OGH 9ObA185/05d

OGH9ObA185/05d22.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Katharina Sedlazeck-Gschaider, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Andreas W*****, Versicherungsagent, *****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Revisionsinteresse EUR 30.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. September 2005, GZ 11 Ra 68/05g-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. Mai 2005, GZ 11 Cga 143/04x-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des unangefochten gebliebenen klageabweisenden Teils des Ersturteils insgesamt zu lauten haben:

„Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, im Rahmen ihrer, wie immer gearteten geschäftlichen Tätigkeit als selbständiger Versicherungsagent oder sonst, die in der die szt. Tätigkeit der beklagten Partei bei der klagenden Partei betreffenden Kunden-(Bestands-)liste ./A der klagenden Partei enthaltenen Informationen und Daten über Kunden der klagenden Partei, Vertragsnummern, sonstige Inhalte von Verträgen der klagenden Partei mit diesen Kunden sowie sonstige darin enthaltenen Informationen und Daten in irgendeiner Weise zu verwenden, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 7.531,26 (darin EUR 1.255,26 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 2.640,20 (darin EUR 348,20 USt und EUR 551 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.564,54 (darin EUR 250,59 USt und EUR 1.061 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war bei der Klägerin als Angestellter im Außendienst tätig. Er betreute in dieser Eigenschaft den Kundenstock laut Liste Blg./A. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Altkunden, die er bei Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin übernommen hatte. Die von ihm geworbenen Neukunden stellten demgegenüber die Minderheit dar. Dem Beklagten stand während seines Arbeitsverhältnisses ein Laptop der Klägerin zur Verfügung, mit dem er Zugriff auf die Daten der Klägerin über Versicherungspolizzen, Anschriften, Geburtsdaten udgl hatte. Daneben legte er sich eine eigene Kundenkartei an. Diese enthielt die Namen von Versicherungsnehmern, Anschriften, Telefonnummern, Namen deren Kinder und Geburtsdaten, Versicherungsverträge sowie Angaben darüber, ob der Versicherungsnehmer ein Kfz besitzt, ob Versicherungsverträge zu anderen Versicherungen bestehen, etc. Über Initiative des Beklagten wurde das Arbeitsverhältnis am 25. 7. 2003 zum 1. 9. 2003 einvernehmlich aufgelöst. Dabei stand im Raum, dass der Beklagte in Hinkunft als selbständiger Makler arbeiten wolle. Die Zustimmung der Klägerin zur einvernehmlichen Auflösung war davon abhängig, dass der Beklagte die folgenden von seinem Vorgesetzten Direktor Reinhard R***** formulierten Bedingungen akzeptierte:

"Im Zuge der Gespräche mit Herrn Andreas W***** wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass seitens der G***** Gruppe kein Interesse daran gibt, dass nach einer einvernehmlichen Lösung eine Maklertätigkeit durch Herrn W***** ausgeübt wird.

Sollte Herr W***** dennoch als Makler tätig werden, ist er sich bewusst, dass der bisher von ihm betreute Bestand Eigentum der I***** bzw G***** ist und bleibt und daher auch eine Übergabe in seine Maklertätigkeit keineswegs erfolgen wird und kann. Ebenso nimmt Herr W***** ausdrücklich zur Kenntnis, dass nach KVA Folgeprovision aus dem Altprovisionsbestand nur zu 25 % (von 100 %) vergütet wird. Weiters sagt der § 6 Abs 5 KVA, dass kein Anspruch auf Folgeprovision oder auf Teile einer solchen besteht, wenn der (dann ehem.) Angestellte etwas unternimmt, was eine Beeinträchtigung oder Schmälerung des Geschäftsbestands oder der geschäftlichen Interessen oder des Ansehens des Dienstgebers zur Folge haben könnte. Das Recht auf Unterlassung (sprich aktive Abwerbung oder Betreuung von Kunden) zu klagen behält sich das Unternehmen immer vor. Ebenso die rechtlichen Möglichkeiten nach UWG."

