OGH 9ObA281/00i

OGH9ObA281/00i25.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Dr. Andreas Linhart als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, gegen die beklagte Partei Peter P*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Andreas Löw und Dr. Ingo Riß, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 EO (Streitwert S 106.912 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. Juli 2000, GZ 7 Ra 84/00z-24, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Jänner 2000, GZ 18 Cga 142/98b-17, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Dem Verfahren liegt eine Impugnationsklage nach § 36 EO gegen die Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 22. 5. 1998 zugrunde, die dem Beklagten aufgrund des Zahlungsbefehles des Erstgerichtes vom 27. 1. 1998 gegen die Klägerin für offene Entgeltansprüche bewilligt worden war. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass zwischen den Parteien am 5. 3. 1998 ein außergerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden sei, wonach der Beklagte gegen Zahlung eines bestimmten Betrages die dem Zahlungsbefehl zugrunde liegende Klage zurückziehen sollte. Hilfsweise erhob die Klägerin Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren der Klägerin ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Vergleich nur unter unzulässigem Druck der Klägerin zustandegekommen und daher unwirksam sei. Das Berufungsgericht verneinte in den Entscheidungsgründen das Vorliegen einer Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO) und gab im Übrigen der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes nicht Folge. Die Zulassung der Revision nach § 46 Abs 1 ASGG diene der Wahrung der Rechtssicherheit, weil zur Lösung der Frage der Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung unter Bedachtnahme auf die zitierte Rechtsprechung auch eine "andere Rechtsauffassung" vertreten werden könne.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 46 Abs 1 ASGG ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Zulässigkeitsprüfung ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes gebunden. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die vorliegende Revision gibt vorerst über viele Seiten nur die Berufung der Klägerin einschließlich der Ausführungen zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung wieder. Welchen Zweck die Revisionswerberin damit verfolgt, ist nicht erkennbar. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG wird damit jedenfalls nicht ausgeführt. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung der Beweiswürdigung entzogen ist (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 503). Soweit die Revisionswerberin im Rahmen der Wiedergabe der Berufung in der Revision nochmals die angebliche Nichtigkeit des Ersturteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wiederholt, ist sie darauf zu verweisen, dass allfällige Nichtigkeiten erster Instanz, die bereits vom Berufungsgericht - wenn auch nur in den Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0043405/T7, 21 und 37) - verneint wurden, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 503; RIS-Justiz RS0042925, RS0042981).

Im Übrigen stützt die Revisionswerberin die Zulässigkeit der ordentlichen Revision darauf, dass das Berufungsgericht "von der jüngsten Rechtsprechung des OGH" abgewichen sei. Sie zitiert allerdings keine Entscheidung in nachvollziehbarer Weise, sondern meint nur, dass der Oberste Gerichtshof "im Juni eine aktuelle Entscheidung gefällt (habe), dass nämlich Vergleiche wie im konkreten Fall, die von einer anwaltlich vertretenen Partei geschlossen wurden, rechtswirksam sind." Nach Auffassung der Revisionswerberin gehe es um die Rechtswirksamkeit einer Vereinbarung und das Schicksal der Widmung einer Zahlung bei allfälliger Unwirksamkeit der Vereinbarung.

Eine für die Lösung des Falles erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht ausgeführt:

Vorweg ist festzuhalten, dass der in Frage stehende Vergleich vom Beklagten außergerichtlich ohne Beisein seines ihn im Verfahren, das zum Zahlungsbefehl führte, vertretenden Anwaltes geschlossen wurde. Dies hat das Zustandekommen einer Drucksituation für den Beklagten zweifellos begünstigt. Weder aus der einen noch der anderen Situation kann hieraus jedoch unmittelbar auf die Frage der Wirksamkeit des Vergleiches geschlossen werden. Die Beurteilung, ob bei Abschluss des Vergleiches eine unzumutbare Drucksituation für den Arbeitnehmer vorlag, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab (RIS-Justiz RS0112292). Diesen kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Das Berufungsgericht hielt sich bei der rechtlichen Beurteilung der anstehenden Fragen innerhalb der Grundsätze der Rechtsprechung. Eine derartige Einzelfallentscheidung ist durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Norm korrigiert werden müsste (RZ 1992/50; RZ 1994/45; RIS-Justiz RS0042769). Ein derartiger grober Beurteilungsfehler ist dem Berufungsgericht aber nicht unterlaufen. Ob allenfalls auch eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre, hat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und begründet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG (RIS-Justiz RS0042776, RS0042936; 4 Ob 53/97s; 4 Ob 171/97v; 1 Ob 318/97i; 9 ObA 67/00v).

Im Wege einer außerordentlichen Revision könnte nur eine für die Entscheidung erhebliche Aktenwidrigkeit wahrgenommen werden (RIS-Justiz RS0042155, RS0042762); eine solche liegt jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht gab im gerügten Punkt nur eine Passage der Parteienaussage des Beklagten wieder.

Was letztlich die Frage betrifft, ob zumindest im Umfang bezahlter S 5.000 die Exekution unzulässig ist - eine Vernichtung des Anspruchs nach § 35 EO scheidet schon zufolge Zahlung während noch aufrechter Einspruchsfrist aus - lässt die Revisionswerberin unberücksichtigt, dass mit der Bejahung der Unwirksamkeit des Vergleiches auch der Rechtsgrund für die auf der Grundlage dieses Vergleiches erfolgte Zahlung weggefallen ist. Auf die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen zur Widmung und Anrechnung braucht daher nicht eingegangen werden.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil der Revisionsgegner nicht auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision infolge Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).

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