Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1. 8. 1999 bis 31. 8. 2000 bei dem späteren Gemeinschuldner als Angestellter im Außendienst mit einem Bruttogehalt von S 20.300,-- zuzüglich 2 %iger Umsatzprovision und Kilometergeld beschäftigt.
In seinem Dienstvertrag wurde eine Kündigungsfrist von vier Monaten vereinbart. Seit März 2000 erhielt er kein laufendes Entgelt ausbezahlt, nachdem ihm die letzten Spesen überhaupt Mitte Jänner 2000 bis einschließlich der 35. Kalenderwoche 1999 ausbezahlt worden waren. Er teilte daraufhin am 4. 4. 2000 seinem Arbeitgeber mit, dass er bis zur gänzlichen Bezahlung der ausstehenden Spesen keine Dienstreisen mehr unternehmen werde, sonst aber arbeitsbereit sei. Daraufhin wurde er von seinem Arbeitgeber am 27. 4. 2000 zum 31. 8. 2000 gekündigt. Während dieser Zeit wurde er im Schnitt noch dreibis viermal täglich von Kunden kontaktiert und leitete dies an seinen Arbeitgeber weiter. Aufgrund mit seinem Lebensalter verbundener Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt erklärte er nicht seinen Austritt, sondern hoffte auf eine Verbesserung der Situation bei seinem Arbeitgeber und eine Weiterbeschäftigung sowie Nachzahlung seiner offenen Bezüge. Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. 8. 2000 wurde schließlich am 30. 10. 2000 über das Vermögen seines Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet.
Die Beklagte gab dem Antrag des Klägers auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld teilweise statt, wies jedoch das Begehren auf die für die Zeit nach 30. 6. 2000 angefallenen, der Höhe nach nicht strittigen Bezüge mit der Begründung ab, dass nur Ansprüche unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist von sechs Wochen sohin bis zum 30. 6. 2000 gesichert sein.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger nunmehr die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld für diese Bezüge ab Juli 2000 in Höhe von S 34.362,52 sA und stützt dies im Wesentlichen darauf, dass es sich um gesicherte Ansprüche handle, und zwar um Ansprüche auf laufendes Gehalt aus dem aufrechten Dienstverhältnis, das tatsächlich auch bis 31. 8. 2000 gedauert habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass die Rechtsansicht des Klägers im Wortlaut des § 3 Abs 3 IESG keine Deckung finde, da danach bei der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeld für gesicherte Ansprüche die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zulegen sei. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten könne nur hinsichtlich der tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten und deren mangelnder Berücksichtigung bei früheren Beendigungsansprüchen vorgenommen werden. Die Kündigung durch den Gemeinschuldner am 27. 4. 2000 hätte daher unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 30. 6. 2000 ausgesprochen werden können, wobei die vertragliche Zusicherung einer viermonatigen Kündigungsfrist nicht maßgeblich sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen statt. Es folgerte rechtlich aus dem einleitend festgestellten Sachverhalt, dass der Wortlaut des § 3 Abs 3 erster Satz IESG eine Beschränkung hinsichtlich der Kündigungsfristen vorsehe. Dies beziehe sich aber auf Fälle, in denen der Stichtag nach § 1 Abs 1 IESG vor Beginn der Kündigungsfrist und jedenfalls noch innerhalb eines bestehenden Dienstverhältnisses liege. Es würde eine unsachliche Ungleichbehandlung von ungekündigten und gekündigten Mitarbeitern bedeuten, wenn den gekündigten Mitarbeitern der dreimonatige Entgeltschutz verwehrt bliebe. Daher stehe ihnen auch nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist bis zum Ende der Frist nach § 3 Abs 1 IESG schon nach der früheren Rechtslage Insolvenz-Ausfallgeld zu. Dass nunmehr die Bezugnahme in § 3 Abs 3 IESG auf die Kündigung nach § 25 KO bzw § 20b und c AO weggefallen sei, könne daran nichts ändern, da dies für arbeitsbereite Arbeitnehmer sonst eine unsachliche Diskriminierung bedeuten würde. Im Ergebnis bewirke die Kündigung eine Umwandlung in ein befristetes Dienstverhältnis. Insoweit sehe das IESG auch keine Beschränkungen vor. Vom Kläger sei auch nicht ein allfälliger Austritt nach § 26 AngG zu verlangen, da dies an dem Umfang seiner Ansprüche nichts geändert hätte. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Zwar scheine der Wortlaut der Bestimmung die Auffassung der Beklagten zu stützen, jedoch würde dies zu einer aus sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigenden unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmeransprüchen aus im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch aufrechten Arbeitsverhältnissen und solchen, die bereits davor beendet wurden, führen. Die wesentliche Funktion des § 3 Abs 3 IESG liege darin, die neu gefassten Bestimmungen über das Ausmaß des Insolvenz-Ausfallgeldes in den §§ 3 bis 3d IESG als "Allgemeiner Teil" hinsichtlich des Umfanges des Insolvenz-Ausfallgeldes zu bestimmen. Die Einschränkung durch § 3 Abs 3 IESG komme nur dann in Betracht, wenn die Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld vom Umfang einer Kündigungsfrist abhängig seien. Dies treffe aber auf den Anspruch auf laufendes Entgelt vor Eintritt der Insolvenz entsprechend § 3a Abs 1 IESG nicht zu. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung der hier maßgeblichen Frage zu § 3 Abs 3 IESG in der nunmehr geltenden Fassung nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, aber nicht berechtigt.
