OGH 9Ob186/02x

OGH9Ob186/02x2.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ.Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) Vojislav J*****, Automechaniker, 2) Milka J*****, Bedienerin, beide*****, beide vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 70.442,52 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2002, GZ 11 R 7/02h-29, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine derartige Rechtsfrage wird von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt:

Die Klägerin begehrt den Klagebetrag mit der Behauptung, sie habe den Kauf näher bezeichneter Liegenschaftsanteile durch die Beklagten finanziert, der jedoch mangels grundverkehrsbehördlicher Genehmigung unwirksam gewesen sei. Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen bestand zwischen Mitarbeitern der S*****, einer unstrittig im Vorfeld der Klägerin agierenden Tochtergesellschaft, und Mitarbeitern der Sa*****, die gegenüber den Beklagten als Verkäuferin der vorgenannten Liegenschaftsanteile auftrat, im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung ein "eingespieltes Verfahren" betreffend die Vermittlung von Finanzierungen der Klägerin durch die Sa***** hinsichtlich von Wohnungen (bzw Liegenschaftsanteilen), die von letzterer an Dritte verkauft wurden. Die auf Provisionsbasis agierende Sa***** brachte jeweils die erforderlichen Unterlagen der Wohnungskäufer und Kreditwerber bei, sodass die S***** die Kunden nur mehr in den seltensten Fällen zu Gesicht bekam. Auf diese Weise wurden von der Klägerin innerhalb nur eines Jahres etwa 100 Kaufverträge der Sa***** und anderer Unternehmen des "Firmengeflechts", dem die Sa***** angehörte, finanziert. Bedient sich der Finanzierer - wie im vorliegenden Fall - des Verkäufers als seiner Hilfsperson bei der Anbahnung eines Finanzierungsvertrages, indem er ihm etwa die entsprechenden Vertragsformulare übergibt und ihn ermächtigt, den Käufer zu ihrer Ausfüllung zu veranlassen und sie sodann zur Weiterleitung an den Finanzierer zu übernehmen, muss er es auch gegen sich gelten lassen, wenn der Verkäufer in dieser Eigenschaft den Käufer bei der Ausfüllung des Kreditantrages arglistig täuscht, einen dem Käufer unterlaufenen beachtlichen Irrtum veranlasst oder ihm ein solcher Irrtum erkennbar war (Schwimann/Binder, ABGB² § 1063 Rz 15 mwN; SZ 58/183; RIS-Justiz RS0014806 ua). Dadurch, dass die Klägerin den Vertrieb der Finanzierung, der mit dem Liegenschafts-/Wohnungserwerb gekoppelt war, im Falle der Beklagten zur Gänze in die Hände der Sa***** gelegt hat, übernahm sie das Risiko mangelnder Kontrolle bei der Anbahnung des Kreditvertrages (vgl P. Bydlinski, ÖBA 1995, 23). Die Klägerin hat sich das Verhalten der Sa***** als das eines Verhandlungsgehilfen (über § 1313a ABGB), der die Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen in mehrfacher Weise arglistig getäuscht hat, zurechnen zu lassen (F. Bydlinski in Klang IV/2² 440; SZ 33/123; RIS-Justiz RS0016200). Derjenige, dessen sich der (spätere) Vertragspartner bei den Vertragsverhandlungen als Hilfsperson bedient, ist nicht Dritter iS des § 875 ABGB (ÖBA 1996/546 [Apathy]; RIS-Justiz RS0016309, RS0016310, RS0016311, RS0016314 ua). Der Finanzierer muss auch dann eine Anfechtung des Kreditvertrages wegen eines Willensmangels hinnehmen, wenn er von der durch den Verhandlungsgehilfen bewirkten Täuschung, Drohung oder Irreführung gar nichts wusste (F. Bydlinski in Klang IV/2² 441; ÖBA 1996/546 [Apathy]; RIS-Justiz RS0014806). Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätten die Beklagten den gegenständlichen Darlehensvertrag mit der Klägerin nicht abgeschlossen.

