigung des aus persönlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begonnenen Studiums auszugehen. Darin liege auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Richtlinie 2000/78/EG sei nicht direkt anwendbar. Zudem sei es in einem Mitgliedstaat wie Österreich, wo der Arbeitsmarkt über zu wenige Hochschulabsolventen verfüge, legitim, Anreize für die ehestmögliche Absolvierung einer höheren Ausbildung zu schaffen. Auch gehe es um den erhöhten Bestandschutz im öffentlichen Dienst, dem die Auswahl der Bestgeeigneten zu Grunde liege. Rasche Studien und ein Absolvieren der Ausbildung im ersten Gang würden belohnt. Die Berufsentscheidung für den öffentlichen Dienst habe Treueprämiencharakter. Der Gesetzgeber sei auch daran interessiert, dass öffentlich Bedienstete eine möglichst lange Dienstzeit verbrächten. Für jemanden, der die Ausbildung nicht in der Mindestzeit erfolgreich abschließe, bestehe schon die Gefahr, dass er gar nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und interpretierte § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 dahin, dass das Wort „frühestens“ nur auf die Mindeststudienzeit abstelle. Anhand einer Reihe von (im Einzelnen dargestellten) Beispielen zeigte es, dass eine Nichtanrechnung des Aufbaulehrgangs zu einer unmittelbaren Diskriminierung nach Art 2 Abs 2 lit b der Richtlinie 2000/78/EG führe. Selbst wenn nur eine mittelbare Diskriminierung vorläge, gäbe es dafür keine sachliche Rechtfertigung. Die von der Beklagten behaupteten Rechtfertigungsgründe seien auch nicht annähernd kommuniziert worden.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten unter Berufung auf den Gleichheitssatz keine Folge. Wenn auch der Wortlaut des § 26 Abs 2 Z 6 VBG eine andere Deutung nicht ausschließe, sei einer verfassungskonformen Interpretation der Vorzug zu geben. Die Beklagte sei für die Ungleichbehandlung der Absolventen eines Aufbaulehrgangs je nachdem, in welchem Lebensabschnitt er absolviert werde, eine sachliche Rechtfertigung schuldig geblieben. Dass der „Grundsatz der besten Auswahl“ erfüllt werde, sei nicht zwingend, weil gerade die Verbreiterung der Lebenserfahrung und der Erwerb von anderen praktischen Kenntnissen gegenüber einer „stromlinienförmig“ verlaufenden Schulkarriere von Vorteil sein könnten. Da die Benachteiligung des späteren Ausbildungsbeginns auch dann zur Anwendung käme, wenn zwei Personen am gleichen Tag Vertragsbedienstete geworden seien, könne auch das Interesse des Gesetzgebers an einer möglichst langen Dienstzeit öffentlich Bediensteter nicht als objektive Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung herangezogen werden. Aufgrund des Wandels in der Berufs- und Ausbildungswelt sei der spätere Beginn einer höheren Schule mittlerweile weit verbreitet und werde von zahlreichen Schulen und Instituten gefördert und beworben. Anders als in der Entscheidung 9 ObA 310/98y könne der Abschluss einer höheren Schule in einer späteren Lebensphase daher nicht mehr als Ausnahme bzw Härtefall qualifiziert werden. In der Entscheidung 8 ObA 56/12m seien keine verfassungs- oder unionsrechtliche Fragen zu beantworten gewesen. Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in diesen Entscheidungen vom fiktiv frühesten Antrittsalter der anzurechnenden Ausbildung ausgegangen sei.

In ihrer dagegen erhobenen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinn einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

Die Revision ist zulässig , jedoch nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 26 Abs 2 Z 6 lit a VBG 1948 ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags bestimmter Vertragsbediensteter die Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule bis zu dem Zeitpunkt anzurechnen, an dem der Vertragsbedienstete den Abschluss dieser Ausbildung aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können; mögliche schulrechtliche Ausnahmegenehmigungen sind nicht zu berücksichtigen. Als Zeitpunkt des möglichen Schulabschlusses ist bei Studien, die mit dem Schuljahr enden, der 30. Juni und bei Studien, die mit dem Kalenderjahr enden, der 31. Dezember anzunehmen.

2. Zur hier strittigen Frage, ob der Zeitpunkt, an dem der Abschluss der Ausbildung „aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens“ zu erreichen gewesen wäre, auf den konkreten Studienbeginn des jeweiligen Absolventen oder aber abstrakt auf die Ausbildungsmöglichkeit als solche zu beziehen ist, wurde bereits in der Entscheidung 9 ObA 310/98y unter Berufung auf das Erkenntnis des VwGH vom 16. 11. 1994, 93/12/0298, Stellung genommen. Darin wurde festgehalten, dass bei Errechnung des Vorrückungsstichtags von einem fiktiven Studienverlauf ohne Berücksichtigung des aus persönlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen Studiums auszugehen sei. Es sei, weil das Gesetz keine Ausnahme zulasse, vom Regelfall einer gesetzlich vorgegebenen Schulausbildung der gewählten Art auszugehen, woraus sich nicht nur das früheste Antrittsalter, sondern auch die Ausbildungsdauer ergebe. Das Abstellen auf den Regelfall mache ein Gesetz aber nicht gleichheitswidrig (s auch den daraus gebildeten Rechtssatz RIS‑Justiz RS0111436).

