European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00054.18H.0927.000
Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.644,67 EUR (darin 274,11 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Bestimmung des § 34 Abs 1 ZaDiG, insbesondere zur Frage, wie die Formulierung „… in der zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister vereinbarten Form und Verfahren ...“ in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte, Fassung August 2013, Allgemeiner Teil, Punkte I.B.1.Z 3. (2) und (3), zu verstehen sei, keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege. Die Revisionswerberin setzt sich in ihrem Rechtsmittel mit dieser Frage inhaltlich nicht näher auseinander und macht auch keine andere Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend. Darauf weist auch die Revisionsgegnerin in ihrer Revisionsbeantwortung hin.
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
I. 1. Mit 1. 6. 2018 ist das Zahlungsdienstegesetz 2018 (ZaDiG 2018), BGBl I 2018/17, in Kraft (§ 119 Abs 1 ZaDiG 2018) und mit Ablauf des 31. 5. 2018 das Zahlungsdienstegesetz – ZaDiG, BGBl I 2009/66, außer Kraft getreten (§ 120 ZaDiG 2018). Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück. Eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung (vgl RIS-Justiz RS0015520) sieht das ZaDiG 2018 nicht vor. Da auch der besondere Charakter der – für die Beurteilung des konkreten Falls relevanten – zwingenden Normen (vgl § 55 Abs 2 ZaDiG 2018) deren rückwirkende Anordnung auch nicht verlangt, ist der vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen endgültig abgeschlossene Sachverhalt nach dem ZaDiG, BGBl I 2009/66 in der damals geltenden Fassung (in der Folge kurz ZaDiG), zu beurteilen (9 Ob 48/18a mwN).
2. § 44 Abs 1 ZaDiG sieht eine grundsätzlich verschuldensunabhängige Haftung des Zahlungsdienstleisters für Zahlungsvorgänge vor, die vom Zahler nicht autorisiert waren. In diesen Fällen hat der Zahler gegenüber dem Zahlungsdienstleister einen Berichtigungs- oder Erstattungsanspruch.
3. Ein Zahlungsvorgang gilt nur dann als autorisiert, wenn der Zahler dem Zahlungsvorgang in der zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister vereinbarten Form und Verfahren (§ 28 Abs 1 Z 2 lit c) zugestimmt hat (§ 34 Abs 1 Satz 1 ZaDiG).
4.1. Aufgrund eines – nur scheinbar von der Klägerin stammenden – Telefax, in das ein Ausweis der Klägerin einkopiert worden war, auf dessen Foto sie nicht erkennbar war, und in dem (angeblich) die Klägerin der Beklagten den Auftrag erteilt hatte, ihrem Bekannten T. R., der sich nachträglich als Betrüger herausstellte, von ihrem Girokonto 25.000 EUR in bar auszuzahlen, führte die Beklagte diesen Auftrag am 17. 6. 2015 durch, nachdem der Nebenintervenient, Steuerberater der Klägerin, dieses Fax (ohne Sendekennung) erhalten und der Beklagten weitergeleitet hatte.
4.2. Das Berufungsgericht entgegnete der erstinstanzlichen Behauptung der Beklagten, sie sei jedenfalls berechtigt gewesen, einen mittels Telefax erteilten Auftrag der Klägerin durchzuführen, dass schon nach dem Wortlaut der AGB (Punkt I.B.1.Z 3. [2]) die Beklagte nur berechtigt sei, die dem Kreditinstitut mittels Telekommunikation erteilten Aufträge durchzuführen. Daher habe die Beklagte zwar die im Rahmenvertrag zwischen den Streitteilen vereinbarte Form für einen Zahlungsauftrag, nämlich jene mittels Telefax, eingehalten, nicht aber das vereinbarte Verfahren, nämlich die Übermittlung des Telefax von der Klägerin an die Beklagte.
4.3. Auf die in der Revision der Beklagten relevierte Frage, ob nach den AGB der Beklagten das Telefax eines Kunden tatsächlich direkt beim Bankinstitut einlangen müsse, kommt es hier nicht an. Im vorliegenden Fall stammte nämlich das Telefax, aufgrund dessen die Beklagte die Barauszahlung an T. R. vorgenommen hat, gar nicht von der Klägerin (sondern von einem Betrüger). Die Klägerin hat daher den konkreten Zahlungsvorgang gar nicht autorisiert.
5.1. Nach Punkt I.B.1.Z 3. (3) der AGB der Beklagten ist das Kreditinstitut (auch) berechtigt, Aufträge in jeglicher Form, die ihm im Rahmen der Geschäftsverbindung mit einem Unternehmer erteilt werden, auf dessen Rechnung durchzuführen, wenn es ohne Verschulden zur Ansicht kommt, dass sie von diesem stammen und der unwirksame Auftrag nicht dem Kreditinstitut zurechenbar ist.
5.2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts könne aber auch nach dieser Bestimmung in den AGB der Beklagten die Auszahlung nicht als von der Klägerin iSd § 34 Abs 1 ZaDiG autorisiert angesehen werden. Der Beklagten sei nämlich nicht der Beweis gelungen, dass sie ohne (leichtes) Verschulden zur Ansicht gelangt sei, der Fax-Auftrag habe von der Klägerin gestammt.
5.3. Die Beurteilung des Verschuldensgrades kann regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0087606 [T19]; RS0105331 [T6]). Eine gravierende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre, liegt hier nicht vor.
5.4. T. R. wurde am 17. 6. 2015, als die Beklagte an ihn die Barauszahlung vom Girokonto der Klägerin tätigte, bereits zum dritten Mal (zweimal zuvor erfolglos) beim selben Mitarbeiter der Beklagten wegen der Behebung des Geldbetrags vorstellig. Beim ersten Mal wollte T. R., ohne irgendeine schriftliche Autorisierung durch die Klägerin vorweisen zu können, den Geldbetrag beheben. Beim zweiten Mal, wenige Tage später, wies er ein Schreiben vor, in dem angeblich die Klägerin die Beklagte anwies, an ihn 25.000 EUR auszuzahlen; der Mitarbeiter der Beklagten verweigerte die Auszahlung aber wegen Zweifel an der Echtheit der Unterschrift der Klägerin. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich aufgrund dieser Umstände beim dritten Mal nicht damit begnügen dürfen, die auf dem Fax-Auftrag enthaltene und mit dickem Filzstift durchgeführte Unterschrift mit dem Unterschriftenprobeblatt der Klägerin zu vergleichen, zumal die Unterschrift auf dem Fax-Auftrag jener Unterschrift, welche auf dem einkopierten Ausweis der Klägerin enthalten war, nicht ähnlich gewesen sei, sodass die Beklagte zumindest hätte versuchen müssen, mit der Klägerin telefonisch Kontakt aufzunehmen, ist nicht unvertretbar.
6. Die Bejahung des mit der Klage verfolgten Berichtigungsanspruchs nach § 44 Abs 1 ZaDiG über 25.000 EUR ist daher nicht zu beanstanden.
II. 1. Richtig ist, dass der Zahler dem Zahlungsdienstleister nach Maßgabe des § 44 Abs 2 und 3 ZaDiG schadenersatzpflichtig wird, wenn ihn ein Verschulden am Missbrauch trifft. Beruhen nicht autorisierte Zahlungsvorgänge auf der missbräuchlichen Verwendung eines Zahlungsinstruments, ist der Zahler seinem Zahlungsdienstleister dann zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der diesem infolge des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn er ihn in betrügerischer Absicht ermöglicht hat oder durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer oder mehrerer Pflichten gemäß § 36 ZaDiG (§ 44 Abs 2 Z 1 ZaDiG) oder einer oder mehrerer vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsinstruments (§ 44 Abs 2 Z 2 ZaDiG) herbeigeführt hat.
2. Gemäß § 36 Abs 1 ZaDiG hat der Zahlungsdienstnutzer ua unmittelbar nach Erhalt des Zahlungsinstruments alle ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale und das Zahlungsinstrument vor einem unbefugten Zugriff zu schützen. Gemäß Punkt I.E.2.Z 15 der AGB der Beklagten haften Unternehmer für Schäden, die dem Kreditinstitut aus der Verletzung dieser Sorgfaltspflichten entstehen, bei jeder Art des Verschuldens betraglich unbegrenzt.
3. Die Beklagte hat der Klägerin im Verfahren ein erhebliches Mitverschulden am Missbrauch des vereinbarten Zahlungsinstruments vorgeworfen, weil die Klägerin dem Anweisungsauftrag als weiteres personalisierendes Merkmal ihren Personalausweis aufkopiert habe bzw nicht plausibel erklären habe können, wie ihre Ausweiskopie auf den Auftrag gekommen sei.
4. Das Berufungsgericht hat auch eine bloß leicht fahrlässige Verletzung einer nebenvertraglichen Schutzpflicht durch die Klägerin verneint. Der Auszahlungsauftrag habe nicht von der Klägerin gestammt. Dass T. R., ursprünglich noch eine Vertrauensperson der Klägerin, in deren Wohnung gewohnt und damit Zugang zu ihrem Ausweis gehabt habe, könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Die Frage der Fahrlässigkeit würde sich erst stellen, wenn die Klägerin ihrem Bekannten T. R. von ihr blanko unterfertigte Blätter überlassen hätte. Dies habe aber die Beklagte gar nicht behauptet.
5. Diese Beurteilung ist aufgrund der besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls ebenfalls nicht zu beanstanden. Soweit die Revisionswerberin ihren dagegen gerichteten Ausführungen zugrunde legt, dass die Klägerin „wahllos“ Unterschriften geübt habe, diese T. R. zur Verfügung gestanden seien bzw die Klägerin diese Unterschriften sogar T. R. zur Verfügung gestellt habe, finden diese Behauptungen weder Deckung im festgestellten Sachverhalt noch im erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten. Lediglich zur Begründung einer Anscheinsvollmacht – darauf kommt die Beklagte in ihrer Revision allerdings nicht mehr zurück – stützte sich die Beklagte darauf, dass die Klägerin auf leeren Blättern ihre Unterschrift geübt habe. Abgesehen davon steht nicht fest und behauptete dies die Beklagte auch gar nicht, dass dies kausal für die Auszahlung des Geldbetrags an T. R. gewesen wäre.
6. Da die Vorinstanzen der Klägerin somit vertretbar kein Mitverschulden an der – von T. R. betrügerisch herausgelockten – Auszahlung des Betrags von 25.000 EUR von ihrem Girokonto durch die Beklagte angelastet haben, wurde schon aus diesem Grund die entsprechend darauf gestützte Gegenforderung der Beklagten zutreffend als nicht zu Recht bestehend erkannt. Auf die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts, ob die dem Zahlungsdienstnutzer nach § 36 Abs 1 ZaDiG auferlegte Schutzpflicht überhaupt das personalisierte Sicherheitsmerkmal der eigenhändigen Unterschrift umfasse, musste daher hier nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
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