OGH 9ObA316/90

OGH9ObA316/9016.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz und Rupert Gnant als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei S***** I*****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 125.100,62 S netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. September 1990, GZ 5 Ra 109/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. März 1990, GZ 45 Cga 16/90-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.131,60 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1985 bei der beklagten Partei angestellt. In seiner Sitzung vom 6. März 1985 widerrief der Sparkassenrat der beklagten Partei die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und stellte ihn dienstfrei.

Mit am 17. Juli 1986 beim Arbeitsgericht L***** eingebrachter Klage machte der Kläger folgende Ansprüche geltend:

Urlaubsentschädigung

261.061,39 S brutto

Bilanzgeld 1984

69.872,40 S "

Bilanzremuneration 1985

77.636,-- S "

restliche Abfindung

77.636,-- S "

zusammen

486.205,79 S brutto.

In der Folge schränkte der Kläger das auf Urlaubsentschädigung gerichtete Begehren auf 250.183,81 S brutto ein.

Am 13. März 1987 wurde in dieser Arbeitsrechtssache folgender Vergleich geschlossen:

"1.) Die beklagte Partei verpflichtet sich, binnen 14 Tagen dem Kläger zu Handen des Klagevertreters

a) einen Bruttobetrag von 350.000 S zu bezahlen, der aufgeschlüsselt wird wie folgt:

Urlaubsentschädigung 1983/84/85

261.061,39 S brutto

Restabfertigung

77.636,-- S "

Bilanzgeld 1984

11.302,61 S "

b) ein mit 120 S vergebührtes Dienstzeugnis auszustellen,

c) einen Prozeßkostenbeitrag von 30.000 S (einschließlich 10 % USt) zu bezahlen).

2.) Die beklagte Partei gibt folgende Erklärung ab:

Der Kläger hat während seiner gesamten Zeit als Vorstandsmitglied der beklagten Partei korrekt gehandelt. Der Widerruf erklärt sich nicht aus den Aktivitäten des Klägers, sondern aus der damaligen Situation im Vorstand und Sparkassenrat der beklagten Partei.

3.) Für den Fall des Zahlungsverzuges des gesamten Betrages zu Punkt 1. gelten 9 % Verzugszinsen als vereinbart.

4.) Hiemit sind sämtliche Forderungen zwischen den Parteien aus dem Dienstverhältnis (Pensionsvertrag ausgenommen) abgegolten und verglichen."

Anläßlich der Zahlung des in diesem Vergleich vereinbarten Bruttobetrages versteuerte die beklagte Partei den als Urlaubsentschädigung gewidmeten Teilbetrag von 261.061,39 S mit 47,92 % und nahm demgemäß einen Abzug von 125.100,62 S vom Bruttobetrag vor.

