OGH 8ObS20/11s

OGH8ObS20/11s20.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Herbert Böhm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** R*****, vertreten durch DDr. Manfred Walter, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Salzburg, 5020 Salzburg, Bergstraße 12, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 68.542 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. September 2011, GZ 11 Rs 131/11f-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Auf die in der Revision bekämpfte Rechtsauffassung der Vorinstanzen, der Kläger sei mangels persönlicher Abhängigkeit nicht Arbeitnehmer iSd § 1 Abs 1 IESG gewesen, kommt es gar nicht an. Selbst wenn man nämlich von einem Arbeitsverhältnis ausgeht, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen als zutreffend: Zwar kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats allein aus der zeitlichen Komponente des „Stehenlassens“ von Entgeltansprüchen nicht darauf geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds überwälzen wolle. Allerdings kann im Einzelfall dann, wenn zum „Stehenlassen“ von Entgelt weitere Umstände hinzutreten, die konkret auf den Vorsatz des Arbeitnehmers schließen lassen, das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu überwälzen, trotzdem die Geltendmachung eines Anspruchs auf Insolvenz-Entgelt missbräuchlich sein (RIS-Justiz RS0119679; RS0116935; 8 ObS 9/06s; 8 ObS 12/11i).

Solche Umstände liegen hier vor: Der Kläger wusste bereits ab 2005 über die finanziellen Probleme des Einzelunternehmens Bescheid. Nach dem Anfang 2008 erfolgten Rückzug seines Vaters aus dem Unternehmen, in dem er (zuletzt als einziger Mitarbeiter) tätig war, hat er die Geschäfte des Unternehmens allein geführt. Bereits Ende April/Anfang Mai 2008 bestand ein Entgeltrückstand von 6.704,88 EUR. Nach diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger bis zur Konkurseröffnung am 3. 10. 2008 keinerlei Entgeltzahlungen mehr. Das Erstgericht stellte zudem ausdrücklich fest, dass es der Kläger in Kauf nahm und sich auch damit abfand, dass das Einzelunternehmen seines Vaters in Konkurs gehen könnte und dadurch das finanzielle Risiko auf die Beklagte überwälzt wird. Damit erweist sich aber die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass hier von einem „atypischen“ Dienstverhältnis auszugehen sei, welches nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet ist und insgesamt nicht dem Schutzbereich des IESG unterliegt, als zutreffend (8 ObS 3/08m; 8 ObS 12/11i; RIS-Justiz RS0111281).

Die Annahme des zumindest bedingten Vorsatzes des Klägers, das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu überwälzen, leitet sich aus ganz konkreten Tatsachenfeststellungen ab, die für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar sind.

Eine Bedachtnahme auf ein hypothetisches Verhalten des Arbeitnehmers, nämlich auf einen tatsächlich nicht (bzw nicht binnen angemessener Frist) erfolgten Austritt, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (8 ObS 252/00t; 8 ObS 195/02p uva).

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