OGH 9ObA152/15s

OGH9ObA152/15s27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** K*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt *****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Leistung (3.344,42 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2015, GZ 7 Ra 77/15t‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00152.15S.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Übereinstimmend haben die Vorinstanzen die Versetzung und Kündigung des bei der Beklagten seit 1. 12. 1999 als Vertragsbediensteter beschäftigten Klägers für unberechtigt angesehen. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dieser nach den konkreten Umständen zu lösenden Fragen des Einzelfalls vermag die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision nicht aufzuzeigen.

1. Eine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten kann den Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 1 des hier unstrittig anwendbaren (§ 1 Abs 1VBO 1995) Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 ‑ VBO 1995) verwirklichen, wenn das beanstandete Verhalten des Dienstnehmers diesem vorwerfbar ist (vgl RIS-Justiz RS0114667) und über bloße Ordnungswidrigkeiten hinausgeht (8 ObA 6/03w; 8 ObA 55/13s; RIS-Justiz RS0105940). Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 ObA 18/15k; RIS‑Justiz RS0106298 ua). Da auch die Frage, ob eine Dienstpflichtverletzung gröblich ist, von den Umständen des Einzelfalls abhängt (9 ObA 106/14z; 9 ObA 18/15k ua), ist der Verweis der Revisionswerberin auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, in denen Dienstpflichtverletzungen ganz anderer Art als im vorliegenden Fall zu beurteilen waren, nicht zielführend. Dass der Kläger als Oberaufseher in seinem Tätigkeitsbereich eine leitende Stellung mit Vorbildfunktion für die ihm unterstellten Mitarbeiter innehat, haben die Vorinstanzen bei der erforderlichen Beurteilung des Gesamtverhaltens des Klägers (vgl 9 ObA 53/08x; RIS-Justiz RS0081891) ausreichend berücksichtigt. Hier steht fest, dass der Kläger seine Aufgabe gegenüber seinen Mitarbeitern korrekt durchgeführt hat. Die dem Kläger unterlaufenen ‑ von den Vorinstanzen vertretbar als bloße Ordnungswidrigkeiten beurteilten ‑ Fehler hätten nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Taschenfeststellungen des Erstgerichts auch einem anderen sorgsamen Mitarbeiter in der Situation des Klägers unterlaufen können.

2. Der Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 6 VBO 1995 liegt vor, wenn der Vertragsbedienstete den allgemein erzielbaren Arbeitserfolg nicht erreicht. Auch diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl 9 ObA 49/08h). Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger habe trotz der ihm unterlaufenen Ordnungswidrigkeiten den allgemein erzielbaren Arbeitserfolg erreicht, ist vertretbar. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen.

3. Nach § 10 Abs 1 VBO 1995 kann der Vertragsbedienstete, wenn es im dienstlichen Interesse gelegen ist, einer anderen Dienststelle zur Dienstleistung zugewiesen werden. Erfolgt die Dienstzuweisung auf Dauer, so liegt eine Versetzung, erfolgt sie nur vorübergehend, so liegt eine Dienstzuteilung vor. Ob es sich im Anlassfall bei der Enthebung des Klägers von seiner Funktion als Oberaufseher und Zuweisung zu einem anderen Einsatzort um eine Versetzung oder Dienstzuteilung handelte, kann dahingestellt bleiben. Die Vorinstanzen haben nämlich die Zuweisung des Klägers zu einem anderen Einsatzort auch unter Zugrundelegung seiner Ordnungswidrigkeiten als nicht gerechtfertigt angesehen und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Versetzung oder Dienstzuteilung nicht im dienstlichen Interesse der Beklagten lag (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 VBO 1995). Diese Beurteilung ist ebenfalls vertretbar. Dass eine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, begründet für sich allein noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0102181). Die Möglichkeit der Versetzung von Vertragsbediensteten nach anderen Vertragsbedienstetenordnungen ist hier nicht zu beurteilen (vgl 9 ObA 311/99x). Die in der Revision relevierte Frage zur grundsätzlichen Versetzungsmöglichkeit des Klägers unter Berücksichtigung des § 4 Abs 2 VBO 1995 stellt sich im Anlassfall nicht.

4. Die von der Revisionswerberin gerügte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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