Mit der vorliegenden, am 9. Jänner 1990 eingelangten Klage begehrt der Kläger den in Abzug gebrachten Betrag von 125.100,62 S samt Anhang. Es sei unrichtig gewesen, die Urlaubsentschädigung dem Belastungssteuersatz von 47,92 % zu unterwerfen. Da auf der Lohnsteuerkarte des Klägers drei Kinder eingetragen seien, hätte der feste Steuersatz Null betragen. Jedenfalls wäre bei ordnungsgemäßer Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsentschädigung sogleich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Urlaubsentschädigung keine Steuer zu entrichten gewesen. Sollte es daher richtig sein, die Urlaubsentschädigung bei Auszahlung der Vergleichssumme dem Belastungsprozentsatz zu unterziehen, stünde dem Kläger gegen die beklagte Partei ein Schadenersatzanspruch in der Höhe der abzuführenden Steuer zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß die Rechtssache verglichen sei. Allfällige Schadenersatzansprüche seien durch die Novationswirkung des Vergleiches untergegangen. Die steuerliche Belastung des Vergleichsbetrages sei richtig gemäß § 67 Abs. 8 EStG vorgenommen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß im Zweifel auch die gegenständlichen Ansprüche von der Bereinigungswirkung des Vergleiches umfaßt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, daß mit dem gegenständlichen Vergleich die aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenen und mit ihm zusammenhängenden gegenseitigen Ansprüche, soweit sie bis zum Vergleichszeitpunkt entstanden seien, bereinigt werden sollten. Gerade in Arbeitsrechtssachen erfolge die Aufgliederung der Vergleichssumme nicht entsprechend der Stärke der einzelnen Positionen, sondern unter Berücksichtigung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Gesichtspunkte; der Umstand, daß der Vergleich für die Position Urlaubsentschädigung die ursprünglich eingeklagte Summe aufweise, lasse daher nicht den Schluß zu, diese Position sei in Wahrheit anerkannt worden. Auch ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Klägers aus der verspäteten Auszahlung der Urlaubsentschädigung sei von der Bereinigungswirkung des Vergleiches erfaßt. Der gegenständliche Vergleich könne nur so verstanden werden, daß die Parteien mit diesem alle mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Ansprüche - mit Ausnahme der Pensionsfrage -, soweit sie bis zum Vergleichsabschluß entstanden waren, verglichen hätten. Gerade mit der im Vergleichstext vorgenommenen Bezeichnung der Urlaubsentschädigung als Bruttoforderung habe der Kläger das Risiko übernommen, daß ein Steuerabzug von dieser Summe zu seinen Lasten gehe. Die Anwendung des Belastungssteuersatzes auf die Auszahlung des Vergleichsbetrages habe der Rechtslage (§ 67 Abs. 8 EStG) entsprochen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Zu Unrecht wendet sich der Revisionswerber auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Der Anspruch auf Auszahlung der gebührenden Urlaubsentschädigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ebenso eine Forderung aus dem Dienstverhältnis wie ein aus der verspäteten Auszahlung dieser Urlaubsentschädigung resultierender Schadenersatzanspruch; der Argumentation des Revisionswerbers, dieser Schadenersatzanspruch sei nicht von der im Punkt 4 des Vergleiches aufgenommenen Generalklausel umfaßt, kann daher nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung bezieht sich die Bereinigungswirkung eines anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossenen Vergleiches im Zweifel auf alle aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen und damit auch auf die gegenständliche aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitete Schadenersatzforderung. Die Bereinigungswirkung umfaßt, wie ein Umkehrschluß aus dem zweiten Satz des § 1389 ABGB ergibt, insbesondere auch solche Ansprüche, an welche die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht haben, an die sie aber denken konnten (Wolff in Klang VI2 284; Ertl in Rummel ABGB § 1389 Rz 1; Arb 9209; Arb 10.676). Das Recht der beklagten Partei, die für den Vergleichsbetrag abzuführende Lohnsteuer voll abzuziehen, ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, schon aus der ausdrücklichen Bezeichnung der einzelnen Posten als Bruttobeträge. Daß die Parteien an die im § 67 Abs. 8 EStG ausdrücklich geregelte Besteuerung von Vergleichssummen mit dem dem letzten laufenden Arbeitslohn entsprechenden Steuersatz (Belastungsprozentsatz) denken konnten, liegt auf der Hand, sodaß auch Nachteile, die sich für den Kläger gegenüber einer Besteuerung bei Auszahlung sofort bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben, von der Bereinigungswirkung des Vergleiches umfaßt sind. Der Kläger hätte dem Einwand der verglichenen Rechtssache nur durch ausreichende, konkrete und schlüssige Prozeßbehauptungen und entsprechende Beweise dafür begegnen können, daß ihm die Frage der Besteuerung der Vergleichssumme von der beklagten Partei im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses geflissentlich verheimlicht worden sei (siehe Koziol-Welser, Grundriß I8 273; Ertl aaO, § 1385 Rz 2 und § 1389 Rz 2; Arb 10.677; JBl 1990, 333). Behauptungen in dieser Richtung wurden vom Kläger jedoch nicht aufgestellt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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