OGH 9Ob53/12b

OGH9Ob53/12b21.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Pacher & Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei H***** D***** P*****, vertreten durch Dr. Christian Riesemann, Rechtsanwalt in Graz, wegen 24.888,95 EUR sA, über Revision und Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. November 2010, GZ 2 R 171/10z-23, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. August 2010, GZ 11 Cg 9/09f-19, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die ordentliche Revision und der Rekurs wurden im Wesentlichen zur Frage der Haftung des Geschäftsherrn für vorsätzliches Verhalten des Gehilfen in den Fällen der Kreditvermittlung zugelassen. Dem schloss sich der Revisionswerber mit der Begründung an, dass es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fraglich sei, ob der Geschäftsherr bei vorsätzlicher Schädigungsabsicht des Erfüllungsgehilfen eine Haftung zu vertreten habe. Dem gegenüber bestritt die Revisionsgegnerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision bzw des Rekurses an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO und § 519 Abs 2 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1, § 526 Abs 2 ZPO). Die Revision bzw der Rekurs sind nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die im Revisions- und Rekursverfahren strittige Frage der Haftung des Geschäftsherrn für das vorsätzliche Verhalten seines Gehilfen kann auf Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision und des Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4, § 528a ZPO).

1. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Schuldner (Geschäftsherr) auch für vorsätzlich unerlaubte Handlungen seines Erfüllungsgehilfen einzustehen, wenn ein innerer Sachzusammenhang der schädigenden Handlung und der Vertragserfüllung besteht (RIS-Justiz RS0028626), das Delikt also im Pflichtenkreis des Geschäftsherrn gesetzt wurde (RIS-Justiz RS0028691), nicht aber wenn die Handlung des Gehilfen aus dem Rahmen der Interessenverfolgung des Geschäftsherrn herausfällt (RIS-Justiz RS0028499). Es wird danach unterschieden, ob die Zufügung eines Schadens durch den Erfüllungsgehilfen „bei“ der Erfüllung der Vertragsverbindlichkeiten oder „bloß“ gelegentlich (anlässlich) der Erfüllung erfolgt. Ob ein Erfüllungsgehilfe in Ausführung oder nur gelegentlich der Erfüllung gehandelt hat, richtet sich danach, wie weit die Schutz- und Sorgfaltspflichten des Schuldners im konkreten Einzelfall gingen und wie weit deshalb im deliktischen Verhalten des Erfüllungsgehilfen ein Verstoß gegen die dem Schuldner obliegenden vertragsspezifischen Pflichten zu erblicken ist (RIS-Justiz RS0028626, RS0028429, RS0028499, RS0028425, RS0028691).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass der Geschäftsherr für das deliktische Verhalten des Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, wenn das Delikt nicht außerhalb des vom Geschäftsherrn übernommenen Pflichtenkreis liegt und eine typisch nachteilige Folge darstellt, mit der bei Einsatz eines Gehilfen im Allgemeinen gerechnet werden muss (RIS-Justiz RS0028517, RS0028483). Mit dieser Haftungsbegrenzung soll eine uferlose, unbegrenzte Haftung des Geschäftsherrn für Delikte seiner Gehilfen vermieden werden (3 Ob 283/06y).

2.1 Im vorliegenden Fall bestand die Hauptleistungspflicht des Beklagten darin, der Klägerin Kreditgeschäfte zu vermitteln. Geschuldet wurde die Namhaftmachung eines Interessenten. Wenn nun der Gehilfe des Beklagten, dessen er sich zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit bedient, einen gar nicht existenten Interessenten namhaft macht, so steht außer Zweifel, dass dadurch die Hauptleistungspflicht des Beklagten verletzt wird.

2.2 Gerade die Anbahnung und der Abschluss von Finanzierungsgeschäften stellt einen Bereich des Geschäftslebens dar, dem die Gefahr, dass dem Kreditgeber durch unrichtige Angaben in den Kreditunterlagen etwa über die Person des Kreditnehmers ein Schaden entsteht, immanent ist. Dies kann daher durchaus als typisches Risiko bezeichnet werden.

Der Beklagte, der sich eines Gehilfen bei der Vermittlung des Kreditgeschäfts bediente, indem er es ihm überließ, Interessenten namhaft zu machen und Vertragsformulare auszufüllen, die er sodann an die Klägerin weiterleitete, muss es also gegen sich gelten lassen, wenn sein Gehilfe die Kreditunterlagen unrichtig ausfüllte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dies gelte auch dann, wenn der Gehilfe dabei die Klägerin täuschte und einen ihr unterlaufenen Irrtum insbesondere über die Existenz einer Person als rückzahlungswilligen und -fähigen Kreditnehmer veranlasste, hält sich im Rahmen der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur.

3. Ob im Einzelfall das Unterlassen an sich gebotener Vorgänge eine Sorgfaltswidrigkeit in eigenen Sachen iSd § 1304 ABGB begründet, ist von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0087606). In der Auffassung des Berufungsgerichts, ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin durch fahrlässiges Unterlassen noch weitergehender Überprüfungen der Kreditunterlagen trete gegenüber dem arglistigen Verhalten des Gehilfen zurück, das der Beklagte zu verantworten habe, kann keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden.

4. Das Berufungsgericht ging damit im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung von der Haftung des Beklagten aus. Um die Höhe des Schadenersatzanspruchs der Klägerin abschließend beurteilen zu können, erachtete es den festgestellten Sachverhalt als nicht ausreichend. Ob eine derartige Verbreiterung der Sachverhaltsbasis notwendig ist, kann vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden. Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die den Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig - was hier hinsichtlich der Voraussetzungen der Haftung des Beklagten der Fall ist - kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzungen tatsächlich notwendig sind (RIS-Justiz RS0042179; RS0043414 [T8]; RS0113643 [T2]).

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO. Die Klägerin hat inhaltlich auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel des Beklagten hingewiesen. Mit dem Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 2 ZPO war vorzugehen, weil die Kostenentscheidung im Revisions- und Rekursverfahren vom Ergebnis der Hauptsachenentscheidung abhängt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte