OGH 8ObS155/01d

OGH8ObS155/01d5.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Stefan Schöller und Brigitte Augustin als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erwin O*****, *****, vertreten durch Dr. Markus Orgler ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Bundessozialamt Tirol, 6020 Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 3, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 48.114,04, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. April 2001, GZ 25 Rs 18/01k-9, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. November 2000, GZ 47 Cgs 174/00t-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 2. 1992 bis zum 31. 12. 1997 bei der C***** GmbH als Angestellter beschäftigt. In einem beim Erstgericht anhängig gemachten Arbeitsrechtsstreit schloss er mit dem (ehemaligen) Arbeitgeber am 6. 10. 1998 einen gerichtlichen Vergleich, mit dem sich der Arbeitgeber verpflichtete, dem Kläger insgesamt S 111.044,-

(zur Aufschlüsselung S 3 des Berufungsurteils) sowie die Pauschalgebühr von S 6.890,- zu zahlen. Im Betrag von S 111.044,- ist eine "freiwillige Abgangsentschädigung" von S 37.600,- enthalten.

Am 2. 11. 1998 zahlte der Arbeitgeber dem Kläger auf den aushaftenden Vergleichsbetrag widmungslos S 31.228,-.

Im Revisionsverfahren ist zwischen den Parteien nur mehr strittig, ob die Teilzahlung des Arbeitgebers ganz oder teilweise auf den nach den Bestimmungen des IESG gesicherten Teil der Ansprüche des Klägers oder auf die nicht gesicherte (RIS-Justiz RS0076826; zuletzt 8 ObS 22/01w) freiwillige Abgangsentschädigung anzurechnen ist.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Teilzahlung des Arbeitgebers auf die gesicherten Ansprüche des Klägers anzurechnen sei, sodass diesem über die bereits erfolgten Zahlungen des Insolvenz-Ausfallgeldfonds hinaus kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld mehr zustehe. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Auch der Revisionswerber verkennt nicht, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass - selbst bei davon abweichenden Widmungsvereinbarungen - Teilzahlungen des Arbeitgebers zuerst auf den gesicherten Teil der Ansprüche des Arbeitnehmers anzurechnen sind (SZ 64/124; RIS-Justiz RS0076422; zuletzt 8 ObS 17/98b). Er weist allerdings darauf hin, dass sämtliche der in diesem Sinn ergangenen Entscheidungen Teilzahlungen auf grundsätzlich - jedoch nur bis zu einem durch das IESG bestimmten Höchstausmaß - gesicherte Ansprüche zum Gegenstand gehabt hätten. In derartigen Fällen sei es richtig, Teilzahlungen des Arbeitgebers auf den gesicherten Teil der Forderung anzurechnen. Hier gehe es aber um eine freiwillige Abgangsentschädigung, die unabhängig von ihrer Höhe nicht gesichert sei. Auf diesen Fall könne die bisherige Rechtsprechung nicht übertragen werden. Es sei nicht denkbar - so der Tenor der überaus umfangreichen Ausführungen des Revisionswerbers - eine "Queranrechnung über völlig voneinander gelöste Ansprüche verschiedener Art" vorzunehmen und in diesem Sinn Teilzahlungen auf eine mit dem Arbeitsverhältnis nicht in Beziehung stehende Forderung auf den gesicherten Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis anzurechnen.

Diese Überlegungen mögen durchaus zutreffen, sofern einander wirklich aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Arbeitnehmeransprüche und Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüberstehen, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang stehen. Um solche nicht mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehende Ansprüche des Arbeitnehmers geht es hier aber nicht. Das erkennt auch der Revisionswerber, der dies allerdings als "trivialen und gerade darum unzulässigen" Einwand abtut. Er verkennt damit die der oben zitierten Rechtsprechung zugrunde liegenden Überlegungen:

Zweck des IESG ist es, die Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Ansprüche zu bewahren, auf die sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind. Durchaus im Einklang mit diesem Zweck hat der Gesetzgeber bestimmte Ansprüche oder Teile von Ansprüchen aus der Sicherung durch das IESG ausgenommen. Im Falle solcher Ausnahmen ist es daher - ungeachtet abweichender Widmungen - geboten, Teilzahlungen des Arbeitgebers zuerst auf den gesicherten Teil der Ansprüche des Arbeitnehmers anzurechnen, weil es sonst zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung jener Arbeitnehmer käme, die ohnehin einen Teil ihrer Ansprüche vom Arbeitgeber hereinbringen konnten, dennoch aber alle restlichen Ansprüche im Rahmen der Sicherungsmöglichkeiten des IESG ersetzt erhielten (SZ 64/124; RIS-Justiz RS0076422). Für diese Überlegung macht es aber keinen Unterschied, ob ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis generell oder nur in seinem ein bestimmtes Ausmaß übersteigenden Teil nicht gesichert ist. Sie treffen jedenfalls dann zu, wenn - wie hier - alle in Betracht kommenden Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis resultieren.

Damit ist aber sämtlichen weiteren - auch den auf § 1416 ABGB gestützten - Überlegungen des Revisionswerbers, wonach der Grundsatz, dass Teilzahlungen zunächst auf die gesicherten Forderungen anzurechnen sind, im Falle einer freiwilligen Abgangsentschädigung nicht zum Tragen komme, der Boden entzogen. Auch auf die "Insolvenz-Richtlinie" 80/987/EWG kann er sich nicht mit Erfolg berufen. Er bestreitet nicht, dass die hier mehrfach zitierte Rechtsprechung richtlinienkonform ist. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich aber aus den dargestellten Gründen von den den zitierten Entscheidung zugrunde liegenden Konstellationen wertungsmäßig nicht. Die im Rechtsmittel (allerdings sehr undeutlich) geäußerten Bedenken beziehen sich offenkundig ausschließlich auf das Zusammentreffen von Arbeitnehmeransprüchen aus dem Arbeitsverhältnis und Ansprüchen des Arbeitnehmers, die nicht mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Diese Konstellation ist aber hier nicht zu beurteilen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeitserwägungen rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht.

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