European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00085.17S.0425.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 30. 10. 2012 einen Partnervermittlungsvertrag in deren Geschäftsräumlichkeiten ab. Im Wesentlichen verpflichtete sich die Klägerin darin, dem Beklagten einmal im Monat für die Dauer der zweijährigen Betreuungszeit Partnervorschläge zuzusenden. Der Beklagte verpflichtete sich ua zur Zahlung eines Betreuungsentgelts.
Das ausgefüllte und von beiden Parteien unterfertigte Vertragsformular der Klägerin enthält ua folgende, hier relevante Klausel:
„ Ich verpflichte mich zur Zahlung einer einmaligen Betreuungsgebühr in der Höhe von EUR 5.000,- zuzüglich 20 % USt in der Höhe von EUR 1.000,- insgesamt EUR 6.000,-. Der Betrag kann auch in 24 gleichen, monatlich aufeinander folgenden Teilbeträgen in der Höhe von EUR 250,- bezahlt werden. … Das Institut verpflichtet sich, mich bis zum Erfolg zu betreuen, längstens 2 Jahre. “
Da der Beklagte nach Durchsicht des schriftlichen Vertrags der Ansicht war, dass dieser nicht sämtliche mündliche Zusagen der Klägerin enthielt, erklärte er mit Schreiben vom 8. 11. 2012, den Vertrag als aufgelöst zu betrachten. Der Beklagte bezahlte keine der vertraglich vereinbarten Raten. Nach Androhung des Terminverlusts stellte die Beklagte am 18. 1. 2013 den Gesamtbetrag von 6.000 EUR samt Zinsen fällig. Zwischen 31. 10. 2012 und 22. 1. 2013 übermittelte die Klägerin dem Beklagten insgesamt neun Partnervorschläge.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten aufgrund des ordnungsgemäß zustande gekommenen Vertrags das vereinbarte Betreuungsentgelt von 6.000 EUR sA zuzüglich Nebenkosten von 76 EUR sA.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Soweit für die Revisionsentscheidung relevant, wandte der Beklagte ein, dass die AGB der Klägerin, ua auch die die Entgeltvereinbarung betreffende Klausel, intransparent und damit nach § 6 Abs 3 KSchG unwirksam seien. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel sei ausgeschlossen. Der gesamte Vertrag sei nichtig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 5.750 EUR sA sowie 76 EUR sA an Nebenforderungen statt. Das Mehrbegehren von 250 EUR sA wies es ab. Beim gegenständlichen Vertrag handle es sich um einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Glücksvertrag iSd § 1267 ABGB. Die Anfechtung des Vertrags durch den Beklagten sei zu Unrecht erfolgt. Da die Klägerin ihre Leistungen aus dem Vertrag erbracht habe, sei der Beklagte, mit Ausnahme der ersten Rate, die verjährt sei, zur Bezahlung des vereinbarten Betreuungsentgelts (samt Nebengebühren) verpflichtet.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil gerichteten Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Sowohl die Unwirksamkeit von Klauseln nach § 879 Abs 3 ABGB als auch nach § 6 KSchG sei im Falle von Verbraucherverträgen von Amts wegen wahrzunehmen. In der Entscheidung 7 Ob 217/16m habe der Oberste Gerichtshof ua auch die verfahrensgegenständliche Vertragsklausel als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG qualifiziert, weil sie suggeriere, dass dem Kunden ganz unabhängig von der gewählten Zahlungsart nie ein Rücktrittsrecht nach § 15 Abs 1 KSchG zustehe. § 15 Abs 1 KSchG sei hier anwendbar, weil beim gegenständlichen Partnervermittlungsvertrag die werkvertraglichen Elemente überwiegen würden. Da eine geltungserhaltende Reduktion der beanstandeten Vertragsbestimmung nicht in Frage komme, müsse diese unberücksichtigt bleiben. Damit fehle es aber an einer vertraglichen Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Betreuungsentgelt.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob bei ersatzlosem Entfall einer wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG nichtigen Vertragsklausel gegenüber dem Verbraucher die dadurch entstehende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei, noch nicht Stellung genommen habe.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die rechtzeitige Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. In einem vom Verein für Konsumenteninformation gegen die Klägerin geführten Verbandsprozess nach § 28 KSchG (7 Ob 217/16m = EvBl 2018/23 [Hoch/Zoppel] = ÖBA 2017/2392 [Bollenberger]) hat der Oberste Gerichtshof zahlreiche Klauseln in den AGB des auch hier verfahrensgegenständlichen Partnervermittlungsvertrags wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 11, Abs 3 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB für unwirksam erklärt.
