OGH 8ObS2339/96w

OGH8ObS2339/96w10.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Walter Kraft und Brigitte Haumer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stefan F*****, Journalist, ***** vertreten durch Dr. Markus Orgler, Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Tirol, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 2,252.161,59 (Insolvenz-Ausfallgeld), infolge Rekurses der beklagten Partei (Rekursinteresse: S 1,036.758,56) gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. September 1996, GZ 25 Rs 73/96p-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. April 1996, GZ 47 Cgs 22/96f-6, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 1. 4. 1975 bis 30. 9. 1979 und nach Leistung seines Grundwehrdienstes wieder vom 1. 4. 1980 bis 15. 8. 1993 bei der K***** Redaktionsgesellschaft mbH beschäftigt. Vom 1. 9. 1993 bis zum 2. 12. 1993 - dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die neue Arbeitgeberin mit sofortiger Wirkung - war er bei der mit einem Stammkapital von S 500.000,-- am 15. 6. 1993 gegründeten und am 27. 7. 1993 ins Firmenbuch eingetragenen B*****gesellschaft mbH als Chefredakteur für die unabhängige Wochenzeitung "W*****" tätig.

Nach dem auf das gegenständliche Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrag für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure, Redaktionsaspiranten und Reporter kann das Dienstverhältnis vom Dienstgeber mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres gekündigt werden; die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate und erhöht sich nach fünfjähriger ununterbrochener Dauer des Dienstverhältnisses mit jedem Dienstjahr um einen Monat bis zum Höchstausmaß von einem Jahr.

Der mit dem Kläger abgeschlossene Dienstvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"Das Dienstverhältnis ist unbefristet, kann aber innerhalb der ersten zwei Jahre von der Firma B***** Medien GmbH nicht gekündigt werden. Eine Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung von Stefan F***** für den Fall der Einstellung oder Insolvenz der "W*****-Woche" erfolgt gesondert................

Als redaktionelle, hinsichtlich des Urlaubs-, Abfertigungs- und Entgeltfortzahlungsanspruches im Krankenstand relevante Vordienstzeiten werden 18 Angestelltenjahre angerechnet."

Mit seiner am 20. 12. 1993 gegen die Arbeitgeberin erhobenen Klage begehrte der Kläger den Bruttobetrag von S 1,033.735,18 an restlichem Gehalt, anteiligen Sonderzahlungen, Entgelt für Überstunden und Mehrarbeit, Kilometergeld und Aufwandersatz, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und den sofort fälligen Teil der Abfertigung. Die Arbeitgeberin anerkannte das Klagebegehren, worauf ein Anerkenntnisurteil erging, das in Rechtkraft erwachsen ist.

Mit Beschluß vom 28. 1. 1994, S 116/93 des LG Innsbruck, wurde der Antrag der Arbeitgeberin auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft mangels eines hinreichenden Vermögens abgelehnt.

Mit seinem am 24. 5. 1994 bei der beklagten Partei eingelangten Antrag begehrte der Kläger Insolvenz-Ausfallgeld im Betrag von S 3,123.670,61, darunter Abfertigung von 10 Monatsentgelten sowie Kündigungsentschädigung vom 3. 12. 1993 bis 31.12.1995 (irrig wurde der 31. 12. 1996 angeführt, wodurch eine fehlerhafte Berechnung durch die beklagten Partei veranlaßt wurde). Mit Bescheid der beklagten Partei vom 2. 1. 1996 wurde dem Kläger Insolvenz-Ausfallgeld von S 871.509,-- unter anderem für die Abfertigung im Ausmaß von 8 Monaten sowie für die Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 3. 12. 1993 bis 31. 12. 1994 zuerkannt.

