OGH 9ObA188/95

OGH9ObA188/9517.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton V*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlich S 135.314,91 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. Jänner 1995, GZ 33 Ra 149/94‑43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Arbeits‑ und Sozialgerichtes Wien vom 23. Februar 1994, GZ 3 Cga 175/93p‑39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:009OBA00188.950.0117.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605 (darin S 1.267,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit der am 10.4.1990 eingebrachten Klage begehrt der Kläger letztlich noch S 135.314,91 an ausstehenden und nicht durch das Überstundenpauschale gedeckten Überstundenentgelten für die Zeit vom 1.4.1987 bis 30.11.1989.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Durch den Generalvergleich anläßlich der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses seien sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt und verglichen worden. Abgesehen davon habe der Kläger über das Pauschale hinaus geleistete Überstunden nie angemeldet oder geltend gemacht; diese seien nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag daher verfallen.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das die Überstunden betreffende Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit als Betreuer der Kolporteure bzw später als Betreuer der Hauswerber für Abonnementaufträge ein Überstundenpauschale. Er führte Überstundenlisten, die er jeweils der beklagten Partei übergab und welche dem Finanzamt gegenüber als Nachweis dienten. Obgleich andere Arbeitnehmer mehr Überstunden eintrugen, als ihrem Pauschale entsprach, trug der Kläger in seine Listen nie mehr als die Zahl der pauschalierten Überstunden ein. Überdies erstellte der Kläger Spesenabrechnungen, die ebenfalls als Steuernachweis und zur Verrechnung von Diäten, Kilometergeld und sonstigen Spesen dienten. Während seines Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger nie Überstundenentgelte.

Nachdem die beklagte Partei den Kläger zum 31.12.1989 gekündigt hatte, kam es zu einem Gespräch mit dem Personalleiter über die Umwandlung der Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung. Auf die Frage des Klägers, was diesfalls mit dem ihm gebührenden Bezugsteilen sei, erwiderte der Personalleiter, daß alles so bleibe wie es bei der Kündigung gewesen wäre. Schließlich fragte der Kläger noch, wie es mit den Überstundenentgelten sei. Der Personalleiter entgegnete, daß der Kläger wisse wie die Lage sei, da könne er nichts machen, alles andere stehe dem Kläger aber offen.

Darauf schlossen die Parteien die schriftliche Auflösungsvereinbarung vom 9.11.1989, die wie folgt lautet:

"Einvernehmlich wird die Kündigung des Dienstverhältnisses zum 31.12.1989 zurückgenommen.

Herr V***** scheidet per 30.11.1989 aus dem Unternehmen aus, wobei ihm die bis 31.12.1989 gebührenden Bezugsteile als freiwillige Abfertigung verrechnet werden. Ab 20.11.1989 bis zu seinem Ausscheiden konsumiert Herr V***** Urlaub.

Mit der vorstehenden Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis erledigt.

Gelesen und einverstanden:"

Der Kläger und der Personalleiter unterfertigten diese Vereinbarung. Auf Grund dieser zahlte die beklagte Partei das Dezembergehalt, eine Urlaubsentschädigung und die Abfertigung.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Vereinbarung vom 9.11.1989 Generalbereinigungswirkung zukomme. Die Erwähnung der bis 31.12.1989 gebührenden Bezugsteile könne im Zusammenhang mit der Generalklausel nur so verstanden werden, daß mit der Zahlung jener Bezüge die bis zum 31.12.1989 angefallen wären, alle Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis verglichen seien. Weitere Forderungen stünden dem Kläger daher nicht mehr zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß zwar entgegen der Ansicht des Erstgerichtes keine Verzichtserklärung des Klägers bezüglich der Überstundenentgelte angenommen werden könne, zumal ein Verzicht auf entstandene Ansprüche besser durch "bereinigt" als durch "erledigt" erklärt worden wäre. Dazu komme die keineswegs eindeutige Formulierung der Erklärung des Personalleiters. Die Überstundenentgelte seien jedoch nach § 9 des Kollektivvertrags für die kaufmännischen Angestellten der Tageszeitungen und Wochenzeitungen verfallen, weil sie nicht bis spätestens zum Ablauf des der Leistung folgenden vierten Monats beim zuständigen Organ der beklagten Partei angemeldet worden seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück ‑, in eventu abzuweisen.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Abgesehen davon, daß in der Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht ebenso keine Aktenwidrigkeit gelegen sein kann, wie in der allenfalls unrichtigen Wiedergabe der Parteienbehauptungen (Kodek in Rechberger, ZPO § 503 Rz 4 mwH), ist den zitierten Beilagen nicht der vom Revisionswerber behauptete Inhalt zu entnehmen. In seinem Schreiben vom 28.2.1990 (Beilage C) forderte der Kläger die Beklagte nicht zur Abrechnung und Auszahlung der Überstunden auf, sondern stellte lediglich in Aussicht, eine entsprechende Aufstellung zu erstellen, die er vorlegen werde. Im Antwortschreiben vom 6.3.1990 (Beilage D) weigerte sich die beklagte Partei auch nicht, Zahlung für Überstunden zu leisten, sondern nahm auf allfällige Überstunden ‑ wie der neuerlich vorgelegten vollständigen Beilage zu entnehmen ist - überhaupt keinen Bezug. Daß der Kläger neben den Überstundenlisten auch "Spesenabrechnungen" (Beilage A) führte, ist ohnehin festgestellt.