Zur gegenständlichen Klausel (dort „Klausel 2“) wurde ausgeführt:
„Dass die in der Klausel vorgesehene Betreuung für zwei Jahre mit der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. 8. 1987 über Ausübungsvorschriften für Partnervermittler, BGBl 1987/434, in Einklang steht, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt.
Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach hier § 15 Abs 1 KSchG anzuwenden ist. Nach dieser Bestimmung kann der Verbraucher Verträge, durch die sich der Unternehmer zu wiederholten Werkleistungen und der Verbraucher zu wiederholten Geldzahlungen verpflichten und die für eine unbestimmte oder eine ein Jahr übersteigende Zeit geschlossen worden sind, unter Einhaltung einer zweimonatigen Frist zum Ablauf des ersten Jahres, danach zum Ablauf jeweils eines halben Jahres kündigen. Unter § 15 Abs 1 KSchG fallen nicht Verträge, bei denen sich der Verbraucher zu einer einmaligen Geldgesamtleistung verpflichtet (vgl 9 Ob 75/10k = RIS‑Justiz RS0126614). Da im gegenständlichen Fall jedoch – ohne weitere Voraussetzungen – vorgesehen ist, dass der Kunde nach eigener Wahl während der Vertragslaufzeit das Entgelt in monatlichen 'Raten' bezahlen kann, liegen insofern jedenfalls 'wiederholte Geldzahlungen' iSd § 15 KSchG vor.
Die Rechtsprechung beschränkt die Anwendung des § 15 KSchG auf die im Gesetz angeführten Dauerschuldverhältnisse und lehnt eine analoge Anwendung ab, weil der Gesetzgeber mit § 6 Abs 1 Z 1 KSchG ohnehin für solche Verträge, die nicht ausdrücklich von § 15 KSchG erfasst sind, eine Schutzbestimmung gegen unangemessen lange vertragliche Bindungsfristen unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Parteien eines Verbrauchervertrags zur Verfügung stellt (5 Ob 205/13b = RIS‑Justiz RS0129373). Bei Mischverträgen ist es für die Anwendbarkeit des § 15 KSchG entscheidend, dass die werkvertraglichen oder kaufvertraglichen Elemente nicht bloß eine untergeordnete Rolle spielen (RIS‑Justiz RS0115412; 9 Ob 68/08b; 6 Ob 104/01i). Partnervermittlungsverträge wurden zwar im Hinblick auf den Leistungsumfang als einem Glücksvertrag iSd § 1267 ABGB rechtsähnlich bezeichnet (6 Ob 742/77; 6 Ob 805/81 = SZ 54/173). In der Folge wurde aber klargestellt, dass der Vertrag jedenfalls im Hinblick darauf, dass auf eine erfolgreiche Partnervermittlung abgestellte Leistungen zu erbringen sind (wie Betreibung einer intensiven Werbung, Aufgabe von Inseraten im Namen des Auftraggebers, Öffnung, Vorsortierung und fallweise Beantwortung eingehender Briefe), überwiegend werkvertraglichen Charakter hat (3 Ob 1/16t; RIS‑Justiz RS0021700; Krammer, Rechtsfragen der gewerblichen Partnervermittlung, iFamZ 2010, 331). Da die Beklagte sich in ihren AGB verpflichtet, den Verbraucher 'bis zum Erfolg zu betreuen', diese Verpflichtung gleichzeitig aber darauf beschränkt ist, ihm 'während der Laufzeit mindestens einmal monatlich einen Partnervorschlag' zuzusenden, überwiegen– ungeachtet der aleatorischen Aspekte, die sich aus einer allenfalls vorzeitigen Beendigung der Leistungspflicht der Beklagten bei erfolgreicher Partnervermittlung ergeben – die werkvertraglichen Elemente. Den monatlichen Leistungen der Beklagten stehen die monatlichen Zahlungen des Kunden gegenüber. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 15 Abs 1 KSchG liegen vor.
