OGH 9Ob28/15f

OGH9Ob28/15f24.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Landl + Edelmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Vöcklabruck, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Eckhard Pitzl und Dr. Gerhard W. Huber, Rechtsanwälte in Linz, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Christine Schauer, Dr. Martin Eberl und Heinz Baumgartner, Rechtsanwälte in Landshut und dem Einvernehmensanwalt Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 36.956 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Februar 2015, GZ 6 R 26/15h‑79, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. November 2014, GZ 5 Cg 117/12v‑72, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00028.15F.0624.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.157,59 EUR (darin 359,60 EUR USt) sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Beurteilung der Zurechnung des Verhaltens des Produzenten an den Händler eine Verbreiterung der höchstgerichtlichen Judikatur wünschenswert sei. Dem schloss sich die Revisionswerberin zwecks Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen sei. Demgegenüber bestritten die Revisionsgegnerin und Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragten die Zurückweisung der Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

1. Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Händler ‑ und dem grundsätzlich gleichgestellt der Werkunternehmer ‑ dem Käufer gegenüber nur für die Erfüllung der ihn selbst treffenden Pflichten, wie die Auswahl eines geeigneten Erzeugnisses, einwandfreier Lagerung der Ware, Hinweis auf Gefahren oder ordnungsgemäße Verpackung. Er haftet jedoch nicht für jedes Verschulden des Produzenten, weil der Erzeuger in der Regel nicht als Erfüllungsgehilfe des Händlers anzusehen ist (2 Ob 234/12v; 7 Ob 97/14w ua; RIS‑Justiz RS0022662; RS0022902).

2. Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB ist, wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Normzweck dieser Bestimmung ist es, dass der, der den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, auch das Risiko tragen soll, dass an seiner Stelle der Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt. Maßgebend ist, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, das heißt, ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners bei der von diesem veranlassten Erfüllung eigener Vertragspflichten und damit in seinen Risikobereich einbezogen war (9 Ob 69/13g ua; RIS‑Justiz RS0028606; RS0028425). Entscheidend ist also zunächst, welche konkreten Leistungspflichten bzw Schutz‑ und Sorgfaltspflichten der Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner übernommen hat (8 Ob 53/14y ua; zum Werkvertrag vgl 9 Ob 69/13g mwN und RIS‑Justiz RS0118512 [T4]; Burtscher, Der Erfüllungsgehilfenbegriff im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, ÖJZ 2014/155 [1057, 1059, 1061]). Diese Frage kann aber immer nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gelöst werden, weshalb sie regelmäßig ‑ von einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt (vgl 9 Ob 69/13g ua).

3. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bei der beklagten Händlerin Funkfernsteuerungen für ihre Kürbiskernerntemaschinen gekauft. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine bloße Warenbestellung, wie sie etwa der Entscheidung 2 Ob 10/10z zugrunde liegt, sondern Mitarbeiter der Klägerin und der Beklagten haben zuvor gemeinsam die spezielle Ausgestaltung der Funkfernsteuerungen erarbeitet, um sie den individuellen Anforderungen der Klägerin anzupassen. Noch vor Bestellung der Ware durch die Klägerin wurde von der Produzentin, der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagen, eine Machbarkeitsprüfung durchgeführt und entsprechend dem von der Beklagten der Produzentin bekannt gegebenen individuellen Anforderungsprofil der Klägerin für den ausschließlichen Einsatz in den Kürbiskernerntemaschinen der Klägerin eine Modellfunkfernsteuerung hergestellt. Erst nachdem diese von (den Kunden) der Klägerin für in Ordnung befunden worden war, bestellte die Klägerin bei der Beklagten mehrere speziell für ihren Einsatzzweck konfigurierte Funkfernsteuerungen. Die Beklagte kaufte dann exakt diese speziellen Waren ihrerseits von der Produzentin.

4. Die übereinstimmende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, die Produzentin sei aufgrund der besonderen konkreten Fallgestaltung als Erfüllungsgehilfin der beklagten Händlerin anzusehen, weil die spezielle Konfiguration der Funkfernsteuerung für den bestimmten Einsatz bei den von der Klägerin vertriebenen Kürbiskernerntemaschinen eine nicht wegzudenkende Stufe im Fertigungsprozess sei und sich die Beklagte zur Durchführung einer Machbarkeitsstudie der Produzentin bedient habe, ist ‑ auch im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen (etwa 1 Ob 147/05g) ‑ vertretbar. Die Beklagte hatte sich nämlich letztlich vertraglich zur Lieferung einer speziell für den konkreten Einsatzzweck der Klägerin konfigurierten Funkfernsteuerung verpflichtet. Für die Erfüllung dieser Vertragspflicht hat sie die Produzentin der Funkfernsteuerungen einbezogen, indem sie ‑ im Wege der Klägerin ‑ schon vor dem Kauf die Funktionsfähigkeit der Funkfernsteuerungen einer Überprüfung durch die Kunden der Klägerin unterziehen ließ.

Die Ausführungen von Burtscher (Der Erfüllungsgehilfenbegriff im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, ÖJZ 2014/155) sprechen nicht gegen dieses Ergebnis, sondern unterstreichen nur die Bedeutung der konkreten Vertragsgestaltung im Einzelfall.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin und die Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin haben auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979). Da der Klägerin lediglich zwei Gegner gegenüberstehen, gebührt nur ein Streitgenossenzuschlag von 10 % (§ 15 RATG).

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