European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00084.24D.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin veräußerte im Jahr 2014 bestimmte Teilflächen ihr gehöriger Grundstücke (idF: Liegenschaft) an die Beklagte. In diesem Kaufvertrag war zugunsten der Klägerin ein Wiederkaufsrecht und ein Vorkaufsrecht vereinbart. Diese Rechte wurden nicht verbüchert. Im Jahr 2021 verkaufte die Beklagte diese Liegenschaft (ohne Überbindung des Wiederkaufsrechts) und andere Grundstücke in ihrem Eigentum an Dr. M* (Dritter) um den Gesamtkaufpreis von 155.000 EUR.
[2] Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 44.142,30 EUR, weil die Beklagte durch die Veräußerung der Liegenschaft die Erfüllung des Wiederkaufsrechts vereitelt habe. Dadurch sei der Klägerin ein Schaden entstanden, der der Differenz zwischen dem Kaufpreisanteil der von ihr der Beklagten veräußerten Liegenschaft und dem vereinbarten (wertgesicherten) Wiederkaufspreis von 12.647,13 EUR entspreche.
[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Klägerin sei der Nachweis eines von der Beklagten verursachten (positiven) Schadens (§ 920 ABGB) nicht gelungen. Der Verlust einer Erwerbschance sei nur dann positiver Schaden, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt der schädigenden Handlung eine rechtlich gesicherte Position auf Verdienst gehabt habe oder der Verdienst zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre. Das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen habe die Klägerin aber nicht beweisen können.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[5] 1. Hat ein Schuldner Schadenersatz wegen Nichterfüllung im Sinne des § 920 Abs 1 ABGB zu leisten, dann hat er dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, der diesem durch die pflichtwidrige Nichterfüllung entstand (positives Vertragsinteresse). Der Gläubiger muss daher vermögensmäßig so gestellt werden, wie wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln. Es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (RS0030153; RS0018239).
[6] 2. Es ist ständige Rechtsprechung, dass der Geschädigte für den Eintritt des von ihm behaupteten Schadens beweispflichtig ist (RS0022759).
[7] 3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dieser Nachweis sei der Klägerin im konkreten Einzelfall nicht gelungen, ist nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, nicht zu beanstanden. Weder konnte der Verkehrswert der verfahrensgegenständlichen Grundstücksflächen festgestellt werden noch, ob, zu welchem Preis und mit welchen Auflagen die Klägerin diese Liegenschaft nach Ausübung des Wiederkaufsrechts an Dr. M* verkauft hätte. Auch wenn feststeht, dass Dr. M* die vom Wiederkaufsrecht betroffene Liegenschaft von der Klägerin zum selben Preis erworben hätte wie von der Beklagten, steht daher noch nicht der Eintritt eines Schadens bei der Klägerin (in der von ihr behaupteten Höhe) fest. Von der festgestellten (hypothetischen) einseitigen Kaufabsicht des Dritten kann nicht zwingend auf den Abschluss eines (zweiseitigen) Kaufvertrags mit der Klägerin geschlossen werden, zumal deren (wenn auch hypothetische) Verkaufsabsicht nicht feststeht. Überdies steht nicht fest, ob Dr. M* die Liegenschaft auch unter den von der Klägerin allfällig vorgegebenen Bedingungen gekauft hätte.
[8] 4.1. Das Berufungsgericht ist auch nicht von der Rechtsprechung zum Verlust einer Erwerbschance als positiver Schaden abgewichen. Richtig ist zwar, dass der Verlust einer Erwerbschance als positiver Schaden und nicht als entgangener Gewinn angesehen wird, wenn der Geschädigte bereits eine rechtlich gesicherte Position (etwa aus Vertrag oder aus einer bestimmten, bindenden Offerte) hatte (RS0111898 [T1]; RS0030082 [T5]). Nach der Rechtsprechung (RS0032927; RS0030452 [T4]) müsste eine im Verkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmende Gewinnchance zur Bejahung eines solchen positiven Schadens gegeben (gewesen) sein. In diesem Fall wird das Bestehen der Gewinnmöglichkeit im Verkehr als selbständiger Wert angesehen (RS0032927). Dass die konkrete Gewinnchance im Sinn eines Verdienstes, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre, bestand, hat ebenfalls der Geschädigte nachzuweisen (RS0030452 [T8]).
[9] 4.2. Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen, weil lediglich die – hypothetische – Kaufabsicht des Dritten, nicht aber ein bestimmtes, bindendes Vertragsanbot der Klägerin, festgestellt wurde. Da auch nicht feststeht, dass die Klägerin die Liegenschaft unter den von ihr vorzugebenden Auflagen veräußern hätte können, ist für die Klägerin auch aus der Entscheidung 7 Ob 102/71 nichts zu gewinnen.
[10] 5. Soweit die Beklagte den Ersatz des entgangenen Gewinns aufgrund eines groben Verschuldens der Beklagten begehrt, hat ihr bereits das Berufungsgericht das Neuerungsverbot entgegengehalten. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision aber nicht.
[11] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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