Für den Obersten Gerichtshof bestand in der Entscheidung 9 ObA 310/98y vom 10. 2. 1999 kein Anlass, sich mit der Frage einer allfälligen Unionswidrigkeit, insbesondere einer (Alters‑)Diskriminierung der Bestimmung auseinanderzusetzen, weil die maßgebliche Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erst am 27. 11. 2000 erlassen und erst bis 2. 12. 2003 in nationales Recht umzusetzen war.

Mit Beschluss vom 13. 9. 2012, 8 ObA 56/12m, wies der Oberste Gerichtshof die Revision eines Klägers zur Frage, ob für die Anrechnung von Schulbesuchszeiten an der Handelsakademie für Berufstätige der tatsächliche oder ein fiktiver Eintritt in das Berufsleben maßgebend sei, mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage unter Hinweis auf diese Rechtsprechung zurück. Der Entscheidung ist zu entnehmen, dass jener Kläger keine weiteren Einwände, insbesondere auch nicht zur Verfassungs‑ oder Unionsrechtswidrigkeit der Norm erhoben hatte.

3. Inhaltlich von einer Richtlinie berührte Normen sind soweit wie möglich richtlinienkonform auszulegen (RIS‑Justiz RS0111214). Eine richtlinienkonforme Auslegung einer Bestimmung kann aber nur soweit erfolgen, als das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RIS‑Justiz RS0114158).

Unter dem Eindruck der genannten Richtlinie 2000/78/EG ist der Oberste Gerichtshof daher gehalten, die Auslegung des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 und ihre Grenzen einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen.

4. Wie das Berufungsgericht richtig darstellte, lässt der Wortlaut der Bestimmung mit dem Abstellen auf jenen Zeitpunkt, an dem der Abschluss der Ausbildung „ aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens “ zu erreichen gewesen wäre, in seinem systematischen Zusammenhang nicht nur das in der Entscheidung 9 ObA 310/98y dargelegte Verständnis, sondern auch das Verständnis zu, dass die Anrechnung eines erfolgreich absolvierten Studiums nur im Ausmaß der Mindeststudienzeit zu erfolgen hat. Die praktische Bedeutung davon wäre, dass danach etwa das Wiederholen eines Schuljahres zulasten des Schülers oder Studenten ginge (idS auch Ziehensack , Praxiskommentar VBG § 26 Rz 58).

5. Auch der Wille des historischen Gesetzgebers steht dieser Auslegung nicht entgegen:

Die hier zu beurteilende strittige Wendung des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 geht auf die Fassung BGBl 1970/246 zurück, mit der der Gesetzgeber der nahezu wortgleichen Regelung des § 12 Abs 2 Z 6 GehG idF BGBl 1970/245 folgte. Nach beiden Bestimmungen, jeweils in Verbindung mit ihrem Abs 1, war bei der Errechnung des Vorrückungsstichtags ‑ unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten ‑ die Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule bis zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, an dem der Beamte (Vertragsbedienstete) den Abschluss dieser Ausbildung aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können. Zufolge der Materialien zu § 12 Abs 2 Z 6 GehG, RV 57 BlgNR XII. GP 19, sollte dadurch erreicht werden, „dass Zeiten eines durch schulrechtliche Vorschriften (nicht durch den Studierenden) bewirkten längeren, das heißt über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinausreichenden Ausbildungsganges zur Ablegung der Reifeprüfung einer bestimmten Schulart oder Zeiten der Normaldauer eines Hochschulstudiums zur Gänze in der Verwendungsgruppe B berücksichtigt werden“.

Ausgeschlossen wird damit die Anrechnung von nach dem 18. Lebensjahr liegenden Schuljahren, wenn sie ihre Ursache im Schüler haben (zB Repetent), nicht aber, wenn die Ausbildung im Regelfall überhaupt erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgeschlossen werden kann (zB HTL). Über die Anerkennung von Zeiten des Besuchs einer höheren Schule im zweiten Bildungsweg ist damit aber noch nichts gesagt.

