OGH 9Ob10/15h

OGH9Ob10/15h20.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter und Richterinnen in der Rechtssache der klagenden Partei S***** H*****, vertreten durch Dr. Johann Meier, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen die beklagte Partei D***** U*****, vertreten durch Dr. Richard Huber, Rechtsanwalt in Villach, wegen 10.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2014, GZ 2 R 253/14d‑23, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 27. Juni 2014, GZ 16 C 2010/13p‑17, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00010.15H.0320.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist hier nicht der Fall.

1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, ebenso ob das bisher erstattete Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist (RIS‑Justiz RS0042828). Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen, nicht die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens (RIS‑Justiz RS0037551). Hat sich der Kläger nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund festgelegt, hat das Gericht den von ihm vorgetragenen einheitlichen Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0037593). Im Zweifel ist die Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Frage kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (RIS‑Justiz RS0037659).

Wenn das Erstgericht und ihm folgend das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe den Kläger dadurch in Irrtum geführt, dass er von der Typisierbarkeit des Fahrzeugs ausgegangen sei und dies gegenüber dem Kläger auch so kommuniziert habe, als ausreichendes Tatsachenvorbringen für eine rechtliche Beurteilung als gemeinsamen Irrtum der Vertragsparteien ansah, liegt darin weder eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, noch eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.

2. Das Recht zur Vertragsanfechtung wegen Irrtums setzt das Vorliegen eines vom Gegner veranlassten Geschäftsirrtums voraus. Ob ein Irrtum über eine bestimmte Eigenschaft des Vertragsgegenstands Geschäfts- oder Motivirrtum ist, hängt somit davon ab, ob die betreffende Eigenschaft Vertragsinhalt war. Dies kann erst durch Vertragsauslegung ermittelt werden (2 Ob 176/10m mwN). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Ein solches ist in der Annahme, dass die Typisierbarkeit des Fahrzeugs Vertragsinhalt wurde, nicht erkennbar, zumal bei Vertragsabschluss über die grundsätzliche Möglichkeit der Typisierbarkeit und deren Bedeutung für den Kläger gesprochen wurde.

Ob in dieser Konstellation bereits eine Veranlassung eines Irrtums durch den Beklagten vorliegt, wofür nur ein adäquat ursächliches Verhalten des Vertragspartners, keine absichtliche oder fahrlässige Irreführung vorausgesetzt wird (RIS‑Justiz RS0016195, RS0014921), oder ein gemeinsamer Geschäftsirrtum (RIS‑Justiz RS0016230, RS0016229), ist ohne Bedeutung, weil nach der Rechtsprechung beides zu einer Vertragsanfechtung berechtigt.

3. Ein Verzicht auf Gewährleistung schließt grundsätzlich die Anfechtung wegen Irrtums nicht aus (RIS‑Justiz RS0014900). Allerdings kann die Vertragsauslegung im Einzelfall ergeben, dass der Ausschluss der Gewährleistung für einen bestimmten Umstand auch einen Verzicht auf die Irrtumsanfechtung für diesen Umstand umfasst. Das wird im Regelfall für schlicht veranlasste Eigenschaftsirrtümer gelten, weil Vertragspartner, die einen Ausschluss der Gewährleistung für einen bestimmt bezeichneten Umstand vereinbaren, erkennbar auch jedes andere (unverschuldete) Einstehenmüssen für diesen Umstand ausschließen wollen (3 Ob 111/09h mwN). Ausgehend davon, dass die Typisierbarkeit zwischen den Parteien ausdrücklich besprochen wurde, ist die Annahme jedenfalls vertretbar, dass diesbezüglich eine Irrtumsanfechtung nicht vom Gewährleistungsausschluss umfasst sein sollte.

4. In diesem Zusammenhang ist es auch irrelevant, dass mit verhältnismäßig großem Aufwand allenfalls ein Rückbau des Fahrzeugs in einen Zustand, der eine Typisierung zulässt, möglich ist. Der von den Vorinstanzen angenommene Irrtum bezieht sich auf den Zustand des Fahrzeugs und die zugesagten Eigenschaften bei Verkauf, nicht auf einen durch Veränderung des Kaufobjekts herbeiführbaren Zustand.

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