Da die gegenständliche Klausel dem Durchschnittskunden suggeriert, dass ihm ganz unabhängig von der gewählten Zahlungsart nie ein Rücktrittsrecht nach § 15 Abs 1 KSchG zusteht, hat sie das Berufungsgericht zutreffend als intransparent und damit nach § 6 Abs 3 KSchG unwirksam qualifiziert.“
Zudem wurde in der Entscheidung 7 Ob 217/16m auf die ständige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0016590, auch [T1]) hingewiesen, wonach für eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess kein Raum ist.
Der erkennende Senat schließt sich der in der Entscheidung 7 Ob 217/16m vertretenen Rechtsauffassung an. Argumente, die eine andere Beurteilung der Klausel zuließen, werden auch in der vorliegenden Revision nicht gebracht.
2. Nach jüngerer Rechtsprechung kommt die geltungserhaltende Reduktion nicht im einzelnen ausgehandelter missbräuchlicher Klauseln auch im Individualprozess über ein Verbrauchergeschäft nicht mehr in Frage (RIS‑Justiz RS0128735; EuGH 14. 6. 2012, Rs C‑618/10, Banco Espaniol de Credito/Joaquin Calderon Camino Rn 65; EuGH 21. 12. 2016, verbundene Rs Gutiérrez Naranjo, C‑154/15, Palacios Martínez, C‑307/15, und Banco Popular Español SA C‑308/15, Rn 57).
3.1. Für den vorliegenden Fall hat dies zur Folge, dass die nichtige Vertragsklausel über die Betreuungsgebühr zur Gänze unberücksichtigt bleiben muss. Damit stellt sich aber die weitere Frage, ob der Partnervermittlungsvertrag in seiner Gesamtheit nichtig ist, weil es ihm – wie hier – an einer Regelung über eine der Hauptleistungspflichten (Entgelt) mangelt oder nur die nichtige Klausel wegfällt und der Restvertrag bestehen bleibt, weil die durch den Wegfall der Entgeltvereinbarung entstandene Vertragslücke durch Anwendung dispositiven Rechts oder ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann.
3.2. Art 6 Abs 1 der hier maßgeblichen Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel‑RL), die mit § 6 Abs 3 KSchG umgesetzt wurde, lautet: Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.
Art 7 Abs 1 der Klausel‑RL bestimmt: Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.
3.3. In der bereits oben erwähnten Rechtssache C‑618/10, Banco Español de Crédito SA,hat der EuGH dazu ausgeführt, dass sich aus dem Wortlaut von Art 6 Abs 1 der Klausel‑RL ergebe, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären hätten, damit sie den Verbraucher nicht binde, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag müsse – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauselnergebe – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich sei (Rn 65, 73, Tenor 2; ebenso EuGH 26. 1. 2017, C‑421/14, Banco Primus SA Rn 71 mwN).
3.4. In derRs Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, vom 30. 4. 2014, kam der EuGH im Fall eines nach Wegfall einer missbräuchlichen Klausel nicht mehr durchführbaren Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher zum Ergebnis, dass Art 6 Abs 1 der Klausel‑RL dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, die es dem nationalen Gericht ermögliche, der Nichtigkeit der missbräuchlichen Klausel dadurch abzuhelfen, dass es sie durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetze (Rn 85). Aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruhe, der den Verbrauchern gewährt werde, weil sie sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheit befänden, verpflichte die Klausel‑RL, wie sich aus ihrem Art 7 Abs 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergebe, die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließe, ein Ende gesetzt werde“ (Rn 78 mwN; auch EuGH 26. 1. 2017, C‑421/14, Banco Primus SA Rn 72). Stünde es dem nationalen Gericht frei, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in solchen Verträgen abzuändern, könnte eine derartige Befugnis die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden, das mit Art 7 der Klausel‑RL verfolgt werde. Diese Befugnis trüge nämlich dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin bestehe, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet blieben; die Gewerbetreibenden blieben nämlich versucht, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass der Vertrag, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass ihr Interesse auf diese Art und Weise gewahrt würde (Rn 79 mwN). Daraus folge jedoch nicht, dass Art 6 Abs 1 der Klausel‑RL das nationale Gericht in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens daran hindere, die missbräuchliche Klausel wegfallen zu lassen und sie in Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts zu ersetzen (Rn 80). Die Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch eine solche Vorschrift, bei der – wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Klausel‑RL ergebe – davon ausgegangen werde, dass sie keine missbräuchlichen Klauseln enthalte, sei vielmehr, da sie dazu führe, dass der Vertrag trotz des Wegfalls der unwirksamen Klausel Bestand haben könne und für die Parteien bindend bleibe, in Anbetracht des Ziels der Klausel‑RL voll und ganz gerechtfertigt (Rn 81). Art 6 Abs 1 der Klausel‑RL, ziele nämlich darauf ab, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen, nicht aber die Nichtigkeit sämtlicher Verträge herbeizuführen, die missbräuchliche Klauseln enthielten (Rn 82 mwN). Andernfalls könnte nämlich die Nichtigerklärung des Vertrags für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen haben, so dass die aus der Nichtigerklärung des Vertrags resultierende Abschreckungswirkung beeinträchtigt werden könnte (Rn 83).
3.5. In der Entscheidung vom 21. 1. 2015, verbundene Rs Unicaja Banco SA,C‑482/13, und Caixabank SA, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, beschränkte der EuGH den Lückenschluss mittels dispositivem Recht bei Wegfall einer missbräuchlichen Vertragsklausel ausdrücklich auf die Fälle, in denen die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht verpflichten würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, wodurch der Verbraucher Konsequenzen ausgesetzt würde, die derart seien, dass er dadurch bestraft würde (Rn 33).
3.6. In der Rs C‑154/15, Gutiérrez Naranjo, vom 21. 12. 2016, bekräftigte der EuGH, dass es sich bei Art 6 Abs 1 Klausel‑RL um eine zwingende Bestimmung handle, die darauf abziele, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen (Rn 55). Aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruhe, der den Verbrauchern gewährt werde, weil sie sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheit befänden, verpflichte die Klausel‑RL, wie sich aus ihrem Art 7 Abs 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergebe, die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließe, ein Ende gesetzt werde“ (Rn 56 unter Hinweis auf die Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, Rn 78). Um das zu erreichen, habe das nationale Gericht eine missbräuchliche Vertragsklausel schlicht unangewendet zu lassen, damit sie den Verbraucher nicht binde, ohne dass es befugt wäre, deren Inhalt abzuändern (Rn 57 unter Hinweis auf die Rs Banco Español de Crédito, C‑618/10, Rn 65). Das nationale Gericht sei nicht befugt, den Inhalt missbräuchlicher Klauseln abzuändern, da sonst dazu beigetragen würde, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin bestehe, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben (Rn 60 unter Hinweis auf die Rs Unicaja Banco SA und Caixabank SA, C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, Rn 31).