Im Wesentlichen kann auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
§ 3 Abs 3 in der Fassung vor der Novelle BGBl I 107/1997 lautete wie folgt:
"Wurde ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber vor Eröffnung des Konkurses oder des Ausgleichsverfahrens oder danach gemäß § 25 KO bzw gemäß § 20b und c AO gekündigt, so gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für gesicherte Ansprüche (§ 1 Abs 2) bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, längstens jedoch bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen."
Die Bestimmung des § 3 IESG enthielt damals unter der Überschrift "Ausmaß des Insolvenz-Ausfallgeldes" die Regelungen des Insolvenz-Ausfallgeldes sowohl für Ansprüche vor als auch nach dem Stichtag und ebenso für laufendes Entgelt wie für andere Ansprüche. Diese Bestimmungen finden sich nunmehr ebenfalls wieder unter der Überschrift "Ausmaß des Insolvenz-Ausfallgeldes" in den §§ 3 bis 3d
IESG.
Bereits in seiner Entscheidung vom 6. 5. 1994 (8 ObS 4/94 = SZ 67/85
= DRdA 1995/13 [Reisner]) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen,
dass eine konsequent am Wortlaut orientierte Anwendung des früheren § 3 Abs 3 IESG dazu führen würde, dem gekündigten Arbeitnehmer schon bei Auslaufen der gesetzlichen Kündigungsfrist unter Beachtung des Kündigungstermines vor dem Ende der Frist des § 3 Abs 1 IESG - Dreimonatsfrist nach Insolvenzeröffnung - anders als dem in ungekündigter Stellung weiterarbeitenden Arbeitnehmer dem Entgeltschutz zu versagen. Der Oberste Gerichtshof hat aber selbst dieses Ergebnis - das sich immerhin auf den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung, jedoch innerhalb des Sicherungszeitraumes bezog - abgelehnt, weil dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der gekündigten Arbeitnehmer gegenüber den nicht gekündigten Arbeitnehmern führen würde, obwohl diese bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zur Weiterarbeit verpflichtet seien. Nunmehr lautet die die Regelungen über das "Ausmaß des Insolvenz-Ausfallgeldes" einleitende Bestimmung des § 3 IESG Bestimmung im ersten Satz des Abs 3 dahin, dass der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes für gesicherte Ansprüche unbeschadet des zweiten Satzes - eingeschränkte Vorzeitenanrechnung - nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen ist.
An den wesentlichen Wertungen, wie sie bereits in der Entscheidung zu 8 ObS 4/94 zum Ausdruck gebracht wurden, hat sich nichts geändert. Auch hat das Berufungsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 3 Abs 3 IESG nur dort zum Tragen kommt, wo bei der Bestimmung des Ausmaßes des Insolvenz-Ausfallgeldes auf die Kündigungsfristen überhaupt Bezug genommen wird. Dies trifft jedoch auf § 3a Abs 1 IESG, der die Ansprüche auf laufendes Entgelt vor der Insolvenz regelt - also den vorliegenden Fall - nicht zu, da dieser dieses laufende Entgelt in dem dort genannten Sechsmonatszeitraum sichert, ohne dass in irgendeiner Weise darauf abgestellt wird, ob das Arbeitsverhältnis sich in gekündigtem oder ungekündigtem Zustand befindet.
Die bisher ergangenen Entscheidungen (vgl inbes RIS-Justiz RS0077434, aber auch etwa zuletzt OGH 29. 11. 2001, 8 ObS 219/01s) hatten regelmäßig Fragen des Ausmaßes des Insolvenzausfallgeldes zum Inhalt, bei denen im Rahmen der Regelungen über dieses Ausmaß nach Eintritt des Insolvenzfalles insbesondere auch im Zusammenhang mit deren spezifischen insolvenzrechtlichen Beendigungstatbeständen der §§ 25 KO und 20b und c AO, auf die Dauer der Kündigungsfristen abzustellen war (vgl 8 ObS 219/01s - Kündigung durch den Masseverwalter; 8 ObS 3/98v - Vorzeitiger Austritt während des Konkursverfahrens; 8 ObS 2339/96w - Begehren auf Kündigungsentschädigung unter Zugrundelegung einer vereinbarten zweijährlichen Kündigungsfrist; 8 ObS 9/92 - Aufkündigung nach §§ 20 b und c AO).
Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 ASGG.
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