R***** machte den Beklagten ausdrücklich darauf aufmerksam, dass der Beklagte nicht auf die Kunden der Klägerin zugehen bzw diese abwerben dürfe; andernfalls würde die Klägerin eine Unterlassungsklage einbringen. Der Beklagte war damit einverstanden, dass er in Zukunft die bisher von ihm betreuten Kunden der Klägerin nicht mehr betreuen werde. Wenn er die Bedingungen der Klägerin nicht unterschrieben hätte, wäre sein Dienstvertrag nicht einvernehmlich aufgelöst worden. Der Beklagte trat in der Folge nicht wie zunächst beabsichtigt zur Maklerprüfung an. Er ist seit 1. 9. 2003 als Versicherungsagent (Mehrfachagent) selbständig tätig. Nachdem das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgelöst worden war, schloss der Beklagte mit fünf anderen Versicherungen Agenturverträge. Am 26. 9. 2003 schloss er auch mit der Klägerin einen Agenturvertrag. Dieser lautete auszugsweise wie folgt:

„2.1. Auf der Grundlage der dem Vermittler vom Versicherungsnehmer erteilten Vollmacht oder dessen konkreter Auftragserteilung übermittelt der Vermittler an die I***** Anträge von Versicherungskunden auf Abschluss, Verlängerung oder Abänderung von Versicherungsverträgen.

....

2.6. Aufgrund dieses Vermittlervertrages hat der Vermittler neben der Wahrung der Interessen der Versicherungskunden grundsätzlich auch die Interessen der I***** zu wahren

....

2.8. Die Vertragspartner halten einvernehmlich fest, dass der gegenständliche Vertrag auf einem wechselseitigen Vertrauensverhältnis beruht und nach den Grundsätzen von Fairness, Treu und Glauben auszulegen ist.

....

5. Der Vermittler verpflichtet sich, zur Wahrung des Datengeheimnisses gemäß § 20 Datenschutzgesetz in der jeweils geltenden Fassung sowie zur Einhaltung des Datenschutzes und der Datensicherung. Der Vermittler nimmt ausdrücklich zur Kenntnis, dass alle automationsunterstützt verarbeiteten personenbezogenen Daten, die ihm durch die I***** aufgrund der beruflichen Tätigkeit anvertraut oder zugänglich gemacht werden bzw worden sind - unbeschadet sonstiger Verschwiegenheitspflichten - nur aufgrund einer ausdrücklichen Zustimmung der I***** an Dritte übermittelt werden dürfen. Diese Verpflichtung besteht auch für die Zeit nach der Beendigung des Vermittlervertrages mit der I***** ...."

Bei der Klägerin ging man davon aus, dass der Beklagte auch für andere Versicherungen tätig werde. Die Weiterverwendung der Kundendaten, die dem Beklagten bei seiner früheren Tätigkeit für die Klägerin zur Verfügung gestanden waren, war bei Abschluss des neuen Agenturvertrags zwischen den Parteien kein besonderes Thema. Mit Schreiben vom 22. 4. 2004 kündigte die Klägerin den Agenturvertrag mit dem Beklagten zum 31. 5. 2004 wieder auf. Das Kündigungsschreiben wurde an den Beklagten nach dem 23. 4. 2004 zugestellt, nicht behoben und am 18. 5. 2004 an die Klägerin retourniert, wobei es sodann in Verlust geraten ist. Der Beklagte war vom 25. 4. bis 4. 5. 2004 im Ausland. Ob überhaupt und wann ihm das Schreiben der Klägerin zwischendurch zugegangen ist, war nicht feststellbar. Der Beklagte suchte seine Kunden, die er früher bei der Klägerin betreut hatte, auf, um zu überprüfen, ob deren Versicherungsverträge jeweils die besten am Markt angebotenen Konditionen hatten, soweit es die vom Beklagten vertretenen Versicherungen betraf. Je nach dem veranlasste er die Kunden dazu, die Versicherungsverträge aufzukündigen und Verträge mit anderen Versicherungen abzuschließen. Die entsprechenden Erklärungen wurden unter seiner Anleitung abgegeben. Die Kundenbesuche wären dem Beklagten ohne die früheren Kundendaten nicht möglich gewesen. Am 31. 3. 2004 übergab der Vater des Beklagten, der als Außendienstangestellter bei der Klägerin beschäftigt ist, auf Ersuchen des Beklagten insgesamt neun Kündigungsschreiben von Versicherungsverträgen von Versicherungsnehmern der Klägerin aus dem Kundenstock laut Liste Blg./A. Diese Kündigungen waren vom Beklagten für seine Kunden geschrieben worden, sodass diese nur mehr unterschreiben mussten. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die aus dem Spruch ersichtliche Unterlassung und führt dazu aus, dass der Beklagte in zwölf Fällen für ihre Kunden Kündigungen vorbereitet und diese Kunden an andere Versicherungen vermittelt habe. Er habe damit gegen die Vereinbarung anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die §§ 1, 11 UWG verstoßen. Der Agenturvertrag mit dem Beklagten vom 26. 9. 2003 sei von ihr am 22. 4. 2004 zum 31. 5. 2004 gekündigt worden. Im Übrigen sei dieser Vertrag auf den Abschluss neuer Versicherungen und nicht auf die Abwerbung bestehender Kunden gerichtet gewesen. Der Beklagte sei, obwohl nur Versicherungsagent, unzulässigerweise als Versicherungsmakler aufgetreten. Dazu sei er mangels Gewerbeberechtigung nicht befugt gewesen. Wer bewusst in den Vorbehaltsbereich einer fremden Gewerbeberechtigung eingreife, handle sittenwidrig iSd § 1 UWG.