6. Den objektiven Zweck der Regelung sieht die Beklagte in der Anerkennung und Förderung des frühestmöglichen Abschlusses einer höheren Schulbildung, weil sie Interesse an einer möglichst langen Beschäftigung von Bediensteten habe. Folgte man ihr darin, dürfte der Gesetzgeber aber auch Zeiten eines Studiums an einer Akademie, Universität, Hochschule oder anderen Institution iSd § 2b Abs 7 und 8 VBG 1948 nur dann anrechnen, wenn es zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgeschlossen wird. Das ist jedoch nicht der Fall. Zeiten dieser Studien sind mit einem Mindestmaß vielmehr unabhängig davon anzurechnen, in welcher Lebensphase ein Vertragsbediensteter sie absolviert hat (s § 2b Abs 2 Z 7 Z 8 Abs 2a VBG 1948). § 26 Abs 2 Z 6 VBG kann daher nicht zwingend mit dem Bestreben einer Förderung möglichst junger Schüler und Studenten erklärt werden. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Förderung der Akademikerquote als solche überzeugt schon deshalb nicht, weil eine einschränkende Auslegung des § 26 Abs 2 Z 6 VBG diesem Zweck gerade entgegenstünde.

7. Nach diesen Erwägungen ist aber entgegen dem in der Entscheidung 9 ObA 310/98y gefundenen Auslegungsergebnis auch ein Verständnis des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 dahin möglich, dass der „aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestmögliche Abschluss“ auch auf eine in einer späteren Lebensphase absolvierte höhere Schulbildung bezogen werden kann. Fraglich ist, ob dieses Verständnis durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 auch geboten ist.

8. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 18. Juni 2009, C-88/08 Hütter , klargestellt, dass eine nationale Regelung, die Personen, die ihre Berufserfahrung, wenn auch nur teilweise, vor Vollendung des 18. Lebensjahres erworben haben, weniger günstig behandelt, als Personen, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres eine gleichartige Berufserfahrung vergleichbarer Länge erworben haben, eine Ungleichbehandlung von Personen aus Gründen des Alters, in dem sie ihre Berufserfahrung erworben haben, darstellt (Rn 38).

Hielte man am bisherigen Verständnis des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 fest, würde sich die unterschiedliche Berücksichtigung von Zeiten des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule nicht unmittelbar aus dem Alter des Studierenden ergeben, sondern aus dem scheinbar neutralen Kriterium des aufgrund schulrechtlicher Vorschriften frühestmöglichen Abschlusses einer höheren Schulbildung. Faktisch erhielten damit all jene Vertragsbediensteten einen ungünstigeren Vorrückungsstichtag, die die höhere Schule nicht schon im regulären Schulverlauf, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens absolviert haben. Damit läge aber zwangsläufig jedenfalls mittelbar eine altersbedingte Ungleichbehandlung vor, die nach Art 2 Abs 1 und Abs 2 lit b der Richtlinie 2000/78 EG verboten ist.

9. Aus Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78 EG ergibt sich, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte keine solche sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung der Anrechnung von Zeiten einer höheren Schulbildung je nachdem, in welcher Lebensphase diese absolviert wurde, nachgewiesen hat.

In der Revision erachtet die Beklagte eine enge zeitliche und inhaltliche Verflechtung der Ausbildungsgänge und -inhalte als wünschenswertes Ausbildungsziel, weshalb der Abschluss einer schulischen Ausbildung im Rahmen der dafür vorgesehenen lehrplanmäßigen „Normalverläufe“ honoriert werde. Wie dargelegt, steht dem aber entgegen, dass Zeiten einer Hochschulbildung unabhängig davon anzurechnen sind, in welcher Lebensphase ein Studium absolviert wurde (§ 26 Abs 2 Z 7, Z 8 VBG). Dem Abschluss einer höheren Schule (Matura) kann auch nicht weniger Bedeutung als einem Hochschulstudium beigemessen werden, weil er ‑ wie am Fall des Klägers zu sehen ist ‑ Voraussetzung für ein weiterführendes Hochschulstudium ist. Eine Förderung bloß frühestmöglicher Abschlüsse einer höheren Schule stünde insofern in Widerspruch zu einer altersunabhängigen Berücksichtigung von Hochschulstudienabschlüssen.

10. Im Ergebnis würde ein Festhalten am bisherigen Verständnis des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 der Bestimmung daher einen richtlinienwidrigen Inhalt beimessen. Da aber, wie gezeigt, auch eine unionsrechtskonforme Auslegung möglich ist, ist dieser zwingend der Vorzug zu geben (RIS‑Justiz RS0075866, RS0112669 ua) und die Bestimmung zusammenfassend dahin zu verstehen, dass das Wort „frühestens“ auf den tatsächlichen individuellen Ausbildungsbeginn bis zum dann nach den schulrechtlichen Vorschriften frühestmöglichen Ausbildungsende zu beziehen ist.

11. Ohne dass es noch auf weitere Erwägungen zur Verfassungskonformität der Bestimmung ankäme, erweist sich die Revision der Beklagten folglich als nicht berechtigt. Ihr war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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