Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war in der Zeit von 1. 7. 1992 bis 18. 1. 2001 bei einem in der Folge in Konkurs verfallenen Druckereiunternehmen als Angestellter beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe, technische Angestellte, anzuwenden. Mit Beschluss vom 3. 1. 2001 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers der Konkurs eröffnet. Das Arbeitsverhältnis endete durch vorzeitigen Austritt des Klägers gemäß § 25 Abs 1 KO. Mit Bescheid der Beklagten vom 27. 6. 2001 wurde dem Kläger ein Betrag von ATS 671.527 als Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt; das darüber hinausgehende Begehren auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld auch für ein offenes Zeitausgleichsguthaben von 289 Stunden bis 31. 12. 1999 im Gesamtbetrag von ATS 71.471 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. 9. 2001 ab. Insolvenz-Ausfallgeld gebühre für nicht ausgeglichene Zeitguthaben gemäß § 3a Abs 1 IESG iVm § 10 Abs 6 des anzuwendenden Kollektivvertrages nur für jene Zeitausgleichsstunden, die innerhalb eines Jahres vor Konkurseröffnung entstanden seien.
Mit seiner am 12. 10. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung des Betrages von ATS
71.471 sA schuldig zu erkennen. § 10 Abs 6 des anzuwendenden Kollektivvertrags sehe vor, dass im Fall der Überstundenarbeit die Arbeitsstunden in Freizeit zu entschädigen und nur der 50 %-ige Zuschlag in bar auszubezahlen sei. Lediglich als Ordnungsvorschrift treffe der Kollektivertrag die weitere Anordnung, dass die Konsumation dieser Freizeitstunden innerhalb eines Jahres nach ihrer Leistung zu erfolgen habe. Diese Anordnung sei erkennbar an den Dienstgeber gerichtet und von keiner Verfallsvorschrift begleitet. Der Kollektivvertrag erlaube daher auch längere Durchrechnungszeiträume. Im Übrigen sei die mit 1. 1. 2001 für Anknüpfungstatbestände nach dem 31. 12. 2000 neu gefasste Bestimmung des § 3a Abs 1 IESG verfassungswidrig, weil damit überfallsartig, ohne dass es den Rechtsunterworfenen möglich gewesen wäre, sich auf die neue Rechtslage einzustellen, die bis dahin nach dem IESG gesicherten Zeitguthaben auf sechs Monate bzw auf kollektivvertraglich vorgesehene Durchrechnungszeiträume beschränkt worden seien. Der Gesetzgeber hätte den Dienstnehmern eine Anpassung an die neue Gesetzeslage durch entsprechende Übergangsvorschriften zu ermöglichen gehabt.
Die Beklagte wendete ein, dass zwar die kollektivertragliche Regelung keine Verfallsvorschrift enthalte, ein solcher Verfall des Anspruchs werde aber im Ergebnis durch § 3a Abs 1 IESG bewirkt. Die Anhäufung und die Nichtkonsumierung des Zeitausgleichsguthabens über einen Zeitraum von einem Jahr könne auch als eine sittenwidrige Verlagerung des Zahlungsrisikos auf die Beklagte im Sinne der umfangreichen höchstgerichtlichen Judikatur angesehen werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem letzten Absatz des § 3a Abs 1 IESG gebühre Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche aus nicht ausgeglichenen Zeitguthaben nur dann, wenn die abzugeltenden Arbeitsstunden in den im ersten Satz genannten Zeiträumen, somit innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Stichtag oder einer früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geleistet worden seien, es sei denn, dass im Rahmen von Altersteilzeitregelungen oder auf Grund einer gesetzlichen oder kollektivertraglichen Regelung oder einer Betriebsvereinbarung