Der Beklagte bestritt das Vorbringen der Klägerin, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass er nach wie vor in einem aufrechten Agenturvertrag mit der Klägerin stehe. Er habe nämlich bisher keine Kündigung erhalten. Mit Abschluss des Agenturvertrags habe die Klägerin schlüssig darin eingewilligt, dass der Beklagte den bisherigen Kundenstock weiter verwenden dürfe. Anders sei eine pflichtgemäße Kundenbetreuung nämlich gar nicht möglich. Es sei kein Verstoß gegen das UWG, wenn sich ein Angestellter, der sich selbständig gemacht habe, um die Kunden seines früheren Arbeitgebers bewerbe. Die Auferlegung eines Konkurrenzverbots für die nachvertragliche Zeit sei nur unter den Voraussetzungen des § 36 AngG, insb auch dessen zeitlicher Befristung, zulässig. Er habe kein Interesse, der Klägerin Kunden zu entziehen, zumal er von ihr Folgeprovisionen beziehe. Der Beklagte habe seinen Kunden jeweils die besten Konditionen der von ihm vertretenen Versicherungen angeboten. Von einem planmäßigen Abwerben der Kunden der Klägerin könne keine Rede sein. Der Kundenkreis der Klägerin sei im Übrigen kein geschütztes Rechtsgut. Das Eindringen in den Kundenkreis gehöre zum Wesen des Wettbewerbs. Das Klagebegehren sei überdies zu unbestimmt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Feststellungen mit der Einschränkung statt, dass es die Unterlassung mit 31. 8. 2006 befristete; das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Klägerin wies es hingegen ab. Rechtlich sei davon auszugehen, dass die gegenständliche Klausel zwar kein Beschäftigungsverbot enthalte, jedoch einer Konkurrenzklausel nach § 36 AngG ähnlich sei. Diese Bestimmung sei daher analog anzuwenden. Eine unbillige Härte liege nicht vor, weil die Kenntnisse und Fähigkeiten des Beklagten durch die Klausel nicht brachgelegen seien. Es sei dementsprechend angemessen, den Jahreszeitraum nach § 36 Abs 2 Z 1 AngG weit auszulegen. Ein Zeitraum von drei Jahren sei durchaus sachgerecht. Auf die §§ 1 ff UWG müsse nicht eingegangen werden, weil sich auch daraus kein weitergehender Anspruch der Klägerin ergebe.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Die vorliegende Kundenschutzklausel unterliege entgegen der Auffassung der Klägerin als Konkurrenzklausel § 36 AngG. Auch der durch eine solche Kundenschutzklausel gebundene ehemalige Arbeitnehmer sei nämlich in der Ausübung seines Berufs zumindest dann erheblich eingeschränkt, wenn er sich im Wirkungsbereich seines früheren Arbeitgebers selbständig machen wolle. Die Konkurrenzklausel sei insoweit teilnichtig, als sie den Zeitraum von einem Jahr übersteige. Die Frist habe bereits vor Schluss der Verhandlung erster Instanz geendet. Das Klagebegehren sei daher, soweit es sich auf die vertragliche Vereinbarung gründe, nicht berechtigt. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin sei aber dennoch berechtigt, weil das Vorgehen des Beklagten als sittenwidrig iSd § 1 UWG anzusehen sei. Zwischen den Streitteilen liege ein Wettbewerbsverhältnis vor; es genüge, dass der Störer, auch wenn er nicht selbst Mitbewerber sei, in der Absicht handle, einen Mitbewerber zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu fördern. Der Beklagte sei ab 1. 9. 2003 als Versicherungsagent tätig gewesen. Das Gewerberecht gestatte zwar dem Versicherungsagenten, durch Eingehen von Agenturverhältnissen mit mehr als einer Versicherung als Mehrfachagent tätig zu werden, verbiete ihm jedoch, zu gleichartigen Produkten seiner Versicherungen eine auf die Kundenbedürfnisse abstellende, evaluierende Beratung anzubieten und damit die Rolle eines Maklers zu unternehmen. Der Beklagte sei jedoch als Versicherungsmakler tätig gewesen, weil er Kunden aufgesucht habe, um zu überprüfen, ob ihre Versicherungsverträge jeweils die besten am Markt angebotenen Konditionen haben, und er die Kunden gegebenenfalls dazu veranlasst habe, die Versicherungsverträge mit der Klägerin aufzukündigen und Verträge bei anderen Versicherungen abzuschließen. Dies sei nicht nur deshalb unzulässig, weil der Beklagte nicht die erforderliche Gewerbeberechtigung (§ 94 Abs 1 Z 77 GewO in der bis zum 14. 1. 2005 gültigen Fassung nach BGBl I 2002/111) besessen habe, sondern auch, weil die gleichzeitige Ausübung des Gewerbes der Versicherungsmakler mit dem Gewerbe der Versicherungsagenten verboten sei (§ 138 Abs 4 GewO idF BGBl I 2002/111). Nach herrschender Rechtsprechung sei das planmäßige Übertreten gewerberechtlicher Normen, um sich gegenüber gesetzestreuen Konkurrenten einen Vorsprung zu verschaffen, sittenwidrig. Der Beklagte habe für seine Maklertätigkeit Daten aus dem seinerzeit von ihm bearbeiteten Kundenstock der Klägerin benutzt (Blg./A). Dieses Eingreifen in den Kundenstock der Klägerin entgegen der im Zug der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossenen Vereinbarung in Verbindung mit der Versicherungsmaklertätigkeit des Beklagten ohne entsprechende Gewerbeberechtigung sei sittenwidrig iSd § 1 UWG. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin sei ausreichend bestimmt, weil es praktisch unmöglich sei, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben. Es sei auch nicht zu weit gefasst, weil es inhaltlich dem Zweck der vereinbarten Kundenschutzklausel entspreche. Die ordentliche Revision sei nach § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil die Frage, ob ein Unterlassungsbegehren wegen Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel bei Hinzutreten weiterer Umstände (Sittenwidrigkeit) auch dann noch berechtigt sei, wenn die nach § 36 Abs 2 Z 1 AngG zulässige Jahresfrist bereits abgelaufen sei, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil iSd vollinhaltlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) und Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Zutreffend wendet sich der Revisionswerber jedoch aus rechtlichen Gründen gegen die Stattgebung des Klagebegehrens. Dabei ist von folgenden Erwägungen auszugehen:

Bei einer Vereinbarung, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird, handelt es sich um eine Konkurrenzklausel nach § 36 AngG. Sie ist nur insoweit wirksam, als der Angestellte zur Zeit der Vereinbarung nicht minderjährig ist (Z 1), sich die Beschränkung auf die Tätigkeit in dem Geschäftszweig des Arbeitgebers bezieht und den Zeitraum eines Jahrs nicht übersteigt (Z 2) und die Beschränkung nicht nach Gegenstand, Zeit oder Ort und im Verhältnis zu dem geschäftlichen Interesse, das der Arbeitgeber an ihrer Einhaltung hat, eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Angestellten enthält (Z 3) (vgl dazu auch den hier noch nicht relevanten Gesetzesbeschluss des Nationalrats vom 6. 12. 2005 über eine Änderung des § 36 AngG, der am 25. 1. 2006 vom Bundesrat beeinsprucht wurde [1215 BlgNR 22. GP]). Eine Vereinbarung, bei der sich ein Angestellter anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses - trotz (oder wegen) seiner bereits bekannten Pläne, sich als "Makler" selbständig zu machen, - verpflichtet (bzw verpflichten muss), nicht auf die Kunden seiner (früheren) Arbeitgeberin zuzugehen bzw diese abzuwerben, weil andernfalls gegen ihn eine Unterlassungsklage eingebracht werde, kann auch als "Kundenschutzklausel" (bzw bei freien Berufen als "Mandantenschutzklausel") bezeichnet werden. Ihr Zweck liegt darin, den Kundenstock der Arbeitgeberin zu schützen. Sie beschränkt den Angestellten für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses völlig rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse; es handelt sich daher um eine Konkurrenzklausel nach § 36 AngG (vgl Holzer in ZAS 1996/7; Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 36 Rz 55 f; Löschnigg, Arbeitsrecht10 267; 8 ObA 21/04b, ZAS 2005/23 [Grießer] ua). Entgegen der Auffassung des Erstgerichts, durch die es sich offenbar zu einer bloß analogen Anwendung des § 36 AngG veranlasst sah, liegt eine Konkurrenzklausel nicht erst dann vor, wenn sie bereits zu einem Brachliegen der Kenntnisse und Berufserfahrungen des Angestellten führt; eine derartige (hier allerdings nicht vorliegende Form der) Konkurrenzklausel wäre vielmehr nach § 36 Z 3 AngG bereits unwirksam (RIS-Justiz RS0029956 ua). Es genügt, dass die Klausel die Erwerbstätigkeit wie im vorliegenden Fall beschränkt. § 36 AngG ist hier daher unmittelbar anwendbar, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte.

Die Kundenschutzklausel ist nach § 36 Z 2 AngG nur insoweit wirksam, als die Beschränkung den Zeitraum eines Jahrs nicht übersteigt. Da die gegenständliche Vereinbarung keine zeitliche Begrenzung enthält und laut dem Vorbringen der Klägerin auch zeitlich unbeschränkt gelten soll, ist sie jedenfalls hinsichtlich des ein Jahr übersteigenden Zeitraums teilnichtig (8 ObA 21/04b, ZAS 2005/23 [Grießer]; RIS-Justiz RS0029953 ua). Für eine Gültigkeit der gegenständlichen Kundenschutzklausel für einen Zeitraum von drei Jahren, wie dies das Erstgericht als "durchaus sachgerecht" annahm, gibt es keine rechtliche Grundlage. Die Beschränkung des Beklagten durch die Kundenschutzklausel begann im vorliegenden Fall mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beklagten zu laufen (1. 9. 2003); spätestens ein Jahr später (31. 8. 2004), sohin noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (10. 2. 2005), wurde sie wieder unwirksam. Eine Unterlassungsklage, die sich allein auf die vereinbarte Kundenschutzklausel gestützt hätte, wäre daher - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - abzuweisen gewesen. Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren aber nicht nur auf die vereinbarte Kundenschutzklausel, sondern auch auf das UWG. Nach § 1 UWG kann jemand, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, ua auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Passiv klagelegitimiert ist dabei jeder "Störer", also auch der durch eine Konkurrenzklausel gebundene Arbeitnehmer. Dieser deliktische Anspruch ist von jenem unmittelbar aus der Konkurrenzklausel auf Unterlassung zu unterscheiden (Kuderna in FS Weißenberg, Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen durch eine Konkurrenzklausel gebundene Arbeitnehmer 287 ff; 8 ObA 286/01v ua). Der Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG ist unabhängig von den Rechten aus der Konkurrenzklausel (Reissner aaO § 37 Rz 65).

Die bloße Verletzung einer Konkurrenzklausel allein ist für sich nicht sittenwidrig und begründet noch keinen Anspruch nach dem UWG (Kuderna aaO 294; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 706; Resch, DRdA 1992, 385 [390] ua). Dieser wird vielmehr nur dann bejaht, wenn zur Verletzung weitere, die Sittenwidrigkeit iSd § 1 UWG begründende Umstände hinzukommen (Reissner aaO § 37 Rz 66; 8 ObA 286/01v ua). Ein Wettbewerbsverstoß nach dieser Bestimmung ist dann gegeben, wenn verwerfliche Mittel eingesetzt oder verwerfliche Ziele verfolgt werden. Im Mittelpunkt der Beurteilung, was in diesem Zusammenhang als "verwerflich" zu verstehen ist, steht der Gesichtspunkt der Ausbeutung des Besitzstands des Unternehmens, zu dem auch dessen vertraglichen Ansprüche und gewisse geschäftliche Beziehungen gehören. Die Anwendung verwerflicher Mittel erblickt man beispielsweise in der Verleitung bzw der Unterstützung beim Vertragsbruch von Abgeworbenen. Als Verfolgung verwerflicher Ziele wird es insb angesehen, wenn fremde Kunden planmäßig abgeworben werden, um den Mitbewerber durch Schwächen seines unternehmerischen Goodwill zu schädigen (Reissner aaO § 37 Rz 66 ua), wenn Kundenlisten auf unlautere Weise beschafft oder Mitbewerber angeschwärzt werden. Derartiges ist hier nicht der Fall. Das bloße Abwerben von Kunden allein verstößt hingegen nicht gegen § 1 UWG (Reissner aaO § 37 Rz 68; 8 ObA 346/99m ua), selbst wenn es zielbewusst und systematisch erfolgt (RIS-Justiz RS0116886 ua). Da sich der Geschäftsumfang gewöhnlich nur auf Kosten der Mitbewerber vergrößern lässt, gehört es zum Wesen des Wettbewerbs, dass der Gewerbetreibende in den fremden Kundenkreis einzudringen versucht und dass sich dabei das attraktivere Angebot durchsetzt (4 Ob 10/02b; RIS-Justiz RS0078521, RS0116886 ua).

Die Klägerin stützte sich in erster Instanz zur Begründung des Unterlassungsanspruchs nach § 1 UWG darauf, dass der Beklagte gewerberechtliche Vorschriften verletzt habe, indem er nicht bloß als Versicherungsagent (Mehrfachagent), sondern ohne entsprechende Gewerbeberechtigung als Versicherungsmakler agiert habe. Richtig ist, dass planmäßiges Übertreten gewerberechtlicher Normen, um sich gegenüber gesetzestreuen Konkurrenten einen Vorsprung zu verschaffen, sittenwidrig sein kann (RIS-Justiz RS0078068 ua). Den diesbezüglichen Überlegungen der Klägerin kommt jedoch nur illustrativer Charakter zu, weil sie im vorliegenden Unterlassungsbegehren keinen Niederschlag gefunden haben. Dieses lautet bloß dahin, dass der Beklagte es zu unterlassen habe, die in der Liste Blg./A enthaltenen Informationen und Daten der Klägerin zu verwenden. Diese Fassung des Klagebegehrens mag ausreichen, um den aus der Kundenschutzklausel resultierenden Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Die Klägerin begehrt damit jedoch nicht die Unterlassung eines planmäßiges Übertretens gewerberechtlicher Normen durch den Beklagten. Auf die Überlegungen zur Abgrenzung von Versicherungsagent, Mehrfachagent und Versicherungsmakler braucht daher ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die Einwände des Revisionswerbers, dass das Berufungsgericht zu diesem Thema nicht von der bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltenden Rechtslage ausgegangen sei. Soweit die Revisionsgegnerin in der Revisionsbeantwortung auf die widerrechtliche Sicherung von Daten durch den Beklagten umzuschwenken versucht, entfernt sie sich von den erstgerichtlichen Feststellungen. Die Überlegung des Berufungsgerichts, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin ausreichend bestimmt sei, weil es praktisch unmöglich sei, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben, betrifft nur den verfahrensrechtlichen Aspekt. Hier geht es jedoch um den materiellrechtlichen Aspekt, was das Berufungsgericht auch erkannte (vgl RIS-Justiz RS0037518 ua). Wenn es jedoch meint, das Unterlassungsbegehren sei nicht zu weit gefasst, weil es inhaltlich dem Zweck der vereinbarten Kundenschutzklausel entspreche, verkennt es, dass es genau darauf nach Ablauf der einjährigen Frist des § 36 Z 2 AngG nicht ankommt. Die Sittenwidrigkeit des Unterlassungsbegehrens nach § 1 UWG kann nicht aus der Kundenschutzklausel abgeleitet werden; dies um so weniger, als sie bei Schluss der Verhandlung gar nicht mehr aufrecht war und daher auch nicht mehr vom Beklagten verletzt werden konnte. Auf Unterlassung eines von der Kundenschutzklausel unabhängigen, wettbewerbswidrigen Verhaltens des Beklagten nach den §§ 1, 11 ff UWG ist das Klagebegehren nicht gerichtet. Der Revision des Beklagten ist daher Folge zugeben und das Klagebegehren, soweit es nicht schon vom Erstgericht abgewiesen wurde, in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Dabei ist der Protokollberichtigungsantrag des Beklagten (ON 13) nicht wie verzeichnet nach TP 3A, sondern lediglich nach TP 2 RAT zu honorieren; die Stellungnahme des Beklagten zur Auskunft der Österreichischen Post AG vom 8. 3. 2005 (ON 14) war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig; für die Berufungsbeantwortung des Beklagten gebührt nach § 23 Abs 9 RATG lediglich der dreifache Einheitssatz.

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