OGH 9Ob154/03t

OGH9Ob154/03t21.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmtraud S*****, Angestellte, *****, vertreten durch Zamponi - Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, gegen die beklagte Partei Gerhard ***** S*****, Geschäftsführer, *****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 14. Juli 2003, GZ 21 R 220/02f-114, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung kann sich eine Partei auf eine Verletzung der Vorschriften der §§ 321, 323 und 324 ZPO nur berufen, wenn sie den Vorgang im Sinne des § 196 ZPO gerügt hat (1 Ob 270/98g; 8 Ob 214/97x; Ris-Justiz RS0037160). Die Rüge ist allerdings verspätet, wenn sich die zur Beschwerdeführung berechtigte Partei, ohne die Rüge auszusprechen, in die weitere Verhandlung eingelassen hat, obwohl ihr die Verletzung bekannt war oder bekannt sein musste. In die weitere Verhandlung eingelassen hat sich die Partei jedenfalls dann, wenn sie nach Feststellung der Verletzung der Verfahrensvorschrift in anderer Weise als durch Rüge tätig wird (Fasching/Konecny II² § 196 ZPO Rz 4). Ob eine Partei die Verletzung einer Verfahrensvorschrift (rechtzeitig) gerügt hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigt. Von einer krassen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz kann aber hier nicht die Rede sein, zumal das Berufungsgericht zu Recht darauf verwiesen hat, dass der Beklagte die Aussageverweigerung des von ihm beantragten Zeugen nicht nur in seinen der Vernehmungstagsatzung folgenden Schriftsätzen, sondern vor allem auch während des Verlaufes der darauf folgenden (letzten) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung (zunächst) nicht gerügt hat; erst unmittelbar vor Schluss der Verhandlung hat er dieses Thema angesprochen aber auch nunmehr nur erklärt, seinen Antrag auf Einvernahme des Zeugen - so wie andere Beweisanträge - aufrecht zu erhalten.

Auf die Frage, ob die Aussageverweigerung berechtigt erfolgt ist, ist daher nicht mehr einzugehen.

Die Einholung eines graphologischen Gutachtens zur Frage, ob die Klägerin drei Belege ergänzt hat, hat das Berufungsgericht als nicht notwendig erachtet und dies damit begründet, dass sich selbst im Falle der Erweislichkeit dieses Vorwurfs am Alleinverschulden des Beklagten nichts ändern würde. Diese Beurteilung betrifft ebenfalls eine Frage des Einzelfalls, die - zumal von einer unvertretbaren Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz nicht die Rede sein kann - nicht revisibel ist. Gleiches gilt für die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Relevanz der Frage, ob der Beklagte der Klägerin einzelne Haare oder ein Haarbüschel ausgerissen hat. Soweit der Beklagte von einer "Wiederaufnahme" ehewidriger Beziehungen der Klägerin Ende des Jahres 2000 spricht, entfernt er sich von den Feststellungen der Vorinstanzen, die die Behauptung, die Klägerin habe (vorher) ehewidrige Beziehungen zu dem in Rede stehenden Mann unterhalten, als widerlegt betrachteten. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass eine ehewidrige Beziehung der Klägerin Ende des Jahres 2000 auf das Ergebnis des Verfahrens keinen Einfluss mehr hätte, ist keineswegs unvertretbar. Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang von einem "absoluten" Scheidungsgrund spricht, übersieht er, dass diese Qualifizierung des Ehebruchs spätestens seit dem EheRÄG 1999 nicht mehr zutrifft (näher Stabentheiner in Rummel, ABGB 2/4³ § 49 EheG Rz 3). (Jedenfalls) seither ist klargestellt, dass dem Ehebruch bei der Verschuldensabwägung nicht zwangsläufig höheres Gewicht beizumessen ist als anderen Eheverfehlungen, sondern dass auch insoweit die allgemeinen Grundsätze über die Beurteilung des beiderseitigen Verhaltens gelten. Dass unter den hier gegebenen Umständen einem allfälligen ehewidrigen Verhalten der Klägerin Ende des Jahres 2000 kein relevantes Gewicht mehr zukommt (das Scheidungsverfahren, das gravierende und über einen langen Zeitraum gesetzte Eheverfehlungen des Beklagten erwies, läuft seit 1997), ist jedenfalls keine die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende Fehlbeurteilung. Auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Zeitpunkt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe vermag der Revisionswerber keine Fehlbeurteilung der zweiten Instanz aufzuzeigen, die die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte. Gleiches gilt zur Frage der behaupteten Verfristung der Eheverfehlungen des Beklagten. Das dazu erstattete Vorbringen erschöpft sich im Wesentlichen in einer Verneinung der rechtlichen Beurteilung des konkreten Einzelfalls durch die zweite Instanz, die in keiner Weise geeignet ist, die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision zu rechtfertigen.

Die geltend gemachte Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wegen der Unterlassung der neuerlichen Einvernahme des zur letzten Verhandlung trotz Ladung nicht erschienenen Beklagten hat die zweite Instanz verneint. Der Revisionswerber kann diesen Umstand daher in dritter Instanz nicht mehr geltend machen.

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