OGH 1Ob270/98g

OGH1Ob270/98g15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei R***** reg. Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Mag. Harald L*****, und 2. Ing. Bruno B*****, vertreten durch Steinacher & Hammerer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwerte 1. 225.000 S und 2. 150.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom 6. Mai 1998, GZ 2 R 247/97z und 2 R 262/97f-17, womit die Urteile des Landesgerichts Salzburg vom 18. August 1997 und 8. September 1997, GZ 3 Cg 259/96-11 und 3 Cg 258/96i-11, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Soweit sich die Wiederaufnahmeklagen auf Wolfgang R***** als neues Beweismittel stützen, werden die Urteile der Vorinstanzen aus Anlaß der Revision aufgehoben.

Die Wiederaufnahmeklagen werden in diesem Umfang zurückgewiesen. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen bleiben unberührt.

2. Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

3. Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten erwarben 1988 bzw 1987 Hausanteilsscheine einer Immobilienbeteiligungsgesellschaft um 206.000 S bzw 412.000 S und finanzierten diese Anlagegeschäfte mit Krediten der klagenden Partei von 225.000 S bzw 450.000 S. In Vorprozessen, die seit dem 1. März 1993 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden waren, deren Verbindung jedoch vor der Urteilsfällung wieder aufgehoben wurde, begehrten die nunmehrigen Beklagten als Kläger hilfsweise unter anderem die Feststellung, die dort beklagte und hier klagende Partei habe ihnen alle Schäden aus den Kreditverträgen zur Anschaffung von Hausanteilsscheinen und den zur Besicherung abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen zu ersetzen. Das Feststellungseventualbegehren des Zweitbeklagten bezog sich ferner auf den Ausspruch einer Haftung "für allfällige dem Finanzamt zu leistende Steuerrückzahlungen". Die Beklagten brachten dort als Feststellungskläger im wesentlichen vor, ihre Prozeßgegnerin habe bereits seit 1983 über die prekäre wirtschaftliche Lage des Konzerns und die Konkursreife einer Gesellschaft, die die Erfüllung von Verbindlichkeiten aus den Beteiligungsgeschäften garantiert habe, Bescheid gewußt. Die Prozeßgegnerin und zwei andere Salzburger Großbanken hätten den Konzerngesellschaften Mitte der achtziger Jahre zur Vermeidung deren wirtschaftlichen Zusammenbruchs ein Moratorium - über Schulden von mehreren 100 Mio S - gewährt und einen Zinsenverzicht bis 1985 erklärt. Über diese Umstände hätte sie die Prozeßgegnerin vor Abschluß der Kreditverträge aufklären müssen. Die Verletzung dieser Pflicht begründe Schadenersatzansprüche in Höhe des negativen Vertragsinteresses.

Diesen Feststellungsbegehren wurde rechtskräftig stattgegeben. Im Hauptprozeß des nunmehrigen Erstbeklagten wurde über das Klagebegehren in letzter Instanz vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 540/95 (= SZ 68/77), im Hauptprozeß des nunmehrigen Zweitbeklagten dagegen vom Oberlandesgericht Linz in der Entscheidung 2 R 131/95 in Übernahme der zuvor vom erkennenden Senat im Parallelverfahren dargelegten Rechtsansicht erkannt. Die haftungsbegründenden Tatsachen können im einzelnen der zitierten und veröffentlichten Entscheidung des erkennenden Senats entnommen werden. Die maßgeblichen Urteile wurden der hier klagenden Partei am 31. Mai 1995 (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs) und am 7. Februar 1996 (Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz) zugestellt.

Die klagende Partei begehrte in den am 18. Oktober 1996 eingebrachten und auf den Wiederaufnahmegrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützten Klagen die Aufhebung der Urteile der Vorprozesse und die Abweisung der dargestellten Feststellungsbegehren. Sie brachte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - vor, einer der maßgeblichsten Konzernmanager habe am 23. September 1996 als Angeklagter im Strafverfahren ausgesagt, es habe "keine konzertierte Aktion" mehrerer Banken und "damit kein Bankenmoratorium" gegeben. Unrichtig sei deshalb auch, eine 1983/84 drohende Insolvenz habe nur durch ein "Bankenmoratorium" abgewendet werden können. Die "gemeinnützige W..."

sei ein "gutflorierendes Unternehmen gewesen und habe "bei den Banken keinerlei Probleme" gehabt. Auch "die Unternehmensgruppe" habe 1983/84 ein "positives Bilanzergebnis" und "keine existenzbedrohenden Schwierigkeiten" gehabt. Gelegentliche Gespräche mit einem Wirtschaftsprüfer hätten ergeben, daß - sogar noch zum Stichtag 31. Dezember 1988 - "alles bestens" gewesen und die für die "I...

erforderliche Werthaltigkeit gegeben" sei, sodaß jener der "I... AG

für alle in Betracht kommenden Jahre den uneingeschränkten

Bestätigungsvermerk erteilt" habe. Das Geschäftsjahr 1988 sei sowohl

für die "gemeinnützige W... als auch für die frei finanzierte äußerst

erfolgreich verlaufen". In Schriftsätzen vom 4. Juli 1997 (Einlangen bei Gericht), deren mündlicher Vortrag im Verhandlungstermin vom 14. Juli 1997 erfolgte, behauptete die klagende Partei ferner, von den Rechtsansichten des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Linz in den Entscheidungen 1 Ob 540/95 und 2 R 131/95 in Verletzung der in Art 6 EMRK und § 182 ZPO geregelten Verfahrensgrundsätze überrascht worden zu sein. Ihr sei "ganz einfach über die Geschäftsgebarung" besonders der konkreten Beteiligungsgesellschaft "nichts bekannt" gewesen und es habe an Feststellungen über Geschäftsbeziehungen mit den "I...-Gesellschaften" im Giro- bzw Kreditverkehr gefehlt. Wäre ihr "die entscheidungswesentliche Frage 'Aufklärungspflicht ja oder nein'" bewußt geworden, hätte sie bereits in den Hauptprozessen einen bestimmten Expolitiker des Landes Salzburg als Zeugen zum Beweis dafür beantragt, daß dieser an keinen "Gesprächen mit Vertretern der drei Salzburger Banken" in der maßgeblichen Angelegenheit teilgenommen habe und diesem überdies derartige Gespräche mit "anderen Spitzenpolitikern des Landes" unbekannt gewesen seien. Im bereits erwähnten Strafverfahren habe dieser Expolitiker in der Hauptverhandlung vom 9. Juni 1997 schließlich auch ausgesagt, von einer "konzertierten Aktion der drei Salzburger Banken" nichts gewußt zu haben. Seine Informationen hätten sich darauf beschränkt, daß eine der Banken - jedoch nicht die klagende Partei - ein "Arrangement mit der Unternehmensgruppe getroffen" habe. Er habe allerdings nicht gewußt, ob es dabei um "Stundungen bzw Sistierungen" gegangen sei. Es sei ihm aber insbesondere nichts "von einem Moratorium" bekannt gewesen. Dieser Expolitiker "respektive seine Aussage" (im Strafverfahren) werde als weiterer Wiederaufnahmegrund geltend gemacht.

Die Beklagten wendeten ein, der klagenden Partei wären die Beweismittel, auf die sich erst jetzt berufe, bereits in den Hauptprozessen zur Verfügung gestanden. Diese habe jenen Manager, den sie für eine der maßgeblichsten Personen im Konzern halte, zum einen nicht selbst als Zeugen beantragt, zum anderen nichts zur Erzwingung einer Aussage unternommen, obgleich das Landesgericht Salzburg im Hauptprozeß des nunmehrigen Erstbeklagten ausgesprochen habe, die Aussageverweigerung jenes Managers sei nicht gerechtfertigt. Seine späteren Aussagen als Angeklagter im Strafverfahren und in Zivilprozessen seien überdies ungeeignet, andere Sachentscheidungen herbeizuführen. Daß die Gerichte die klagende Partei in den Hauptprozessen mit überraschenden Rechtsansichten konfrontiert hätten, sei unzutreffend. Die klagende Partei hätte daher den Expolitiker schon in den Hauptprozessen als Zeugen beantragen können bzw müssen. Einer Aussage wie jener im Strafverfahren mangle ferner gleichfalls die Eignung für eine dem Prozeßstandpunkt der klagenden Partei günstige Änderung der Sachentscheidungen.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmeklagebegehren ab und traf dazu folgende Feststellungen:

