OGH 9ObA111/12g

OGH9ObA111/12g17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** B*****, vertreten durch Czernich Haidlen Guggenberger & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 303.933,88 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. Juli 2012, GZ 8 Ra 45/12i‑60, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:009OBA00111.12G.1217.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Tatbestand der ungebührlichen Schmälerung oder des (gänzlichen oder teilweisen) Vorenthaltens des Entgelts gemäß § 26 Z 2 AngG ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (9 ObA 37/08v; 8 ObA 61/06p ua). Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, die insbesondere dann vorliegt, wenn über das Bestehen eines Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines hierüber zu führenden Rechtsstreits nicht absehbar ist, wird der Tatbestand nicht erfüllt (9 ObA 169/02x mwN; RIS‑Justiz RS0029257; Pfeil in ZellKomm² § 26 AngG Rz 25 mwH). Nach ständiger Rechtsprechung kann das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, sodass sich regelmäßig erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht stellen (RIS‑Justiz RS0106298 ua). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger am 26. 9. 2008 erklärte Austritt aus dem Arbeitsverhältnis wegen der Nichtzahlung von monatlichen Bonus‑Vorschusszahlungen ab November 2007 durch die Beklagte nicht berechtigt war, bewegt sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung. Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

2. Der Revisionswerber stellt nicht in Frage, dass die Zahlung eines jährlichen Bonus ‑ anders als seine im Verfahren gar nicht strittigen Ansprüche auf Grundbezug samt diversen Zusatzleistungen ‑ im Rahmen einer Zielvereinbarung unter einem im Arbeitsvertrag vereinbarten Unverbindlichkeitsvorbehalt (9 ObA 113/08w mwH) und überdies auf Grundlage eines von der Beklagten nach dem konzernweit geltenden Regelwerk erstellten „Bonus‑Plans“ erfolgte, der die Planteilnehmer zur Einhaltung der Konzernrichtlinien verpflichtet. Schon im Hinblick auf die Feststellung, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, in „irgendwelchen“ Folgejahren einen „Bonus‑Plan“ anzubieten, liegt die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor. Ein Anspruch auf monatliche Bonus‑Vorschusszahlungen besteht nur, wenn für das jeweilige Wirtschaftsjahr der Beklagten eine solche Zielvereinbarung abgeschlossen wurde, was hier für das Wirtschaftsjahr 2008 unstrittig nicht der Fall war.

Ob ein Unverbindlichkeitsvorbehalt, wie er hier vereinbart wurde, generell unzulässig ist, wenn der Bonus‑Anspruch einen erheblichen Anteil des Gesamtentgelts betrifft, braucht nicht beurteilt zu werden. Denn die Beklagte hat dem Kläger ohnedies den Abschluss einer Zielvereinbarung angeboten, die der Kläger jedoch abgelehnt hat. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das Beharren der Beklagten auf dem Abschluss der von ihr angebotenen Zielvereinbarung als Voraussetzung für die Weitergewährung von (monatlichen) Bonus‑Vorschusszahlungen nicht sittenwidrig ist, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht korrekturbedürftig. Die Beklagte löste die Geschäftsbeziehungen zu einem Kunden auf, sodass der Kläger die für diesen Kunden vorgesehenen Umsätze nicht mehr erwirtschaften konnte. Allerdings fiel dieser Kunde nach den Feststellungen in den Verantwortungsbereich des Klägers, und erfolgte die Auflösung der Geschäftsbeziehungen zu diesem Kunden wegen Nichteinhaltung der Konzernrichtlinien. Der Kläger war zuletzt in leitender Funktion als „Operations Director“ für die Beklagte tätig, seine Verantwortlichkeit entsprach konzernintern der seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer für die Beklagte. Vor diesem Hintergrund erscheint die Vorgangsweise der Beklagten, die Zielvorgaben auch nach Wegfall des Kunden betreffend den Kläger nicht anzupassen, weil dieser als verantwortlicher Vertriebsleiter die Folgen des entgangenen Umsatzes zu tragen oder allenfalls durch andere Geschäfte zu kompensieren habe, im konkreten Fall nicht als sachlich ungerechtfertigt. Dazu kommt, dass die Zielvorgaben der Beklagten ganz allgemein zu einem großen Teil erreichbar waren und der Kläger unstrittig auch bei Abschluss der von der Beklagten vorgeschlagenen Zielvereinbarung einen ‑ wenn auch im Vergleich zu der von ihm gewünschten Zielvereinbarung um rund 25 % geringeren ‑ Bonus zusätzlich zu seinem deutlich über dem Durchschnitt liegenden regelmäßig gezahlten Entgelt für das Wirtschaftsjahr 2008 ins Verdienen gebracht hätte.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe auf eine Zusage seines unmittelbaren Vorgesetzten zum Abschluss einer geänderten Zielvereinbarung vertrauen dürfen, die die Beklagte treuwidrig nicht umgesetzt habe, übersieht er, dass sein unmittelbarer Vorgesetzter gar nicht berechtigt war, die Umsatzzielvorgaben für den Kläger allein festzusetzen oder zu ändern. Die Erstellung der Zielvorgaben bedurfte vielmehr auch der Zustimmung durch die Finanzabteilung und der Vorgesetzten auf europäischer Ebene. Dies war dem Kläger, der sich nach den Feststellungen unter anderem auch direkt an die Finanzabteilung gewandt hat, infolge seiner langjährigen Tätigkeit im Konzern auch bekannt.

Eine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt der Kläger auch mit seinem Verweis auf die Entscheidung 9 ObA 234/93, der ‑ wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat ‑ kein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt, nicht auf. Die vom Kläger (erstmals) im Revisionsverfahren für die Bonus‑Vorschusszahlungen geltend gemachte Anspruchsgrundlage des § 12 AngG kommt hier schon mangels Abschlusses einer entsprechenden Vereinbarung nicht in Betracht.

3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Mitverschuldenseinwand des § 32 AngG grundsätzlich nur bei berechtigter vorzeitiger Auflösung ‑ die hier aber gerade nicht vorliegt ‑ überhaupt zum Tragen kommt, steht mit der Rechtsprechung im Einklang (RIS‑Justiz RS0116864). Dies wird auch vom Revisionswerber nicht bestritten. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass ein zusätzliches, für die vorzeitige Auflösung kausales, schuldhaftes Verhalten der Beklagten, das ganz ausnahmsweise die Anwendung der Mitverschuldensregel auch im Fall der ungerechtfertigten vorzeitigen Auflösung rechtfertigen könnte (8 ObA 41/02s), hier nicht ersichtlich ist. Eine Unvertretbarkeit dieser Rechtsansicht zeigt der Revisionswerber mit der Behauptung, die Beklagte habe den Kläger bezüglich der ihm von seinem unmittelbaren Vorgesetzten zugesagten Änderung der Zielvereinbarung im Unklaren gelassen, schon deshalb nicht auf, weil ihm nach den Feststellungen bewusst war, dass dieser Vorgesetzte über die vom Kläger gewünschte Änderung der Zielvorgaben gar nicht allein entscheiden konnte.

Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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