Richtig ist, dass derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, den durch seine Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt seiner Erklärung macht, auch wenn er ihm unbekannt ist oder er ihn nicht verstanden hat. Das schließt aber eine Anfechtung wegen Irrtums oder Arglist keineswegs aus. Der Irrende kann die Erklärung vielmehr unter den gleichen Voraussetzungen anfechten wie eine ausdrücklich abgegebene oder eine schriftliche Erklärung nach Durchlesen der Urkunde (SZ 58/183; RIS-Justiz RS0014753).

Dass das Berufungsgericht in anderen Fällen der Klägerin, denen andere Feststellungen zugrundelagen, zu abweichenden Ergebnissen kam, begründet keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO. Aus der Begründung der Zurückweisung der außerordentlichen Revision durch den Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 158/01v ist zu ersehen, dass der dort beurteilte Fall - nicht nur von den Feststellungen, sondern auch vom Prozessvorbringen her - anders gelagert war. Aus dem dortigen Resümee, dass nicht zu ersehen gewesen sei, inwieweit die Klägerin Aufklärungs- oder Sorgfaltspflichten, die grundsätzlich nicht überspannt werden dürfen, verletzt haben könnte, ist daher für den Standpunkt der Revisionswerberin im gegenständlichen Verfahren nichts zu gewinnen, insbesondere auch keine erhebliche Rechtsfrage abzuleiten.

Die Klägerin stützte ihre Klageforderung zuletzt auch auf (ungerechtfertigte) Bereicherung der Beklagten, weil diese mit dem Darlehen der Klägerin eine andere Wohnung als ursprünglich geplant erworben hätten (AS 127). Eine erhebliche Rechtsfrage erblickt sie darin, dass es zu diesem bereicherungsrechtlichen Problem (gemeint: Rückabwicklung bei Scheitern eines drittfinanzierten Kaufes) keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes gebe. Auf die Frage, ob ein allfälliger Bereicherungsanspruch des Finanzierers bei der gegenständlichen Konstellation der Abwicklung der Kreditsumme bloß auf Abtretung der dem Käufer gegen den Verkäufer zustehenden Ansprüche (vgl SZ 60/129) oder in eine andere Richtung geht, kommt es allerdings entgegen der Annahme der Revisionswerberin nicht an, weil schon ihre Prämisse, dass die Beklagten deshalb bereichert seien, weil sie mit dem Geld der Klägerin immerhin eine Wohnung, wenn auch nicht jene, die von der Klägerin finanziert werden sollte, erworben hätten, nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht zutrifft. Richtig ist, dass es eine Entscheidung gibt, wonach die formularmäßige Bestimmung, nach der der Darlehensnehmer, der den Ankauf einer Liegenschaft finanzieren will, für die Rückzahlung der dem Treuhänder ausgefolgten Darlehenssumme haftet, wenn dieser weder den Eigentumserwerb des Darlehensnehmers an der Liegenschaft und die Bestellung der Hypothek für den Darlehensgeber nachweist, noch den Treuhandbetrag zurückzahlt, im Allgemeinen keine ungewöhnliche Bestimmung iS des § 864a ABGB und auch nicht gröblich benachteiligend ist (JBl 1986, 508). Aber auch hieraus ist für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts zu gewinnen, weil in der Auffassung des Berufungsgerichtes, die Mithaftungserklärung der Beklagten im Falle treuwidrigen Verhaltens des Treuhänders sei zufolge arglistiger Irreführung der Beklagten durch den Handlungsgehilfen der Klägerin ebenso unwirksam wie alle sonstigen Vereinbarungen, keine unvertretbare rechtliche Beurteilung zu erblicken ist, die eine erhebliche Rechtsfrage begründen könnte. Die genannte Vertragsklausel kommt daher nicht zum Tragen.

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