European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0090NC00013.17M.0706.000
Spruch:
Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht AZ 20 Cga 55/17s zu bestimmen, wird abgewiesen.
Begründung:
Mit ihrer am 20. 4. 2017 beim Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt die in Wals‑Siezenheim (Sbg) ansässige Klägerin vom in Wien ansässigen Beklagten die Rückzahlung von bevorschussten und wegen Vertragsstornierungen rückzuverrechnenden Provisionen. Zum Beweis ihres Vorbringens führt die Klägerin auch die Einvernahme ihrer Geschäftsführerin per Adresse der Klägerin an.
Der Beklagte bestreitet, beantragt Klagsabweisung und bringt ua vor, die Klagsführung „am Sitz der klagenden Partei“ sei rechtsmissbräuchlich. Er sei während des gesamten Vertragsverhältnisses ausschließlich in Wien aufhältig und gemeldet gewesen. Auch das Büro der Klägerin, bei dem er seine Tätigkeit ausgeübt habe, sei ausschließlich in Wien gewesen. Er sei noch nie am Sitz der Klägerin gewesen und habe seinen Vertrag nach Salzburg geschickt. Auch sämtliche – vier namentlich angeführte – Zeugen hinsichtlich der Versicherungskunden sowie hinsichtlich des Vertragsverhältnisses zur Klägerin hätten ihren Sitz bzw ihren Aufenthalt in Wien bzw Wien-Umgebung. Zur Erleichterung des Gerichtszugangs, zur Verbilligung des Rechtsstreits und zur Wahrung des Unmittelbarkeitsprinzips werde die Delegierung der Rechtssache an das Arbeits- und Sozialgericht Wien beantragt.
Die Klägerin sprach sich gegen die Delegierung aus. Die vom Beklagten geführten Zeugen könnten zu den Storni keine Angaben machen, weil sie ebenfalls Agenten und/oder Geschäftsvermittler bei der Klägerin gewesen seien. Sie seien daher nicht zu hören. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei per Sitz der Gesellschaft in Salzburg zu laden. Auch die Kanzlei des ständigen Klagevertreters sei in Salzburg. Die Kosten der Klägerin würden sich bei einer Verlagerung des Prozesses mit dem doppelten Einheitssatz unnötig erhöhen. Das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht sei auch mit den Rechtsangelegenheiten und regelmäßig gleichlautenden Vertragsgrundlagen und Provisionsabrechnungen der Klägerin seit Jahren vertraut.
Auch das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht gab im Hinblick auf die Möglichkeit von Vernehmungen per Videokonferenz oder im Rechtshifeweg eine negative Stellungnahme ab.
Rechtliche Beurteilung
Folgendes war zu erwägen:
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS-Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS‑Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten allerParteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589; RS0046324 ua).
Im vorliegenden Fall führt die Klägerin die Einvernahme ihrer Geschäftsführerin per Adresse der Klägerin an, der Klagevertreter selbst hat seinen Kanzleisitz in Salzburg. Der Beklagte wohnt in Wien, auch der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz in Wien. Im Hinblick auf die vier vom Beklagten geführten Zeugen aus Wien und Umgebung sind im Hinblick auf die Möglichkeit ihrer Einvernahme im Weg der Videokonferenz bei einer Verfahrensführung in Salzburg keine höheren (zB Fahrt-)Kosten zu erwarten. Dass eine Zeugeneinvernahme per Videokonferenz die Unmittelbarkeit des persönlichen Eindrucks eines Zeugen im Vergleich zu seiner Einvernahme bei körperlicher Anwesenheit mediatisieren mag, steht dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat dies bewusst in Kauf genommen und die Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt (§ 277 ZPO; s auch Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 277 Rz 2). Zu bedenken ist auch, dass das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht mit der Problematik bereits aufgrund mehrerer von der Klägerin gegen ihre ehemaligen Provisionsvertreter angestrengten Verfahren vertraut ist, während sich ein Wiener Gericht neu in die Sache einzuarbeiten hätte.
Angesichts dessen, dass eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll, liegen danach keine ausreichenden Umstände dafür vor, dass mit einer Delegierung eindeutig eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit einherginge. Der Antrag des Beklagten ist daher abzuweisen.
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