OGH 9ObA79/22s

OGH9ObA79/22s28.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Karin Koller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * Z*, vertreten durch Hämmerle & Hämmerle Rechtsanwälte GmbH in Rottenmann, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Dr. Arno Lerchbaumer, Rechtsanwalt in Graz, wegen (richtig:) Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2022, GZ 7 Ra 15/22p‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00079.22S.0928.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Vorinstanzen haben die Entlassung der Klägerin wegen ihrer Weigerung, sich als ungeimpfte Lehrerin einmal wöchentlich einem PCR-Test iSd § 5 Abs 3 Covid-19-SchulVO 2021/22 – C-SchVO 2021/22 , BGBl II 2021/374, zu unterziehen, nach den Tatbeständen des § 34 Abs 2 lit b VBG als gerechtfertigt erachtet. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[2] 1. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Unterbleiben einer Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, hier zur Aussagekraft von PCR-Tests, stellt keine Aktenwidrigkeit dar (RS0043347 [T1]). Eine solche geht auch nicht aus ihrem Vorbringen zu einer vermeintlichen Fürsorgeverpflichtung des Dienstgebers hervor.

[3] 2. Ob Vertrauensunwürdigkeit iSd § 34 Abs 2 lit b VBG gegeben ist, hängt davon ab, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Vertragsbediensteten gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Vertragsbediensteten das Vertrauen des Dienstgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ob die Befürchtung, dass die Belange des Dienstgebers durch den Vertragsbediensteten gefährdet seien, gerechtfertigt ist, entscheidet allerdings nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des Umstandes des Einzelfalls anzuwenden ist (RS0108229). Auch ob eine Dienstpflichtverletzung gröblich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0105940 [T9]). Damit wird nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet, wenn dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte. Das ist nicht der Fall. Sie wird hier auch nicht dadurch begründet, dass eine Testpflichtverletzung der Klägerin iSd § 5 Abs 3 S 1 der C-SchVO 2021/22 zu beurteilen ist.

[4] 3.  Nach § 5 Abs 3 S 1 der C-SchVO 2021/22 war das Lehr‑ und Verwaltungspersonal, das sich regelmäßig im Schulgebäude aufhielt und keinen Nachweis gemäß § 4 Z 2 (dh Impfnachweis) erbrachte, verpflichtet, einen Nachweis gemäß § 4 Z 1 zu erbringen, wobei zumindest einmal pro Woche der Anwesenheit ein Nachweis gemäß § 4 Z 1 lit d (dh molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2, zB PCR-Test, dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen durfte) vorzulegen war.

[5] 4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 8 ObA 42/21s (dort unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre zu § 10 Abs 4 COVID‑19‑NotMV, BGBl II 2020 479, betreffend die Kündigung eines Diplomkrankenpflegers in einem Alten- und Pflegeheim) sowie in der Entscheidung 8 ObA 11/22h (dort zu § 11 Abs 4 COVID-19-NotMV betreffend die Entlassung einer Mitarbeiterin einer Krankenanstaltenbetreiberin) zu einer normativ begründeten PCR-Testpflicht von Arbeitnehmern wie folgt Stellung genommen:

[6] War eine Arbeitgeberin, wie die Beklagte, als unmittelbare Adressatin der Verordnung verpflichtet, Arbeitnehmern ohne Vorliegen eines negativen Testergebnisses (bzw einer der in der Verordnung statuierten Ausnahmen) das Betreten der Betriebsstätte zu verwehren, ergibt sich auch mittelbar für den Arbeitnehmer die Verpflichtung, sich den kostenlos angebotenen Tests zu unterziehen, um seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommen zu können (= RS0133973).

[7] Weiters hielt er in beiden Entscheidungen (mwN) fest, dass auch geäußerte Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der COVID-19‑NotMV nichts an dieser Rechtslage zu ändern vermögen, weil selbst verfassungswidrige Verordnungen bis zu deren Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden wären.

[8] 5. Das gilt im vorliegenden Fall aufgrund der vergleichbaren Interessenlage der Beklagten, im Interesse an der Aufrechterhaltung eines möglichst sicheren Schulbetriebs für die normenkonforme Einhaltung der Testpflicht zu sorgen, nicht anders. Auf die Erwägungen der Klägerin zu einer Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs 3 der hier maßgeblichen C-SchVO 2021/22 kommt es demnach nicht an. Zudem hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 18. 3. 2022, V 257/2021, zu § 5 Abs 3 und anderen Bestimmungen der C‑SchVO 2021/22 , mit dem er die Behandlung eines Individualantrags betreffend die Nachweispflicht einer geringen epidemiologischen Gefahr für das Lehr- und Verwaltungspersonal an Schulen mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ablehnte, festgehalten, dass die angefochtene Regelung weder den Vorgaben von Art 3 GRC sowie Art 3 und 8 EMRK widerspricht noch unsachlich ausgestaltet ist. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens zu beantragen.

[9] 6. Wenn die Klägerin argumentiert, dass die Belange des Dienstgebers durch sie als Vertragsbedienstete nicht gefährdet gewesen seien, weil sie sich stets für „ihre Kinder“ eingesetzt habe, so geht dies an der rechtlich relevanten Fragestellung vorbei. Dass sie sich sonst stets regelkonform und gesetzestreu verhalten haben mag, ändert nichts an ihrer bewussten Weigerung, ihrer damaligen Verpflichtung zur wöchentlichen Durchführung eines molekularbiologischen Tests wie einem PCR-Test nachzukommen, womit sie aber ihre Unterrichtspflichten nicht erfüllen konnte. Auch ihr Vorbringen, dass ohne sachliche medizinische Rechtfertigung Anweisungen und Schikanen für ungeimpfte Personen gesetzt worden seien, um diese zur Impfung zu zwingen, die wenig bis keine Auswirkungen auf das Pandemiegeschehen gezeigt hätte, ist nicht gewinnbringend, weil dadurch die Verpflichtung der Beklagten, nach Maßgabe der genannten Verordnung für die Einhaltung der Testpflicht ihres Lehrpersonals zu sorgen, nicht beseitigt würde. Auch ihrem Argument, dass eine Abwägung der Fürsorgepflicht der Beklagten mit ihren Treuepflichten als Dienstnehmerin zu ihren Gunsten ausschlagen müsste, kann danach nicht gefolgt werden, weil die Beklagte sie als Ungeimpfte und nicht wöchentlich PCR‑Getestete nicht zur Erfüllung ihrer vertraglichen (Lehr‑)Pflichten einsetzen durfte, wodurch aber die Belange der Beklagten – hier überdies in der schulorganisatorisch anspruchsvollen Phase des Schulbeginns – gefährdet waren.

[10] 7. Auf eine zum damaligen Zeitpunkt „unklare Rechtslage“ und das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie über die sie konkret treffenden Testverpflichtungen informiert war, in mehreren Gesprächen aufgefordert und angewiesen wurde, diesen nachzukommen und auch aufgeklärt wurde, welche dienstrechtlichen Konsequenzen eine (weitere) Weigerung nach sich ziehen würde.

[11] 8. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte