OGH 9ObA12/15b

OGH9ObA12/15b25.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** M*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei „L*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Malainer Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 84,67 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. November 2014, GZ 10 Ra 87/14h‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00012.15B.0225.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zufolge des in § 6 Abs 3 UrlG zum Ausdruck kommenden Ausfallsprinzips bzw des in § 8 Abs 1 AngG zum Ausdruck kommenden Bezugsprinzips ist zu prüfen, welcher Entgeltanspruch entstanden wäre, wenn die Arbeitsleistung in dem zu erwartenden Ausmaß erbracht worden wäre. Der Arbeitnehmer darf durch die Inanspruchnahme des Urlaubs bzw Krankenstands keinen Nachteil erleiden (8 ObA 67/02i; RIS‑Justiz RS0064264; RS0064276; RS0058728; RS0027926; vgl Reissner in ZellKomm² § 6 UrlG Rz 5; Drs in ZellKomm² § 8 AngG Rz 102 je mwN). Für die Berechnung des Entgeltanspruchs bei wechselnder Höhe des Entgelts bzw bei schwankendem Einkommen ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls auszugehen (vgl RIS‑Justiz RS0027935). Das Bezugsprinzip, das Durchschnittsprinzip und das Ausfallsprinzip sind letztlich nur rechentechnische Hilfskonstruktionen; eine einzige sachgerechte und allgemeine Formel kann daraus weder für die Entgeltfortzahlung noch das Urlaubsentgelt abgeleitet werden (vgl Melzer-Azodanloo in Löschnigg , AngG 9 Rz 113 zu § 8 AngG).

Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass es sich bei der von der Klägerin ins Verdienen gebrachten Blockstundenvergütung und der Bordverkaufsprovision um variables Entgelt handelt, das saisonalen Schwankungen unterworfen ist und daher eine Durchschnittsberechnung die Grundlage für die Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung zu bilden hat. Uneins sind sich die Parteien lediglich über die Länge des Durchrechnungszeitraums. Sieht die Klägerin dafür ‑ in Anlehnung an den Beobachtungszeitraum für Überstunden ‑ einen Zeitraum von 13 Wochen als sachgerecht an, so hält die Beklagte einen Durchrechnungszeitraum von 12 Monaten für erforderlich, um eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer zu vermeiden.

Bei schwankendem Entgelt führt in der Regel die Berechnung nach dem Jahresdurchschnitt zu einem einigermaßen befriedigenden Ergebnis (vgl RIS‑Justiz RS0027935; RS0043295). In diesem Sinne wurde beispielsweise für eine ungleichmäßige Verteilung von Nachtdienstleistungen, die ein schwankendes Entgelt zur Folge hatten, ein Beobachtungszeitraum von einem Kalenderjahr herangezogen, um eine verlässliche Grundlage für die Durchschnittsberechnung im Sinne des § 8 Abs 1 AngG und § 6 Abs 1 UrlG zu erhalten (9 ObA 365/93). Auch der Durchschnittsbetrachtung einer regelmäßig bezogenen Schichtzulage wurde ein Beobachtungszeitraum von einem Jahr zugrunde gelegt (9 ObA 295/00y). Ebenfalls wurde bereits ausgesprochen, dass nach dem Lohnausfallsprinzip Provisionen zweckmäßigerweise auf der Grundlage des Durchschnitts der in den letzten zwölf repräsentativen Monaten erzielten Umsätze zu ermitteln sind (RIS‑Justiz RS0109785). Hingegen werden nur dann die im letzten Jahr (und nicht die in den letzten dreizehn Wochen) geleisteten Überstunden der Durchschnittsbetrachtung zugrunde gelegt, wenn aus besonderen Gründen (etwa Krankheit, Urlaub, saisonale Unterschiede etc) dieser Dreizehnwochenzeitraum für die Beurteilung nicht ausreicht, um dem Gedanken der Kontinuität entsprechend Rechnung zu tragen (RIS‑Justiz RS0064288).

Das Berufungsgericht hat diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen in der angefochtenen Entscheidung Rechnung getragen. Dessen Rechtsansicht, aufgrund des schwankenden Entgelts der Klägerin, das in den saisonal sehr unterschiedlichen Flugeinsatzzeiten der Klägerin begründet ist, sei es gerechtfertigt, einen Jahresdurchschnitt für die Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung heranzuziehen, ist vertretbar. Mit diesem Einjahreszeitraum wird im Anlassfall dem Gedanken der Kontinuität des Entgelts besser Rechnung getragen, als mit einem Dreizehnwochenzeitraum, weil damit die saisonalen Unterschiede ausreichend berücksichtigt werden.

Dass die Klägerin ihr Verfahren als „Musterverfahren“ für andere Arbeitnehmer/innen versteht, ändert nichts an der Einzelfallbezogenheit (vgl RIS‑Justiz RS0042816; 9 ObA 49/14t).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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