European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00015.21B.0429.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] I.1. Nach § 107 Abs 2 AußStrG kann das Gericht die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte nach Maßgabe des Kindeswohls, insbesondere zur Aufrechterhaltung der verlässlichen Kontakte, auch vorläufig einräumen. Bei der Festlegung des Kontaktrechts ist zu beachten, dass es sich beim Kontaktrecht zwischen Eltern und Kindern um ein Grundrecht deren Beziehung handelt, das als Menschenrecht unter dem Schutz des Art 8 EMRK steht (RS0047754), weshalb Einschränkungen des Kontakts zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil die Ausnahme darstellen müssen. Eine Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände vorliegen, die eine Gefährdung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes besorgen lassen (RS0048384 [T7]); ansonsten ist dem Kontaktberechtigten, um den Zweck des Kontakts zu erreichen, der Kontakt zu seinem Kind unbeschränkt, das heißt ohne Beeinträchtigung durch Zuziehung weiterer Personen oder Bindung an bestimmte Örtlichkeiten, zu gestatten und ihm die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Besuche zu bieten (RS0048369; RS0048384). Oberstes Prinzip der Gestaltung des Kontaktrechts ist immer das Wohl des Kindes (RS0047958; RS0087024); im Konfliktfall hat auch das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten (RS0048062).
[2] 2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt werden soll, grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig; es kann ihr deshalb keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden (RS0097114). Letzters ist hier nicht der Fall. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der dem Vater ab 16. 1. 2021 ein konkretes Kontaktrecht im Rahmen einer begleiteten Übergabe durch die zuständige Besuchsmittlerin der Familiengerichtshilfe zuerkannt wurde, entspricht den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Kontaktrecht des nicht betreuenden Elternteils.
[3] 3. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich – entgegen der Ansicht der Mutter in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs – nicht, dass das Wohl des Kindes durch die festgelegten Besuchskontakte des Vaters zu seinem am ***** 2016 geborenen Sohn J***** gefährdet wäre. Dass das Kind noch bei den ersten Treffen mit dem Vater im ersten Halbjahr 2020 unsicher war und seine Mutter in der Nähe wissen wollte, hat sich nach den Beweisergebnissen (insbesondere dem Zwischenbericht der Familien- und Jugendgerichtshilfe Wiener Neustadt als Besuchsmittlung vom 11. 11. 2020) und den korrespondierenden Feststellungen des Erstgerichts mittlerweile geändert. Nunmehr wirkt der mj J***** bei den Besuchskontakten freudig, lacht viel und zeigt keine Überforderungsanzeichen. Die anfängliche Unsicherheit hat der mj J***** gänzlich abgelegt. Insgesamt liegt eine positive Interaktion zwischen dem Kind und seinem Vater vor. Der Vater kann Situationen hinsichtlich Gefahr und Bedürfnissen seines Sohnes auch entsprechend einschätzen. Er sichert ihn gut am Spielplatz und auf der Straße ab. Soweit in der außerordentlichen Revision die Zuverlässigkeit des Vaters durch einzelne bereits lange zurückliegende Vorfälle in Frage gestellt wird, geht der Revisionsrekurs nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das Rekursgericht hat sich ausführlich mit den von der Mutter gegen den Vater erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt. Eine Unrichtigkeit dieser Beurteilung vermag der außerordentliche Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen. Die übereinstimmende Ansicht der Vorinstanzen, die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Mutter gewünschten Besuchsbegleitung (vgl RS0118258) lägen nicht vor, ist nach der Lage des Falls daher nicht zu beanstanden.
[4] 4. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit betreffend die teilweise Zurückweisung des Rekurses der Mutter liegt nicht vor. Das Rekursgericht hat im Zusammenhang mit der bekämpften Kontaktrechtsentscheidung des Erstgerichts den Rekurs, nur soweit er sich gegen die bereits vergangenen Kontakte richtete, wegen fehlender Beschwer zurückgewiesen. Weshalb dies unrichtig sein oder eine Aktenwidrigkeit begründen sollte, geht aus dem Revisionsrekurs nicht hervor.
[5] 5. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz, weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht an ihn herangetragen werden können (RS0007236 [T1, T3, T6, T7]). Die Frage, ob im Einzelfall zusätzlich ein Sachverständigengutachten erforderlich ist, stellt ebenso eine vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Frage der Beweiswürdigung dar (RS0007236 [T9]). Vom Rekursgericht verneinte Verfahrensmängel sind in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RS0050037).
[6] II.1. Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen zur zwangsweisen Durchsetzung einer Regelung des Rechts auf persönliche Kontakte angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen (§ 110 Abs 2 AußStrG). Als Zwangsmittel kommen insbesondere Geldstrafen in Betracht (§ 79 Abs 2 Z 1 AußStrG). Die Zwangsmittel des § 79 Abs 1 AußStrG sind keine Strafe für die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung, sondern sollen dazu dienen, der Anordnung in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen (RS0007330 [T2]). Ob es zur Durchsetzung einer Kontaktrechtsregelung notwendig ist, eine Zwangsmaßnahme zu verhängen, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0007330 [T6]).
[7] 2. Nach den Feststellungen hat die Mutter die gemäß § 107 Abs 2 AußStrG vorläufig verbindliche und vollstreckbare Entscheidung des Erstgerichts, mit dem es dem Vater ein Kontaktrecht eingeräumt hat, missachtet, weil sie zahlreiche festgelegte Besuchstermine nicht eingehalten hat. Zudem hat die Mutter auch festgelegte Termine bei der Familiengerichtshilfe, die ihrer Information über die Rahmenbedingungen der Besuchsmittlung dienen sollten, nicht wahrgenommen. Die Auferlegung einer Ordnungsstrafe nach erfolgter vorheriger Androhung bewegt sich daher im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.
[8] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).
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