längere Durchrechnungszeiträume vorgesehen seien. Zwar enthalte § 10 Abs 6 des anzuwendenden Kollektivvertrags für das graphische Gewerbe, technische Angestellte, keine Verfallsbestimmung, doch reiche es nach dem klaren Wortlaut des § 3a Abs 1 IESG nicht aus, dass die Parteien des Arbeitsvertrages längere als einjährige Durchrechnungszeiträume vereinbaren dürften. Die Beklagte habe daher zu Recht im angefochtenen Bescheid lediglich nur das im letzten Jahr vor dem Stichtag angefallene Zeitausgleichsguthaben als gesichert angesehen. Das Erstgericht sei an die geltende Rechtslage gebunden und zur Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof nicht befugt. Wenn der Kläger darauf verweise, sein gerechtfertigtes Vertrauen in die Rechtslage sei enttäuscht worden, sei ihm entgegenzuhalten, dass ein Ansammeln von Zeitausgleichsguthaben, um der tristen finanziellen Situation des Arbeitgebers entgegenzukommen, im Vertrauen auf die Sicherung der Ansprüche nach dem IESG dazu führen würde, dass die Frage der sittenwidrigen Verlagerung des Insolvenzrisikos auf die Beklagte zu prüfen wäre. Denn nur wer bei der Leistung von Überstunden und dem Stehenlassen von Zeitaugleichsguthaben ernsthaft mit einem Konkurs rechne, könne im Vertrauen auf die Sicherung der Ansprüche im Insolvenzfall enttäuscht werden.
Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht teilte die in der Rechtsrüge ausschließlich geltend gemachten Bedenken des Berufungswerbers gegen die Verfassungmäßigkeit des letzten Satzes des § 3a Abs 1 IESG nicht. Dieser Satz sei mit dem am 29. 12. 1999 (richtig: 29. 12. 2000) kundgemachten Budgetbegleitgesetz 2001 mit Wirkung ab 1. 1. 2001 als Beitrag zur Budgetkonsolidierung unter Berücksichtigung erster Ansätze zur Erhöhung der sozialen Treffsicherheit eingefügt worden. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage sollte durch die Novelle erreicht werden, dass Überstunden und die Abgeltung von Zeitausgleich wie laufendes Entgelt behandelt werden. Ansprüche aus nicht ausgeglichenen Zeitguthaben auf Grund von Jahresarbeitszeitmodellen oder vereinbarter Altersteilzeit sollten von der zeitlichen Beschränkung nicht erfasst werden. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes verstoße der letzte Satz des § 3a Abs 1 IESG, auch wenn die Novelle ohne jegliche Übergangsfristen in Kraft getreten sei, nicht gegen das Gleichheitsgebot. Dem Berufungswerber sei zwar insofern Recht zu geben, dass ein Arbeitnehmer auch ohne entsprechende Vereinbarung im Fall eines Betriebsnotstandes einseitig angeordnete Überstunden zu leisten habe (§ 6 Abs 2 AZG) und er eine sofortige Entlohnung dieser geleisteten Überstunden in Geld dann nicht begehren könne, wenn die Abgeltung dieser Überstunden unter anderem auf Grund des Kollektivvertrages durch Zeitausgleich vorgesehen sei. Allerdings liege der Zweck des IESG keineswegs darin, dieses "einseitige wirtschaftliche Risiko zu Lasten des Klägers" zumindest insoweit auszugleichen, als ein wirksamer gesetzlicher Schutz für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorgesehen wird. Es liege darin auch kein Ausgleich, den die Allgemeinheit für kurzfristige und unbürokratische Leistungsbereitschaft von Arbeitnehmern, die diese erbringen, ohne dass ihre Entlohnung sichergestellt sei, zu leisten habe. Aus diesen Argumenten könne jedenfalls keine "besondere Schutzwürdigkeit" des Arbeitnehmers abgeleitet werden. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, einfache leicht handhabbare Regelungen zu treffen. Er dürfe dabei von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen. Dass dabei Härtefälle entstehen könnten, mache eine Regelung dann nicht gleichheitswidrig, wenn es sich um einen atypischen nur ausnahmsweise auftretenden Fall handle. Der Gesetzgeber habe das in der Praxis häufig anzutreffende Ansparen hoher Zeitguthaben, die innerhalb der Sechsmonatsfrist bzw der kollektivvertraglichen Jahresfrist nicht durch Zeitausgleich abgegolten wurden, und die damit im Insolvenzfall des Unternehmens gegebene Belastung der Beklagten verhindern wollen. Es sei den Arbeitnehmern unbenommen, mit dem Arbeitgeber entsprechende Vereinbarungen zu treffen, um im Insolvenzfall keinen Nachteil zu erleiden. Soweit der Kläger argumentiere, es sei ihm durch die "Überrumpelung durch den Gesetzgeber" unöglich gemacht worden, dem Verlust seiner bis dahin gesicherten Entgeltforderungen vorzubeugen, sei ihm entgegenzuhalten, dass er jedenfalls nicht im Vertrauen auf die alte Rechtslage seinen vom 21. 2. 2001 datierenden Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld habe stellen können. Soweit er im Vertrauen auf die alte Rechtslage nicht noch während des aufrechten Dienstverhältnisses auf die Abgeltung der geleisteten Überstunden bestanden habe, könne im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur zur sittenwidrigen Verlagerung des Insolvenzrisikos von keinem "berechtigten" Vertrauen gesprochen werden. Aus all diesen Gründen bestehe kein Anlass, den Verfassungsgerichtshof mit einem Normprüfungsverfahren zu befassen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen Revision des Klägers kommt keine Berechtigung zu.
Hat der Oberste Gerichtshof oder ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art 89 Abs 2 Satz 2 B-VG). Ein Normenkontrollverfahren auf Grund eines gerichtlichen Antrages ist sohin zulässig und geboten, wenn die betreffende Norm durch das Gericht bei der Entscheidung über die anhängige Rechtssache anzuwenden ist; die Norm muss präjudiziell sein. Präjudizialität in diesem Sinn liegt dann vor, wenn die Norm bei der vom Gericht zu treffenden Entscheidung unmittelbar anzuwenden ist (9 ObA 80/94; RIS-Justiz RS0053998; RS0054015). Dass in diesem Sinne Präjudizialität der hier in Frage stehenden Bestimmung des § 3a Abs 1 letzter Satz IESG idF BGBl I 2000/142 gegeben ist, kann nicht fraglich sein. Allerdings ist nach dem klaren Wortlaut des Art 89 Abs 2 B-VG unabdingbare Voraussetzung der Anrufung des Verfassungsgerichtshofs, dass das Gericht selbst Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes hat; der Umstand allein, dass eine Partei solche Bedenken vorbringt, berechtigt oder verpflichtet das Gericht noch nicht zu einer Antragstellung. Der Oberste Gerichtshof hat also - ebenso wie andere zur Antragstellung befugte Gerichte - die einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen zunächst selbst zu prüfen. Dabei ist nach objektiven Gesichtspunkten vorzugehen, wobei auch die Art der in Frage stehenden Norm und ihre Position im Normenzusammenhang in Betracht zu ziehen und auf die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen ist. Nur bei erheblichen, die Annahme der Verfassungsmäßigkeit der in Frage stehenden gesetzlichen Bestimmungen rechtfertigenden Gründen darf bzw muss das Gericht an den Verfassungsgerichtshof herantreten (RIS-Justiz RS0108286; RS0053641; RS0053977).
Der sehr engagierte Vortrag des Revisionswerbers lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Kläger durch die ohne Übergangsregelung in Kraft gesetzte Novellierung des § 3a Abs 1 IESG in seinem Vertrauen auf die geltende Rechtslage enttäuscht worden sei, weil er zwischen dem 1. 1. 2001 und dem 3. 1. 2001 keine Möglichkeit gehabt habe, sein über den nunmehr geschützten Zeitraum des IESG hinausgehendes Zeitguthaben in natura zu verbrauchen und so dem potenziellen Verlust seines Entgeltanspruchs vorzubeugen. Der Arbeitnehmer könne den als Entgelt für Überstunden gewährten Zeitausgleich nicht einseitig fällig stellen, sondern sei insofern verpflichtet, einer Stundung der Entlohnung zuzustimmen, als er Zeitausgleich mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren habe. Müsse der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber kraft kollektivvertraglicher Vorschrift einen Kredit gewähren, übernehme die Allgemeinheit im Wege des IESG das wirtschaftliche Risiko des Arbeitnehmers, für die Vorleistungen auch tatsächlich entlohnt zu werden. Der Staat entwerte nun diesen Schutz, wenn er einseitig seine Leistungsverpflichtung schlagartig in einer Weise reduziere, dass es dem vorleistenden Arbeitnehmer faktisch unmöglich sei, auf diese Reduktion eines möglichen Deckungsfonds dadurch zu reagieren, dass er sich anderweitig um die Abgeltung seiner Vorleistung bemühe. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz, der vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entwickelt worden sei, solle aber gerade solche Enttäuschungen verhindern.
Dem Revisionswerber ist insoweit zuzustimmen, als der Verfassungsgerichtshof vor etwa 15 Jahren begonnen hat, aus dem Gleichheitssatz Schranken für den (einfachen) Gesetzgeber abzuleiten, der in Rechtspositionen oder Anwartschaften eingreift oder sonst Dispositionen, die im Vertrauen auf die Rechtslage getätigt wurden, frustriert, insbesondere dann, wenn dies rückwirkend geschieht ("Vertrauensschutzjudikatur"; siehe dazu zuletzt etwa Stelzer, verfassungsrechtliche Grenzen des Eingriffs in Rechte oder Vertragsverhältnisse, DRdA 2001, 508 ff, hier: 511 f). Jeder Bürger muss sich grundsätzlich auf Gesetzesänderungen einstellen, weil der Gesetzgeber berechtigt ist, in bereits entstandene Rechtspositionen rechtsmindernd einzugreifen (Walzel v. Wiesentreu, Vertrauensschutz und generelle Norm ÖJZ 2000, 1 ff, hier: 6). Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand einer einmal gegebenen Rechtslage kann daher als solches im Hinblick auf das Demokratieprinzip keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießen und ist nur unter besonderen Umständen zu berücksichtigen (vgl etwa VfSlg 13.461; 13.657; 14.848; Tomandl, Gedanken zum Vertrauensschutz im Sozialrecht, ZAS 2000, 129 ff, hier 133). Gesetzliche Vorschriften können aber dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Konflikt geraten, wenn und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten. Dies kann bei schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriffen in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffs führen. Dabei ist nicht eine Einzelfallbetrachtung, sondern eine Durchschnittsbetrachtung anzustellen: Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Normadressat oder ein bestimmter Prozentsatz der Normadressaten tatsächlich auf etwas vertraut hat. In erster Linie ist zu prüfen, ob ein Eingriff in eine schützenswerte Vertrauensposition festgestellt werden kann. Sodann ist der Eingriff anhand der Kriterien der Eingriffsintensität und Plötzlichkeit auf seine Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen. Dabei können Übergangsregelungen, die eine zusätzliche Dispositionsmöglichkeit einräumen, die Verhältnismäßigkeit bewirken, weil damit das Gewicht des Eingriffs fühlbar gemindert werden kann (VfSlg 12.732; 10 ObS 373/02d).
Die hier kurz zusammengefasst dargestellten Voraussetzungen für die Annahme verfassungsrechtlicher Bedenklichkeit der Bestimmung des § 3a Abs 1 letzter Satz IESG idF BGBl I 2000/142 liegen allerdings schon mangels Eingriffs in eine schützenswerte Vertrauensposition des Klägers nicht vor:
Durch das Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl I 2000/142), kundgemacht am 29. 12. 2000, wurde unter anderem § 3a Abs 1 ISEG wie folgt geändert:
"Insolvenz-Ausfallgeld gebührt für das dem Arbeitnehmer gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist. Die Frist von sechs Monaten gilt nicht, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen sechs Monaten nach ihrem Entstehen gerichtlich oder im Rahmen eines in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahren oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission zulässigerweise geltend gemacht wurden und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird und soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung beantragt wird.
Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche aus nicht ausgeglichenen Zeitguthaben gebührt nur dann, wenn die abzugeltenden Arbeitsstunden in den im ersten Satz genannten Zeiträumen geleistet wurden, es sei denn, dass im Rahmen von Altersteilzeitregelungen oder auf Grund einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Regelung oder einer Betriebsvereinbarung längere Durchrechnungszeiträume vorgesehen sind."
Gemäß § 17a Abs 23 IESG trat diese neu gefasste Bestimmung mit 1. 1. 2001 in Kraft und ist auf Insolvenzverfahren anzuwenden, wenn der Beschluss über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 oder der sonst nach § 1 maßgebende Beschluss nach dem 31. Dezember 2000 gefasst wird. In Anbetracht der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers am 3. 1. 2001 ist daher die dargestellte Gesetzesstelle auf die hier geltend gemachten Ansprüche des Klägers anzuwenden.
Vor dem 1. 1. 2001 lautete der erste Absatz des § 3a IESG idF BGBl I 1997/107, gemäß § 17a Abs 11 IESG mit 1. April 1998 in Kraft getreten und anzuwenden bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab diesem Datum, einschließlich der durch BGBl I 1999/73 vorgenommenen - hier nicht entscheidungsrelevanten - Erweiterung der Stichtagsregelung im Satz 1 durch Bezugnahme auf eine frühere Endigung des Arbeitsverhältnisses wie folgt:
"Insolvenz-Ausfallgeld gebührt für das dem Arbeitnehmer für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende Entgelt einschließlich der Gebühren und Sonderzahlungen, das vor mehr als sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) bzw wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, vor mehr als sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist, nur dann, wenn dieses bis zum Stichtag im Verfahren in Arbeitsrechtssachen nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zulässigerweise geltend gemacht wurde und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird. Der gerichtlichen Geltendmachung steht die Einleitung eines in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahrens und eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission gleich. Die vorstehenden Sätze finden keine Anwendung, soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung beantragt wird".
Mit 1. 1. 2001 wurde somit nicht nur die im letzten Satz des ersten Absatzes enthaltene Regelung über Ansprüche aus nicht ausgeglichenen Zeitguthaben getroffen, sondern auch die Sicherung dahin eingeschränkt, dass sie nur für Entgelt gebühre, das auf in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag oder vor Ende des Arbeitsverhältnisses geleistete Arbeit entfällt. Demgegenüber waren vor der Novelle BGBl I 2000/142 mehr als sechs Monate vor den relevanten Zeitpunkten fällig gewordene Entgelte dann gesichert, wenn sie klagsweise oder in vergleichbarer Art geltend gemacht wurden. Der Zeitausgleich wird nunmehr durch § 10 AZG (idF BGBl I 1997/46) geregelt. Gemäß seinem Absatz 1 gebührt für Überstunden ein Zuschlag von 50 % (Z 1) oder eine Abgeltung durch Zeitausgleich; der Überstundenzuschlag ist bei der Bemessung des Zeitausgleichs zu berücksichtigen oder gesondert auszuzahlen (Z 2). Gemäß Abs 2 erster Satz der Gesetzesstelle kann der Kollektivvertrag festlegen, ob mangels einer abweichenden Vereinbarung eine Abgeltung in Geld oder durch Zeitausgleich zu erfolgen hat. Eine derartige Regelung enthält der für den Kläger maßgebliche Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe, technische Angestellte, der in seinem § 10 Abs 6 normiert:
"Die Bezahlung der Überstunden in Geld erfolgt nur dann, wenn keine geeigneten Arbeitskräfte, die auch zum Antritt der angebotenen Dienstverhältnisse bereit sind, im Tätigkeitsbereich des örtlich und sachlich zuständigen Arbeitsamtes vorhanden sind.