Der "Hauptteil" des Beweisverfahrens der Hauptprozesse habe sich gerade auf jene Tatsachen bezogen, die für die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Linz maßgeblich gewesen seien. Der Erstrichter habe im Zuge des Beweisverfahrens mehrmals zum Ausdruck gebracht, daß er der "Dissens-Entscheidung" nicht folgen und keinen Irrtum der Kläger der Hauptprozesse habe erkennen können. Deren Chance, zu gewinnen, bestehe vielmehr in einem Nachweis der Verletzung einer Warnpflicht durch die Bank. Dazu sei von der Wiederaufnahmeklägerin in den Hauptprozessen auch Vorbringen erstattet worden.

Im Hauptprozeß des Erstbeklagten als Kläger habe jener Konzernmanager, auf dessen Wahrnehmungen sich die klagende Partei jetzt berufe, erklärt, in der Verhandlungstagsatzung vom 29. April 1992 aus prozeßtaktischen Erwägungen, nicht aussagen zu wollen, weil "alles, was mit dem sogenannten Imperium zusammenhänge, für ihn strafrechtliche und vermögensrechtliche Nachteile" verursachen könnte. Das sei sodann von ihm in einem Schriftsatz untermauert worden, worauf das Erstgericht diese generelle "Aussageverweigerung" mit Beschluß vom 5. Juni 1992 als "nicht rechtmäßig erkannt" und den Parteien gleichzeitig eine dreiwöchige Frist zur Bekanntgabe einer konkreten Fragenliste eingeräumt habe, um die Berechtigung einer Aussageverweigerung in der Folge zu jeder einzelnen Frage zu überprüfen. Der Erstbeklagte habe eine solche Fragenliste am 7. Juli 1992 bei Gericht eingebracht. Am selben Tag habe das Erstgericht den Parteien eine schriftliche Stellungnahme des Konzernmanagers, "generell zu keiner Aussage bereit zu sein", mitgeteilt und erklärt, es würden sich "unter diesen Umständen wahrscheinlich weitere Fragenlisten" erübrigen. Die eingebrachte Fragenliste sei dem Konzernmanager am 10. August 1992 mit dem Auftrag zur Abgabe einer Erklärung, wie weit er sich auf ein Recht zur Aussageverweigerung berufen wolle, vorgelegt worden. Danach habe er in einem Schriftsatz bekannt gegeben, "bei seiner generellen Aussageentschlagung" zu bleiben. Das Erstgericht habe ihn daraufhin zu einer Stellungnahme zu jeder einzelnen Frage schriftlich aufgefordert und ihm ferner mitgeteilt, es werde eine Aussageentschlagung nach einer solchen Stellungnahme "voraussichtlich weitgehend akzeptieren" können, was auch eine Ladung zum nächsten Verhandlungstermin entbehrlich machen könnte. In der Folge habe sich der Konzernmanager zu jedem einzelnen Punkt der Fragenliste auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, worauf die Parteien keine weiteren Schritte und vor allem nichts zur Erzwingung einer Zeugenaussage unternommen hätten.

Diesen Sachverhalt würdigte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht dahin, daß sich die Wiederaufnahmeklägerin in jenem Hauptverfahren, in dem der Konzernmanager vom dortigen Kläger als Zeuge beantragt worden sei, weder an dessen Befragung beteiligt noch Maßnahmen zur Durchsetzung seiner Zeugnispflicht ergriffen habe. Die unterbliebene Zeugeneinvernahme sei auch nicht im Rechtsmittelverfahren als Verfahrensmangel gerügt worden. Im zweiten Hauptprozeß habe die Wiederaufnahmeklägerin den Konzernmanager gleichfalls nicht als Zeugen beantragt, obgleich dessen entscheidene Rolle im Konzern schon seit 1989, dem Beginn des Strafverfahrens, bekannt gewesen sei. Die Wiederaufnahmeklägerin hätte daher wissen müssen, daß dieser Zeuge Kenntnisse über die Frage ihrer Zusammenarbeit mit dem Konzern, dessen finanzielle Lage, aber auch über die Moratoriumsfrage gehabt habe. Es habe für sie weiters kein Hindernis bestanden, den Expolitiker schon in den Hauptprozessen als Zeugen zu beantragen. Die Unterlassung der dort erforderlichen Prozeßhandlungen sei ihr als Verschulden anzulasten, weshalb eine Wiederaufnahme nicht in Betracht komme.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidungen. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 52.000 S, jedoch nicht 260.000 S übersteige und ließ die ordentliche Revision zunächst nicht zu. Später änderte es diesen Ausspruch ab und erklärte die ordentliche Revision doch für zulässig. Es trat der Ansicht der Wiederaufnahmeklägerin entgegen, sie habe der vom Erstbeklagten in einem der Hauptprozesse erstellten "Fragenliste" unter Zugrundelegung ihres eigenen Prozeßstandpunkts nichts hinzuzufügen gehabt. Dem widerspreche schon die Tatsache, daß die Darstellung eines bestimmten Bankdirektors vor einem Untersuchungsausschuß des Salzburger Landtags über "das sogenannte Moratorium" am 5. Juni 1992, als das Erstgericht den Beschluß über die Unrechtmäßigkeit der generellen Aussageverweigerung des Konzernmanagers gefaßt habe, bereits durch eine Zeugenaussage des ehemaligen Generaldirektors der klagenden Partei bestätigt gewesen sei. Bei Bedenken an der Richtigkeit dieser Aussagen wäre eine Konfrontation des Konzernmanagers damit naheliegend gewesen. Es lasse sich daher nicht die von der Wiederaufnahmeklägerin angestrebte Feststellung treffen, der erörterten "Fragenliste" sei nichts hinzuzufügen gewesen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Berufungsgericht ein Verschulden der Wiederaufnahmeklägerin im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO, weil sie im Hauptprozeß jene Personen, bei denen sie die Kenntnis der zu erweisenden Tatsachen habe voraussetzen müssen, nicht als Zeugen beantragt habe. Deren Ansicht, sie hätte den Konzermanager nicht selbst als Zeugen beantragen müssen, weil dieser in den Vorprozessen durch sein Erscheinen zum Verhandlungstermin am 29. April 1992 "gemeinsamer Zeuge" geworden sei, sei - entsprechend der ratio des § 345 Satz 2 ZPO, eine bereits begonnene, aber für den Prozeßstandpunkt des Antragstellers ungünstige Vernehmung nicht mehr "abwürgen" zu können -, zu erwidern, daß sie nichts unternommen habe, um eine Zeugenaussage zu den maßgeblichen Beweisthemen allenfalls doch noch zu erwirken. Entgegen deren Ansicht seien solche Versuche auch nicht von vornherein aussichtslos gewesen, weil nicht mit Sicherheit bejaht werden könne, dem Konzernmanager wäre zu allen Fragen "im Hinblick auf seine strafrechtliche Verfolgung ein Entschlagungsrecht zuzubilligen gewesen". Zweifel in dieser Hinsicht gingen zu Lasten der Wiederaufnahmeklägerin, die eine prozessuale Diligenzpflicht zu erfüllen gehabt, diese jedoch verletzt habe. Deren Behauptung, ein alternativ rechtmäßiges prozessuales Verhalten hätte auch keine Zeugenaussage des Konzernmanagers ermöglicht, sei daher unzutreffend. Die Rechtsansichten des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Linz in den Hauptprozessen seien für die Wiederaufnahmeklägerin in Wahrheit nicht überraschend gewesen, hätten doch die Beklagten in ihrer dortigen Rolle als Kläger ausdrücklich die Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten durch die Wiederaufnahmeklägerin behauptet. Gerade dieses Vorbringen habe nach Durchführung eines Beweisverfahrens jene Feststellungen veranlaßt, die der Oberste Gerichtshof und das Oberlandesgericht Linz ihren Entscheidungen zugrundegelegt und diese Gerichte zur Bejahung einer Verletzung der erwähnten Pflichten bewogen hätten. Die Wiederaufnahmeklägerin hätte daher auch den Expolitiker bereits in den Hauptprozessen als Zeugen beantragen müssen, um den Vorwurf einer Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten allenfalls mit dessen Aussage widerlegen zu können. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, die der Ablehnung einer Wiederaufnahme der Hauptprozesse zugrundeliege, sei daher zu billigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision gibt zum einen Anlaß, die Wiederaufnahmeklage teilweise zurückzuweisen, zum anderen ist das Rechtsmittel der Wiederaufnahmeklägerin zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

1. In Schriftsätzen vom 4. Juli 1997 (Einlangen bei Gericht), die in der Verhandlungstagsatzung vom 14. Juli 1997 vorgetragen wurden, behauptete die Wiederaufnahmeklägerin erstmals, von den Rechtsansichten des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Linz in den Entscheidungen 1 Ob 540/95 und 2 R 131/95 in Verletzung der Verfahrensgrundsätze gemäß Art 6 EMRK und § 182 ZPO überrascht worden zu sein, und erstattete dazu das bereits eingangs wiedergegebene Prozeßvorbringen.

Jene Urteile, denen nach diesen Behauptungen überraschende Rechtsansichten zugrundeliegen sollen, wurden der klagenden Partei am 31. Mai 1995 (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs) und am 7. Februar 1996 (Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz) zugestellt. Seither war der Wiederaufnahmeklägerin demnach ihre Überraschung über die Ergebnisse der Hauptprozesse und die sie tragenden Rechtsansichten der Gerichte bewußt. Ohne von einer solchen überraschenden Rechtsansicht betroffen zu sein, hätte die Wiederaufnahmeklägerin den Expolitiker, wie sie vorbrachte, "schon damals" - also offenkundig noch vor Verhandlungsschluß in den Hauptprozessen - als Zeugen beantragt, sodaß ihr dessen Wahrnehmungen, die später Gegenstand einer Zeugenaussage in einem Strafverfahren waren, damals gleichfalls bereits bekannt gewesen sein müssen. Sie schob jedoch diesen von ihr behaupteten Wiederaufnahmegrund erst am 4. Juli 1997 nach, obgleich sie bereits seit dem 31. Mai 1995 bzw 7. Februar 1996 imstande gewesen wäre, das erörterte Beweismittel zu benützen und bei Gericht vorzubringen. Die Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmeklage war daher insofern am 4. Juli 1997 gemäß § 534 Abs 2 Z 4 ZPO schon längst abgelaufen.

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht auch vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über eine Wiederaufnahmeklage zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§ 530 und § 531 ZPO) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben wurde. Mangelt es daran oder ist die Klage aus einem der in § 230 Abs 2 ZPO geregelten Gründe unzulässig, so eignet sie sich nicht für die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung und ist zurückzuweisen. Diese Prüfung vereinigt in sich eine Zulässigkeitsprüfung nach § 230 ZPO mit Elementen der Vorprüfung im Rechtsmittelverfahren nach § 471 ZPO (1 Ob 375/97x = EvBl 1998/149; JBl 1993, 126 = EvBl 1992/77; 6 Ob 558/94; 6 Ob 593/92 ua; Fasching, Kommentar IV 540; ders, LB2 Rz 2084).

Das Fehlen von Zulässigkeitsvoraussetzungen ist in jeder Lage des Verfahrens - auch von Amts wegen - wahrzunehmen (EvBl 1998/149; 6 Ob 558/94; 1 Ob 512/92; EvBl 1972/78 ua); wie aus § 543 ZPO abzuleiten ist, ist die Klage, kommen solche Umstände erst bei der mündlichen Streitverhandlung oder danach hervor, gleichwohl zurückzuweisen (EvBl 1998/149; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 1 zu § 543 ZPO mwN).

Die Urteile der Vorinstanzen sind daher aus Anlaß der Revision im bezeichneten Umfang aufzuheben und die Wiederaufnahmeklagen insoweit zurückzuweisen. Keine Änderung erfahren dadurch die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen.

2. Gemäß § 507a Abs 3 Z 1 ZPO ist die Revisionsbeantwortung beim

Berufungsgericht einzubringen, wenn dieses dem Revisionsgegner - wie

hier - die Erstattung einer solchen nach § 508 Abs 5 ZPO freistellte,

tritt doch für deren Behandlung tritt das Berufungsgericht gemäß § 507a Abs 4 ZPO an die Stelle des Prozeßgerichts erster Instanz. Die Frist beträgt gemäß § 507a Abs 1 ZPO vier Wochen und beginnt nach § 507a Abs 2 Z 2 ZPO mit Zustellung der Mitteilung des Berufungsgerichts, daß dem Revisionsgegner die Beantwortung der Revision freigestellt wird. Den Beklagten wurde diese Mitteilung am 24. Juli 1998 zugestellt. Die Revisionsbeantwortungsfrist begann daher - wegen der Gerichtsferien im Zustellzeitpunkt - am 26. August 1998 und endete am 22. September 1998, 24 Uhr.

Die Beklagten gaben die an das Erstgericht adressierte Revisionsbeantwortung am 15. September 1998 zur Post. Sie langte dort am 16. September 1998 ein und wurde dem Obersten Gerichtshof aufgrund einer Verfügung vom 20. September 1998 "im Nachhang ... übermittelt". Der Oberste Gerichtshof übersandte die Revisionsbeantwortung am 22. September 1998 dem Oberlandesgericht Linz "zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung", wo sie am 24. September 1998 einlangte.

Wird ein Rechtsmittel bzw dessen Beantwortung - wie hier - beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem oder einem weiteren Gericht an das zuständige Gericht übersandt, so muß ein solcher Schriftsatz als Voraussetzung seiner Rechtzeitigkeit noch fristgerecht beim zuständigen Gericht einlangen, weil die Tage des Postwegs nach ständiger Rechtsprechung nur dann nicht in die Frist einzurechnen sind, wenn das Rechtsmittel bzw dessen Beantwortung an das zuständige Gericht gerichtet war (1 Ob 119/98a; RZ 1990/109; EFSlg 49.410 uva). Die Revisionsbeantwortung ist daher mangels Erfüllung dieser Voraussetzungen als verspätet zurückzuweisen.

3. Nach § 530 Abs 2 ZPO ist eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmeklage nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen bzw Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, die dem Urteil erster Instanz vorausging, geltend zu machen, ist doch die Wiederaufnahmeklage nicht dazu bestimmt, Prozeßführungsfehlern der Parteien abzuhelfen (EvBl 1998/149; 6 Ob 558/94; SZ 59/14; JBl 1976, 439 ua; Fasching, LB2 Rz 2067). So liegt ein Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO dann vor, wenn die Partei im Hauptprozeß bereitstehende Beweismittel nicht anbietet, dabei unter anderem Zeugen zu führen unterläßt, von denen sie voraussetzen mußte, daß ihnen die zu erweisenden Tatsachen bekannt sind (EvBl 1998/149; 6 Ob 558/94; MietSlg 39.795; 2 Ob 674/87, ua; Fasching, Kommentar IV 518 f), oder die Aussageverweigerung eines Zeugen ungerügt zur Kenntnis nimmt (1 Ob 793/79; SZ 23/199; Fasching, Kommentar III 432), was im einzelnen noch zu erörtern sein wird, und damit die prozessuale Diligenzpflicht verletzt (EvBl 1998/149; Kodek in Rechberger aaO Rz 5 zu § 530 ZPO mwN). Ist einer Prozeßpartei eine solche prozessuale Pflichtverletzung vorwerfbar, so kann ihr zur Sanierung deren Folgen nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt werden (EvBl 1998/149; 1 Ob 710, 711/88; 6 Ob 698/83). Ein Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht kann auch in der Unterlassung zumutbarer Erhebungen zur Ausforschung der für den Nachweis ihres Prozeßstandpunkts erforderlichen Zeugen liegen (EvBl 1998/149), wenn für sie die Bedeutung solcher Beweismittel ohne weiteres erkennbar war (EvBl 1998/149; 6 Ob 2159/96k).

Fehlendes Verschulden hat der Wiederaufnahmekläger zu behaupten und zu beweisen (EvBl 1998/149; 1 Ob 512/92). Versäumt er es, dieser Pflicht (schon in der Klage) durch die erforderlichen Behauptungen und Beweisanbote zu entsprechen, so ist seine Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO bereits im Vorprüfungsverfahren durch Beschluß zurückzuweisen (EvBl 1998/149; 1 Ob 512/92, 8 Ob 565/92; EvBl 1972/78; Fasching, Kommentar IV 520 mwN), was namentlich dann gilt, wenn die Klage jedwede Behauptung vermissen läßt, daß die Verwendung des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Umstands im Hauptverfahren ohne Verschulden unmöglich gewesen sei (EvBl 1998/149; 6 Ob 558/94; 6 Ob 593/92; JBl 1979, 268 ua; Fasching, Kommentar IV 520). Sonst ist in diesem Verfahrensabschnitt dagegen nicht darüber abzusprechen, ob der Wiederaufnahmekläger ohne sein Verschulden außerstande war, die erst jetzt behaupteten neuen Tatsachen bzw Beweismittel rechtzeitig bereits im Hauptprozeß zu verwenden (EvBl 1998/149; EvBl 1992/77; 6 Ob 593/92; SZ 51/165 ua; Fasching, Kommentar IV 541).

Die Entscheidung der Vorinstanzen entsprechen diesen Grundsätzen. Dementgegen ist die Wiederaufnahmeklägerin der Ansicht, die "Reichweite der prozessualen Diligenzpflicht" sei klärungsbedürftig. Eine Partei müsse wegen des der Verfahrensordnung "immanenten Grundsatzes der Prozeßökonomie" solche Verfahrenshandlungen, die "von vornherein als aussichtslos zu werten" seien, nicht vornehmen.

Dieser Standpunkt unterstellt die nicht erwiesene Tatsache, der Wiederaufnahmeklägerin seien in den Hauptprozessen keine prozessualen Mittel zu Gebote gestanden, die Aussage des Konzernmanagers, der durch sein Erscheinen zur Vernehmung gemeinsamer Zeuge geworden sei, doch zu erwirken. Dem kann nicht beigepflichtet werden:

Ob - und bejahendenfalls, in welcher Weise - das Prozeßgericht Zwangsmittel gemäß § 325 Abs 1 ZPO zur Durchsetzung der Aussagepflicht eines Zeugen anwenden soll und wird, können die Prozeßparteien zwar nicht unmittelbar beeinflussen (EvBl 1986/49; Kodek in Rechberger aaO Rz 1 zu § 325), die Unterlassung der Aussageerzwingung infolge einer ungerechtfertigten Zeugnisverweigerung kann jedoch gemäß § 196 ZPO als Mangel des Verfahrens erster Instanz gerügt werden (1 Ob 739/79 mwN; SZ 23/199), was der Partei erst eine erfolgversprechende Geltendmachung einer Verletzung der Vorschriften der §§ 321, 323 und 324 ZPO im Rechtsmittelverfahren ermöglicht (8 Ob 214/97x; RdW 1984, 317; 1 Ob 739/79; Fasching, Kommentar II 951 und III 432). Dieser Rügepflicht wurde von der Wiederaufnahmeklägerin nicht entsprochen. Demnach stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese in den Hauptprozessen auch als Rechtsmittelgegnerin verpflichtet gewesen wäre, die unterbliebene Erzwingung einer Zeugenaussage des Konzernmanagers in ihren Rechtsmittelbeantwortungen als Verfahrensmangel geltend zu machen, weil allein solche Ausführungen ohne eine vorangegangene Rüge gemäß § 196 ZPO jedenfalls keine dem Prozeßstandpunkt der Wiederaufnahmeklägerin günstige Sachentscheidung hätte herbeiführen können. Aus § 196 Abs 3 ZPO ist aber abzuleiten, daß eine Verfahrensrüge in erster Instanz - unabhängig von der Frage der Beachtlichkeit der im späteren Rechtsmittelverfahren vorgetragenen Gründe - im Interesse der Verfahrensökonomie auch dem Zweck dient, bereits das Erstgericht zur allfälligen Behebung eines Verfahrensmangels zu veranlassen. Nimmt daher eine Partei die Aussageverweigerung eines Zeugen - wie die Wiederaufnahmeklägerin in den Hauptprozessen - ohne zu rügen zur Kenntnis, so ist darin - wie bereits oben erwähnt - ein Verschulden zu erblicken, das den Erfolg einer auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützten Wiederaufnahmeklage in Ansehung dieses Zeugen und der von ihm zu bekundenden Tatsachen ausschließt (1 Ob 793/79; SZ 23/199; Fasching, Kommentar III 432).

Die Verletzung einer prozessualen Diligenzpflicht wäre in einem solchen Fall nur dann zu verneinen, stünde mit prozeßpraktischer Gewißheit fest, daß sich der Zeuge durch die Aussageverweigerung auch dann der Beantwortung aller entscheidungswesentlichen Fragen hätte entziehen können, wenn der Wiederaufnahmekläger die Mängelrüge gemäß § 196 ZPO im Hauptprozeß nicht unterlassen hätte, also die angestrebte Verbreiterung der Beweisergebnisse auch nicht mittels des prozessual gebotenen Verhaltens erzielbar gewesen wäre. Eine solche (sichere) Schlußfolgerung lassen die Feststellungen im Wiederaufnahmeverfahren - entsprechend der Ansicht des Berufungsgerichts - allerdings nicht zu. Es erscheint vielmehr möglich, daß eine Zeugenaussage des Konzernmanagers zur Frage des Kenntnisstands der Wiederaufnahmeklägerin über die wirtschaftliche Lage des Konzerns in bestimmten Zeitpunkten trotz dessen Aussageverweigerung schon im Vorprozeß erzwingbar gewesen wäre. Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzung bedarf es im Wiederaufnameverfahren nicht der Ermittlung eines bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrads für bzw gegen die Erzwingbarkeit einer solchen Zeugenaussage, weil den Wiederaufnahmekläger - wegen seiner bereits erörterten Behauptungs- und Beweislast für mangelndes Verschulden - alle Zweifel zur Frage der absoluten Zwecklosigkeit der im Hauptprozeß an sich gebotenen, jedoch unterlassenen Prozeßhandlungen belasten. Der Wiederaufnahmekläger wird daher vom Verschuldensvorwurf nicht schon durch Mutmaßungen über einen größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad der Unschädlichkeit prozessualer Versäumnisse im Hauptprozeß entlastet.

Somit ist der Revision nicht Folge zu geben, weil das Berufungsgericht die Ersturteile ohne Rechtsirrtum bestätigte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 40 und § 50 Abs 1 ZPO.

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