Auch die Rechtsrüge, in welcher der Kläger im wesentlichen die Ansicht vertritt, die von ihm behaupteten Überstunden seien rechtzeitig "angemeldet" worden, die beklagte Partei sei zur Abrechnung verpflichtet gewesen und im übrigen sei der Einwand des Verfalls sittenwidrig, ist nicht berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof in einem gleichgelagerten Fall (9 ObA 149/93= ARD 4481/23/93) bereits entschieden hat, kommt dem Umstand, daß die beklagte Partei eigene Formblätter für die Verzeichnung der Überstunden aufgelegt hat und Überstunden auf diesen Listen zu verzeichnen waren, besonderes Gewicht zu. In diesem Fall reichen die Angaben in den Spesenabrechnungen, denen die tatsächliche Arbeitszeit nicht unmittelbar zu entnehmen ist (etwa nicht angeführte Pausen), nicht aus, um den den Verrichtungen zugeordneten Zeitaufwand als Geltendmachung von Überstunden qualifizieren zu können. Obwohl andere Dienstnehmer wohl das Pauschale übersteigende Überstunden in den dafür aufgelegten Listen verzeichneten, nahm der Kläger nur die durch das Pauschale gedeckten Überstunden auf. Die beklagte Partei konnte aus diesen Listen sohin gar nicht erkennen, ob der Kläger überhaupt Überstunden leistete, so daß der in der Revision erhobene Vorwurf, die beklagte Partei sei ihrer Verpflichtung zur Abrechnung des Zeitguthabens rechtswidrig nicht nachgekommen, ins Leere geht.

Gemäß § 9 des anzuwendenden Kollektivvertrags sind Ansprüche auf Abgeltung geleisteter Überstunden und Sonderleistungen bei sonstigem Erlöschen bis spätestens zum Ablauf des der Leistung folgenden vierten Monats beim zuständigen Organ des Unternehmens anzumelden. Um den Verfall der Überstunden nach dem Kollektivvertrag zu verhindern, wäre es erforderlich gewesen, daß der Kläger die Zahlung des Überstundenentgelts unter Bezeichnung der Zahl und der zeitlichen Lagerung der Überstunden begehrt hätte (9 ObA 149/93). Diese Verfallsbestimmung ist wirksam und durchaus sachgerecht, da sie den erkennbaren Zweck hat, spätere Beweisschwierigkeiten, wie sie in solchen Fällen vielfach auftreten, zu vermeiden. Da sich die gelegten Spesenabrechnungen dazu als ungeeignet erweisen, hat der Kläger seine Ansprüche auf Überstunden im Sinne des Kollektivvertrags im Ergebnis nicht rechtzeitig "angemeldet". Diese "Anmeldung" von Überstunden erfährt durch das vereinbarte Überstundenpauschale (§ 9 a des Kollektivvertrags) keine Einschränkung, weil der Durchrechnungszeitraum erst die nächste Stufe der Anspruchsermittlung betreffen kann und ohne diese Anmeldung nicht geprüft werden kann, ob überhaupt das Pauschale übersteigende Überstunden geleistet worden sind. Der Kläger erstattete erst im zweiten Rechtsgang ein Vorbringen, in dem er seine Überstundenforderung (vorsichtshalber) aufschlüsselte (S 224 des Aktes).

Unter dem Aspekt der Nichtanmeldung von Überstunden in den dazu vorgesehenen Überstundenlisten und der Verfallsbestimmung im anzuwendenden Kollektivvertrag kommt der Vereinbarung vom 9.11.1989 im übrigen nicht der Charakter eines Erlaßvertrages im Sinne des § 1444 ABGB zu, sondern der eines Vergleichs (Arb 9.209 ua). Wie der Kläger selbst vorbrachte, lag der Auflösungsvereinbarung die Absicht zugrunde, daß eine Verkürzung des Arbeitsverhältnisses ohne Entgeltkürzung erfolgen sollte (S 284 des Aktes). Dem Kläger wurde dadurch zwar kein Überstundenentgelt, aber im Ergebnis ein einmonatiger Zeitausgleich gewährt, wobei sein Anspruch auf Überstundenentgelt ‑ wie dieses langwierige Verfahren gezeigt hat ‑ von vorneherein fraglich war. Nach ständiger Rechtsprechung umfaßt die Bereinigungswirkung eines ein Dauerschuldverhältnis betreffenden Vergleichs aber alle Ansprüche, an welche die Parteien gedacht haben oder im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zumindest denken konnten (Wolff in Klang VI 2 284; Ertl in Rummel2, ABGB § 1389 Rz 1; Arb 9.209, 10.676; 9 ObA 316/90; 9 ObA 214/92 uva). Hätten daher einzelne Ansprüche nicht mitverglichen werden sollen, hätte es eines diesbezüglichen Vorbehalts bedurft (JBl 1988, 396 ua). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt die gewollte Endgültigkeit der Regelung im Begriff "erledigt" ebenso zum Ausdruck wie im üblichen "bereinigt". Da die zweifelhaften Ansprüche des Klägers auf Überstundenentgelt besprochen wurden, können sie auch aufgrund der Bereinigungswirkung des Vergleichs nicht mehr gefordert werden (Schwarz/Löschnigg, ArbR5 76; 9 ObA 315/90 = DRdA 1991, 470 = SZ 64/5; 9 ObA 20/91 = WBl 1991, 293 ua).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte