OGH 9ObA315/90

OGH9ObA315/9016.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** U*****, Küchenchef, O*****, vertreten durch Dr. H***** F*****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei G*****, Gesellschaft mbH & Co KG, I*****, vertreten durch Dr. J***** C***** und Dr. H***** V*****, Rechtsanwälte *****, wegen S 77.550 brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. September 1990, GZ 5 Ra 145/90-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Juni 1990, GZ 42 Cga 45/90-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Unbestritten ist, daß der Kläger seit 12.November 1984 als Koch und Küchenchef bei der Beklagten beschäftigt war. Sein Arbeitsverhältnis endete am 31.Jänner 1990 durch einvernehmliche Auflösung. Am 3.Jänner 1990 gab der Kläger unter anderem eine Erklärung ab, daß er auf den Abfertigungsanspruch verzichte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von S 77.550 brutto sA als Abfertigung. Er sei vom Geschäftsführer der Beklagten gedrängt worden, einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen und die Verzichtserklärung zu unterfertigen. Da seine Ansprüche zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet und ausgezahlt gewesen seien, sei seine Verzichtserklärung unwirksam.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei am 3.Jänner 1990 wegen Unterlassung der Arbeitsleistung, beharrlicher Arbeitsverweigerung und Nichtbefolgung dienstlicher Anordnungen nach vorhergegangenen Verwarnungen im Sinne des § 27 Z 4 AngG entlassen worden. Er habe jedoch noch am selben Tag ersucht, die bereits ausgesprochene Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.Jänner 1990 bei sofortigem Urlaubsantritt unter Verzicht auf die Abfertigung umzuwandeln. Diesen Wunsch habe der Kläger damit begründet, daß er ansonsten wegen der Entlassung für sein weiteres berufliches Fortkommen Schwierigkeiten zu erwarten hätte. Die Beklagte habe daher, um das Fortkommen des Klägers nicht zu erschweren, diesem Wunsch des Klägers zugestimmt und es sei eine Umwandlung der Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung, allerdings unter Verzicht auf die Abfertigung, erfolgt. Diese Vereinbarung sei zugunsten des Klägers getroffen worden, da er bei Aufrechterhaltung der Entlassung ohnehin keinen Abfertigungsanspruch gehabt hätte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ohne Beweisaufnahme statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß schon durch die Außerstreitstellung geklärt sei, daß der Kläger die Verzichtserklärung bereits am 3.Jänner 1990, sohin noch während des bis 31.Jänner 1990 aufrechten Arbeitsverhältnisses abgegeben habe. Dieser Verzicht sei gemäß § 40 AngG bzw. Art I § 3 ArbAbfG unwirksam.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft der Entscheidung fortzusetzen sei (gemeint wohl, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei: § 45 Abs.4 letzter Satz ASGG iVm §§ 519 Abs.1 Z 2, 527 Abs.2 ZPO). Es vertrat im wesentlichen die Rechtsauffassung, daß der Abfertigungsanspruch zwar grundsätzlich unabdingbar sei, daß von der einseitig zwingenden gesetzlichen Regelung aber abgegangen werden dürfe, wenn die getroffene Vereinbarung günstiger sei. So sei ein Verzicht auf die Abfertigung zulässig, wenn dieser Verzicht im Rahmen einer Regelung abgegeben werde, mit der dem Arbeitnehmer insgesamt eine gegenüber den gesetzlichen Mindesterfordernissen günstigere Stellung eingeräumt werde. Demnach komme den Einwendungen der Beklagten, daß der Kläger vor der Vereinbarung vom 3.Jänner 1990 zu Recht entlassen worden sei, Beachtlichkeit zu. Die außer Streit gestellte Vereinbarung sei diesbezüglich so zu verstehen, daß die Entlassungswirkung über Ersuchen des Klägers hinausgeschoben und die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich geändert worden sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Es trifft zwar zu, daß einem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen des § 23 AngG ein Abfertigungsanspruch auch dann zusteht, wenn sein Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst wird, und dieser Anspruch gemäß § 40 AngG durch Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden kann (Arb. 9.999, 9.930; ZAS 1986/17 (Bydlinski) = DRdA 1988/12 (Migsch); 9 Ob A 264/88 = WBl 1989, 248 ua), doch reichen die vorliegenden Verfahrensergebnisse für eine abschließende Beurteilung der Arbeitsrechtssache noch nicht aus. Dem Rekurswerber kann nämlich nicht beigepflichtet werden, daß es ausschließlich auf die Art der (letztlichen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankomme und die Gründe, aus denen es zur Abgabe einer schriftlichen Verzichtserklärung hinsichtlich der Abfertigung gekommen ist, unmaßgeblich seien. Insoweit ist dem Berufungsgericht weder ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 266 Abs.1 ZPO anzulasten noch ist der Beklagten zu unterstellen, sie hätte ihre ergänzenden Einwendungen über die vorausgegangene Entlassung des Klägers "implicite fallengelassen". Ihr Vorbringen ist dadurch auch nicht widersprüchlich geworden.

Eine Entlassung kann wie eine andere einseitige Auflösungserklärung - sobald sie dem anderen Teil zugegangen und damit wirksam geworden ist - nur sofort oder mit Zustimmung des Erklärungsempfängers einseitig zurückgenommen werden (Kuderna,

Das Entlassungsrecht, 21; Arb. 10.155; 9 Ob A 172/87 ua). Hätte es die Beklagte bei der behaupteten Entlassung des Klägers belassen, wäre das Arbeitsverhältnis des Klägers dadurch, ungeachtet des Umstandes, ob die Entlassung berechtigt oder unberechtigt erfolgte, endgültig beendet gewesen (vgl. Kuderna, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes, DRdA 1990, 1 ff mwH). Die Geltendmachung seiner entlassungsabhängigen Ansprüche und der Abfertigung wäre dem Risiko eines gerichtlichen Verfahrens über die Berechtigung der Entlassung vorbehalten geblieben. Soweit der Kläger in dieser Situation - nach dem bisher ungeprüften Vorbringen der Beklagten - ausdrücklich darum ersuchte, die ausgesprochene Entlassung im Hinblick auf sein weiteres berufliches Fortkommen in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses, jedoch ohne Anspruch auf Abfertigung, umzuwandeln, verzichtete er dadurch noch nicht auf ihm unstrittig zustehende Ansprüche (§ 1444 ABGB, § 23 Abs.7 AngG). Für den Fall, daß ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung traf, hatte er nämlich ohnehin keinen Anspruch auf Abfertigung. Eine einvernehmliche Auflösung wäre hingegen nicht vom Makel der das berufliche Fortkommen beeinträchtigenden Entlassung behaftet gewesen.

Aber auch die Beklagte trug das Risiko, in einem vom Kläger allenfalls angestrengten Verfahren zu unterliegen. Soweit sie auf das Angebot des Klägers einging, die bereits ausgesprochene Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.Jänner 1990 umzuwandeln, gewährte sie dem Kläger nicht nur eine "gesichtswahrende" Auflösungsart zu einem "unverdächtigen" Zeitpunkt, sondern im Rahmen eines neuen Rechtsverhältnisses auch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und sohin einen verlängerten Entgeltzahlungszeitraum (vgl. Kuderna, Das Entlassungsrecht, 24 f; DRdA 1984/21 (M.Schauer)). Es lag sohin - nach den Behauptungen der Beklagten - im beiderseitigen Interesse, strittige oder zweifelhafte Tatumstände durch beiderseitiges Nachgeben mit streitbereinigender Wirkung einvernehmlich neu festzulegen (§ 1380 ABGB).

Eine solche aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffene abschließende Regelung ist als Vergleich anzusehen, da die Vereinbarung auch zumindest noch ungewisse Rechte umfaßte. Der Kläger konnte sich daher auch über an sich unverzichtbare Ansprüche vergleichen (Arb. 9.862, 9.209, 8.502, 8.222, 6.231; zuletzt 9 Ob A 183,184/90), wobei es zur Prüfung der Wirksamkeit des Vergleichs im Sinne des Günstigkeitsprinzips nicht darauf ankommt, die vertragliche Regelung mit der gesetzlichen zu vergleichen. Es geht vielmehr darum, ob die Einbuße bestimmter Rechtsstellungen durch Vorteile an anderer Stelle, vor allem auch durch die Klärung einer bisher ungeklärten Sach- und Rechtslage wiederum aufgewogen wird (vgl. Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rdz 364 und 397; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 66; Martinek-Schwarz, Abfertigung-Auflösung des Arbeitsverhältnisses, 306 f; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 181 ua).

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren auf Grund der bisher ungeprüft gebliebenen Einwendungen der Beklagten zu klären haben, ob der Kläger tatsächlich wegen der geltend gemachten Verfehlungen entlassen wurde und ob er daraufhin das von der Beklagten behauptete Angebot auf Umwandlung der Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Verzicht auf die Abfertigung gemacht hat. Kam es daraufhin zu einer Bereinigung strittiger oder zweifelhafter Tatumstände durch beiderseitiges Nachgeben im Rahmen eines Vergleichs, ist es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes unerheblich, ob die vorzeitige Entlassung zu Recht ausgesprochen worden ist; diese Frage ist auf Grund der Bereinigungswirkung des Vergleichs nicht mehr zu prüfen.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.

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