Ist die Einstellung solcher Arbeitskräfte betriebstechnisch möglich, so sind, wenn dennoch Überstunden notwendig sein sollten, diese durch je eine Arbeitsstunde in Freizeit zu entschädigen. Solche Überstunden können nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zur Gänze ausbezahlt werden. Der 50 %-ige Zuschlag wird in bar ausbezahlt. Die Konsumierung der Freizeitstunden hat im Einvernehmen stundenweise (ausgenommen bei der Herstellung von Tageszeitungen), tage- oder wochenweise innerhalb eines Jahres nach der Leistung zu erfolgen, wobei auf die Wünsche des Dienstnehmers besonders Bedacht zu nehmen ist."
Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 8 ObS 19/98x dargestellt hat, tritt anstelle des Zeitausgleichs wieder die ursprüngliche Entgeltforderung für Überstunden, wenn durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vereinbarte Zeitausgleich unmöglich wird. Für die Zwecke des IESG sei nur die ursprüngliche Rechtsnatur als Entgelt maßgeblich, sodass das erhöhte Überstundenentgelt der (dort beachtlichen) Anspruchsbegrenzung gemäß § 1 Abs 4 IESG unterliege. In seiner Entscheidung 8 ObS 112/01f hat der erkennende Senat das mehrjährige planmäßige "Stehenlassen" von Ansprüchen auf Zeitausgleich (nach den dort gegebenen Umständen) als Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen qualifiziert, stehe dem Arbeitnehmer doch dann, wenn bei Überstundenarbeit der Zeitpunkt des Zeitausgleichs nicht im Vorhinein vereinbart wird, nach 13 Wochen zwingend der Anspruch auf Konsumation des Zeitausgleichs unter Anwendung von § 19f Abs 2 AZG zu.
Die soeben genannte Gesetzesstelle wurde ebenfalls mit der Novelle des Arbeitszeitgesetzes BGBl I 1997/46 eingeführt und trat gemäß § 33 Abs 1h mit 1. 5. 1997 in Kraft. Nach der unabdingbaren (§ 19g AZG) Norm des § 19f Abs 2 AZG kann der Arbeitnehmer bei Überstundenarbeit, für die Zeitausgleich gebührt, ohne dass der Zeitpunkt des Ausgleichs im Vorhinein vereinbart worden wäre, wenn der Ausgleich nicht binnen 13 Wochen gewährt wird, binnen einer weiteren Woche bekanntgeben, dass er den Zeitpunkt des Ausgleichs zu einem späteren Zeitpunkt einseitig bestimmen wird. Mangels einer solchen Bekanntgabe ist die Überstunde gemäß § 10 Abs 1 Z 1 und Abs 3 AZG abzugelten. Die Frist von 13 Wochen beginnt, wenn - wie hier - kein Durchrechnungszeitraum im Sinn des § 4 Abs 6 AZG vereinbart wurde, gemäß § 19f Abs 2 Z 2 AZG, sobald ein Anspruch auf Zeitausgleich von 30 Stunden entstanden ist, spätestens jedoch nach einem Jahr. Wurde somit der Zeitpunkt des Zeitausgleichs - wie dies hier offenkundig der Fall war - nicht im Vorhinein vereinbart, und kommt es nicht innerhalb von 13 Wochen zu einem Verbrauch, kann der Arbeitnehmer binnen einer weiteren Woche dem Arbeitgeber mitteilen, dass er den Verbrauch des Zeitausgleiches einseitig bestimmen werde. Teilt er dies nicht mit, sind die Überstunden in Geld zu vergüten (Grillberger, ArbeitszeitG2, 165). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist somit der Arbeitnehmer keinesfalls darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber mit ihm eine Vereinbarung über den Verbrauch des Zeitguthabens trifft, sondern kann er nach Ansammeln von zumindest 30 derart abgegoltenen Überstunden nach 13 Wochen den Verbrauch einseitig bestimmen und nach Verstreichen einer weiteren Woche auf die Auszahlung des auf die Überstunden entfallenden Entgelts bestehen. Eine derartige Vorgangsweise wurde auch vom Gesetzgeber intendiert, der im Ausschussbericht (622 BlgNR XX. GP, 8) ausdrücklich darauf verwies, dass der Zeitausgleich auch einen Ausgleich für die Belastung durch Überstunden biete und daher möglichst rasch in Anspruch genommen werden solle. Werde er nicht binnen 13 Wochen gewährt, stehe er dem Arbeitnehmer zur einseitigen Inanspruchnahme zur Verfügung. Das vom Revisionswerber unter anderem unter Hinweis auf Klein ("Einschränkungen beim Insolvenz-Ausfallgeld für angesparten Zeitausgleich", ASOK 2001, 34) ins Treffen geführte Risiko des Arbeitnehmers, das Entgelt für erbrachte Vorleistungen zu verlieren, besteht daher bei Wahrnehmung der gesetzlichen Möglichkeiten nicht oder zumindest nicht in signifikantem Ausmaß.
Der Kläger hätte somit auch unter Außerachtlassung der Novellierung des § 3a Abs 1 IESG durch das Budgetbegleitgesetz 2001 Insolvenz-Ausfallgeld für den in der Zeit bis 31. 12. 1999 angesammelten Zeitausgleich nicht erlangen können. Mangels einseitiger Bestimmung waren nämlich die Entgeltansprüche gemäß § 19f Abs 2 vorletzter Satz AZG nach jeweiligem Ansammeln von 30 Überstunden und dem Verstreichen von insgesamt 14 Wochen fällig geworden. Da nach dem unbestrittenen Vorbringen im Verfahren Zeitausgleich für das Jahr 2000 von der Beklagten zur Gänze als gesichert anerkannt und abgefunden wurde, ist davon auszugehen, dass die Fälligkeit der Entgelte für sämtliche bis Ende des Jahres 1999 erbrachte Überstunden, für die Zeitausgleich nicht konsumiert worden war, länger als sechs Monate vor dem hier maßgeblichen Stichtag der Konkurseröffnung eintrat und somit auch gemäß § 3a Abs 1 IESG aF die Sicherung dieser Ansprüche nur dann gegeben gewesen wäre, wenn sie bis zum Stichtag im Verfahren in Arbeitsrechtssachen nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zulässigerweise bei gehöriger Verfahrensfortsetzung geltend gemacht wurden.
Standen dem Kläger aber auch nach der vor dem 1. 1. 2001 gegebenen Rechtslage die hier geltend gemachten Ansprüche mangels Klagsführung nicht zu, konnte er - ebenso wie alle Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage - nach der maßgeblichen konkreten Fallkonstellation (vgl VfGH Slg 15.936 = ecolex 2001/33) durch die mehrfach genannte Novelle nicht in einem berechtigten Vertrauen auf die bestehende Gesetzeslage enttäuscht werden. Der durch das mögliche - hier allerdings offenkundig nicht gegebene - Nichterreichen der "30 Stunden-Schwelle" des § 19f Abs 2 Z 2 AZG allenfalls denkbare Verlust des dann nicht außerhalb von sechs Monaten vor dem Stichtag fällig gewordenen Entgelts für jedenfalls höchstens 30 Überstunden stellt sich nicht als ein derart schwerwiegender unverhältnismäßiger Eingriff in eine erworbene Rechtsposition dar, dass darauf die vom Revisionswerber vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegründet werden könnten.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Gründe, dem Kläger gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG Kosten aus Billigkeitserwägungen zuzusprechen, sind im Verfahren weder behauptet worden noch sonst hervorgekommen.
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