Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.236,44 (darin EUR 198,24 USt und EUR 47,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Unternehmen der beklagten Partei ist ein Arbeiterbetriebsrat eingerichtet, welcher aus fünf Mitgliedern besteht. Die Klägerin, welche in verschiedenen Abteilungen der beklagten Partei als Arbeiterin eingesetzt war, war zuletzt in der Fertigung für Gitterroste tätig. Im Spätherbst 2002 kam es in dieser Abteilung zu Auslastungsproblemen, weshalb sich die Geschäftsführung zur Kündigung einiger Arbeitnehmer aus diesem Bereich entschloss. Da sich mit der Klägerin in der Vergangenheit Probleme ergeben hatten, entschloss sich der Geschäftsführer, - unter anderem - die Klägerin zu kündigen. Am Montag, dem 25. 11. 2002, informierte der Produktionsleiter im Auftrag des Geschäftsführers den Betriebsratsvorsitzenden von der beabsichtigten Kündigung der Klägerin und forderte diesen auf, bis zum folgenden Donnerstag eine entsprechende Stellungnahme abzugeben. Der Betriebsratsvorsitzende sagte dies auch zu. Im Anschluss an dieses Gespräch informierte der Vorsitzende des Betriebsrats zunächst seinen Betriebsratskollegen P*****. Sie teilten sodann der Klägerin die Kündigungsabsicht der beklagten Partei mit. Nach diesem Gespräch verständigte der Vorsitzende des Betriebsrates die drei weiteren Betriebsratsmitglieder von der beabsichtigten Kündigung, welche keine ausdrückliche Erklärung abgaben.
Am nächsten Tag, dem 26. 11. 2002, bestellte der Geschäftsführer den Betriebsratsvorsitzenden zu sich, in erster Linie deswegen, weil er erfahren hatte, dass dieser die Klägerin von der beabsichtigten Kündigung schon verständigt habe. Der Betriebsratsvorsitzende konnte dem Geschäftsführer für diese Vorgangsweise zwar keine Begründung nennen, gab aber im Namen des Betriebsrates die Erklärung dahin ab, dass der Betriebsrat aufgrund der bestehenden Auslastungssituation mit der Kündigung eines Mitgliedes aus der Abteilung der Klägerin grundsätzlich einverstanden sei, dass der Betriebsrat jedoch die Kündigung einer anderen Person anstelle der Klägerin bevorzugen würde. Nach einer Erörterung in der Dauer von ca 15 bis 20 Minuten stimmte der Betriebsratsvorsitzende sodann der Kündigung der Klägerin ausdrücklich zu. Noch am 26. 11. 2002 veranlasste der Geschäftsführer die Anfertigung eines schriftlichen Kündigungsschreibens, welches der Klägerin am Nachmittag des 28. 11. 2002 ausgehändigt wurde. Mit ihrer Klage vom 4. 4. 2003 begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen ungeachtet der von der beklagten Partei ausgesprochenen Kündigung über den 27. 2. 2003 hinaus fortbestehe. Die Kündigung sei nicht wirksam erfolgt, weil sie vor Ablauf der fünftägigen Frist des § 105 Abs 1 ArbVG ausgesprochen worden sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und berief sich auf § 105 Abs 2 zweiter Satz ArbVG. Die beklagte Partei sei nicht gehalten gewesen, den Ablauf der Fünftage-Frist abzuwarten, weil der Betriebsrat bereits vor Ablauf dieser Frist eine Stellungnahme abgegeben habe. Erst danach sei die Kündigung ausgesprochen worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den vorgenannten Feststellungen vertrat es die Rechtsauffassung, dass der Betriebsratsvorsitzende bereits am 26. 11. 2002 mündlich die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung der Klägerin gegenüber dem Geschäftsführer der beklagten Partei mitgeteilt habe. Die beklagte Partei habe daher den Ablauf der Fünftagesfrist nicht mehr abwarten müssen, sondern sei berechtigt gewesen, nach erfolgter Stellungnahme die Kündigung der Klägerin auszusprechen, welche dieser am 28. 11. 2002 zugegangen sei.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass es dem Feststellungsbegehren Folge gab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass dann, wenn der Betriebsratsvorsitzende gegenüber dem Betriebsinhaber eine Erklärung namens des Betriebsrates zu einer beabsichtigten Kündigung abgebe, der Betriebsinhaber grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass ein derartiger Beschluss vorliege, d.h. er nicht verpflichtet und berechtigt sei, hinsichtlich der internen Willensbildung des Betriebsrates Nachforschungen anzustellen, es sei denn, dass schon bei der Abgabe der Erklärung durch den Betriebsratsvorsitzenden erkennbare Umstände für die Vermutung vorlägen, dass dessen Erklärung nicht von einem entsprechenden Beschluss des Betriebsrates als Kollegialorgan gedeckt sei. Diese Umstände seien hier deshalb anzunehmen, weil der Betriebsratsvorsitzende zunächst nur berichtet habe, dass der Kündigung eines Mitarbeiters aus der Abteilung der Klägerin zugestimmt werde, nicht aber deren Kündigung, demgegenüber die definitive Zustimmung zur Kündigung durch den Betriebsratsvorsitzenden aber erst nach einer 15 bis 20 Minuten dauernden Diskussion erteilt worden sei. Daraus sei erkennbar gewesen, dass die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden nicht von einer entsprechenden Beschlussfassung durch den Betriebsrat gedeckt sei.
Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht mit seiner Rechtsauffassung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0051490; RS0109390) abweicht; sie ist auch berechtigt. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des Betriebsrates anzustellen (9 ObA 26/88 uva). Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, kann der Betriebsinhaber die Erklärung des gemäß § 71 ArbVG für den Betriebsrat vertretungsbefugten Betriebsratsvorsitzenden jedenfalls dann als rechtswirksame Stellungnahme des Betriebsratskollegiums ansehen, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt war und nicht auffallen musste (SZ 65/101, 9 ObA 300/97a). Dafür, dass der Geschäftsführer der beklagten Partei von den Vorgängen innerhalb des Betriebsrates, die der Abgabe der Stellungnahme durch den Betriebsratsvorsitzenden vorangingen, Kenntnis hatte, bestehen keine Hinweise. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht bestanden aber auch keine Anhaltspunkte, welche den Geschäftsführer der beklagten Partei zu dem Schluss hätten veranlassen müssen, dass die Willensbildung innerhalb des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß erfolgt wäre. Zwischen der Verständigung des Betriebsratsvorsitzenden von der Kündigungsabsicht und der Stellungnahme waren eineinhalb Arbeitstage vergangen, sodass der Geschäftsführer davon ausgehen durfte, dass mittlerweile eine entsprechende Beschlussfassung des Betriebsrates erfolgt war. Nach den Feststellungen gab der Betriebsratsvorsitzende gegenüber dem Geschäftsführer - schon vor der anschließenden Diskussion - "im Namen des Betriebsrates" die Erklärung ab, "dass der Betriebsrat aufgrund der bestehenden Auslastungssituation mit der Kündigung eines Mitarbeiters aus der Gitterrostfertigung grundsätzlich einverstanden sei, dass der Betriebsrat jedoch die Kündigung einer anderen, namentlich genannten Mitarbeiterin anstelle der Klägerin bevorzugen würde". Wenngleich sich aus dieser Formulierung für den Geschäftsführer der beklagten Partei wie für jeden anderen Zuhörer weder eine ausdrückliche Zustimmung noch ein ausdrücklicher Widerspruch zur Kündigung ergab, so war der Sinngehalt dieser Erklärung doch unmissverständlich der, dass der Betriebsrat einen Beschluss genau dieses Inhalts gefasst hatte. Da der Betriebsrat anerkanntermaßen auch die Möglichkeit hat, "keine Stellungnahme" als Stellungnahme im Sinn des § 105 Abs 1 ArbVG abzugeben (RIS-Justiz RS0109390), war der Geschäftsführer der beklagten Partei nicht dazu verhalten, nachzufragen, ob es sich nun dabei wirklich um einen Beschluss des Betriebsrates handelte. Wenngleich der Geschäftsführer der beklagten Partei die erst nach der Diskussion mit dem Betriebsratsvorsitzenden erteilte "unbedingte" Zustimmung nicht als vom Willen der Belegschaftsvertretung getragen ansehen durfte, so konnte er sich jedenfalls auf die erste Erklärung und darauf verlassen, dass die Beschlussfassung eine endgültige war. Damit kommt der beklagten Partei aber die Bestimmung des § 105 Abs 2 zweiter Satz ArbVG zustatten, wonach eine Kündigung vor Ablauf der fünftägigen Frist dann ausgesprochen werden darf, wenn der Betriebsrat bereits eine Stellungnahme im Sinn des § 105 Abs 1 ArbVG abgegeben hat. Dem Argument der Klägerin, dass die fünftägige Frist nicht abgewartet worden sei, kommt somit keine rechtserhebliche Bedeutung mehr zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung war zu beachten, dass - entgegen dem Kostenbestimmungsantrag der beklagten Partei - die Bestimmung des § 23 Abs 9 RATG über die Zuerkennung eines dreifachen Einheitssatzes nur im Berufungs-, nicht jedoch im Revisionsverfahren gilt, sodass nur ein Einheitssatz von 50 % nach § 23 Abs 3 RATG zuzuerkennen war.
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