4.1. Die Beurteilung, ob ein Vertrag nach Wegfall einer oder mehrerer Klauseln undurchführbar ist, ist nach objektiven Kriterien vorzunehmen und nicht danach, ob der Wegfall des Vertrags im Einzelfall für den Verbraucher günstiger wäre (EuGH 15. 3. 2012, Pereničová und Perenič,C‑453/10, Rn 33; Docekal/Kiendl-Wendner in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht, § 6 KSchG Rz 15; Fidler, Unionsrechtliche Entwicklungen bei der richterlichen Vertragsergänzung, JBl 2014, 693 [703]). Jedoch dürfen die Gerichte der Mitgliedstaaten einen Vertrag in seiner Gesamtheit als nichtig ansehen, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird (EuGH 30. 5. 2013, Jőrös, C‑397/11, Rn 47).
4.2. Die Frage der Zulässigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung wurde im Schrifttum in Folge der Entscheidung in der Rs Unicaja Banco SA und Caixabank SA, C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13 unterschiedlich beantwortet (bejahend Kathrein/Schoditsch in KBB5 § 6 KSchG Rz 4 mwN; verneinend Kolmasch in Schwimann/Neumayr [Hrsg], ABGB Taschenkommentar4 [2017] zu § 879 ABGB Rz 25).
4.3. Im Lichte der Rs Unicaja Banco SA und Caixabank SA, C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, müsste aber jedenfalls davon ausgegangen werden, dass auch die ergänzende Vertragsauslegung nur bei sonstiger Undurchführbarkeit des Vertrags zum Nachteil des Verbrauchers in Frage kommt (Docekal/Kiendl-Wendner in Keiler/Klauser, aaO Rz 15; Kurz, Rechtsfolgen missbräuchlicher Klauseln: (Un-)Anwendbarkeit dispositiven Rechts, VbR 2015/30 [52 f]; Kern, Wer darf wann welche Lücke füllen?, wbl 2016, 61 [68]; vgl Gsell, Prävention als oberstes Ziel der Klauselkontrolle bei Verbraucherverträgen? in Leupold [Hrsg], Forum Verbraucherrecht 2015 35 ff [45]).
5. Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, dass es durch den Wegfall der strittigen Klausel der dem gegenständlichen Partnervermittlungsvertrag zugrunde liegenden AGB an einer vertraglichen Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Betreuungsentgelt fehlt. Damit wird der Partnervermittlungsvertrag aber infolge Fehlens einer der Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag undurchführbar.
Um dem mit Art 7 der Klausel‑RL verfolgten Ziel, das klägerische Unternehmen in Hinkunft von der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in ihren Partnervermittlungsverträgen abzuschrecken, Rechnung zu tragen, verbietet sich grundsätzlich ein Lückenschluss durch Anwendung dispositiven Rechts (§ 1152 ABGB) oder ergänzende Vertragsauslegung zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für das gegenständliche Entgeltbegehren der Klägerin.
Nach der oben zitierten Judikatur des EuGH wäre eine Schließung der durch den Wegfall der missbräuchlichen Klausel entstandenen Vertragslücke im Verbraucherrecht nur dann zulässig, wenn sich die ersatzlose Streichung der missbräuchlichen Klausel nachteilig auf die Rechtssituation des Verbrauchers auswirken würde. Für eine derartige ausnahmsweise Annahme bietet der festgestellte Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. Derartiges behauptet auch die Revisionswerberin nicht.
Die Klägerin hat daher gegenüber dem Beklagten keinen vertraglichen Anspruch auf das von ihr klagsweise geltend gemachte Betreuungsentgelt.
6. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Betreuungsentgelt erstmals in der Revision auf § 1431 ABGB stützt und behauptet, sie habe irrtümlich rechtsgrundlos Leistungen erbracht, die zu einer Bereicherung des Beklagten geführt hätten, verstößt sie damit gegen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO.
Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die ERV‑Gebühr beträgt 2,10 EUR (§ 23a RATG).
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