Die darüber hinausgehenden Ansprüche wurden mit Bescheid vom selben Tag mangels Vorliegens gesicherter Ansprüche nach § 1 Abs 2, Abs 3 Z 3, Abs 4 und Abs 4a IESG abgelehnt. Eine für den Fall der Insolvenz der "W*****" vorgesehene gesonderte Vereinbarung sei nie abgefaßt worden, sohin sei für die Berechnung der Kündigungsfrist der für den Kläger anzuwendende Kollektivvertrag herangezogen worden, wobei die nach dem Arbeitsvertrag angerechneten 18 Dienstjahre berücksichtigt worden seien. Danach ergebe sich das Höchstmaß einer einjährigen Kündigungsfrist. Den zuerkannten 8 Monaten an Abfertigung im Ausmaß des gesicherten Höchstbetrages seien neben der Dienstzeit von drei Monaten und zwei Tagen auch die angerechnete Vordienstzeit von 18 Jahren und einem Jahr und 28 Tagen Kündigungsfrist, insgesamt sohin 19 Jahre und vier Monate zugrundegelegt worden.

Mit seiner am 2. 1. 1996 dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger unter anderem Insolvenzentgelt für die Kündigungsentschädigung, soweit diese den Zeitraum von einem Jahr übersteigt, sowie für Abfertigung, soweit diese 8 Monatsbeträge überschreitet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte unter anderem vor, daß die Arbeitgeberin bereits knapp 8 Wochen nach Abschluß des Arbeitsvertrages ihre Zahlungen eingestellt habe. Weiters sei sie der Ansicht, daß der zweijährige Kündigungsverzicht für den Arbeitgeber für den Fall der Einstellung bzw Insolvenz der "W*****" als obsolet anzusehen sei, weshalb die Regelung nach § 10 JournalistenG Platz zu greifen habe. Überdies sei auch § 25 Abs 1 KO zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte rechtlich aus, daß bei Berechnung des Anspruches des Klägers auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung der fiktive Kündigungstermin nach § 25 Abs 1 KO zugrundezulegen sei. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum der Arbeitnehmer im Fall der Abweisung eines Konkursantrages (mangels Vermögens) besser gestellt sein solle als im Fall eines Konkurses.

Das Berufungsgericht gab der nur hinsichtlich eines Teilbetrages von S 1,043.758,56 (richtig S 1,036.758,56 sA) erhobenen Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof aufgrund Fehlens einer höchstgerichtlichen Judikatur zur entscheidenden Rechtsfrage der analogen Anwendung des § 25 Abs 1 KO auf den Tatbestand der Abweisung eines Konkurseröffnungsantrages mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens zulässig sei.

Es vertrat unter anderem die Rechtsauffassung, daß die Abfertigung unter Zugrundelegung des fiktiven Kündigungstermines zu ermitteln sei. Die hiefür maßgebliche Vertragsbestimmung in Verbindung mit dem Zusatz, "eine Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung des Klägers für den Fall der Einstellung oder Insolvenz der "W*****" erfolge gesondert", sei jedoch auslegungsbedürftig. Die Frage der Auslegung der genannten Bestimmung des Dienstvertrages wäre dann ohne Bedeutung, wenn man davon ausginge, daß unabhängig vom Dienstvertrag gemäß § 25 KO nur von der gesetzlichen Kündigungsfrist auszugehen sei. Eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 25 KO auf den vorliegenden Fall sei mangels Vorliegens einer planwidrigen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Gesetzeslücke allerdings zu verneinen. Die erforderliche Klarstellung der Bedeutung der angesprochenen Dienstvertragsbestimmung bliebe daher entscheidungs- wesentlich. Das Erstgericht werde daher die Absicht der Parteien im Sinn des § 914 ABGB zu erforschen haben und hiezu nach erforderlicher Beweisaufnahme Feststellungen zu treffen haben. Weiters wird auf die erkennbare fehlerhafte Berechnung einzugehen sein.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, dem Rekurs Folge zu geben und in der Sache selbst dahin zu entscheiden, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Streitgegenständlich sei nur mehr die Frage, ob dem Kläger Insolvenz-Ausfallgeld für die Kündigungsentschädigung gebühre, soweit diese über einen Zeitraum von einem Jahr hinausgehe sowie für eine 8 Monatsbeträge übersteigende Abfertigung.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aufgrund des Fehlens einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Anwendung der sich aus § 3 Abs 3 IESG idF BGBl 395/1986 ergebenden Beschränkung der Sicherung der Kündigungsentschädigung auf den Zeitraum bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine auch auf den Fall einer vor Ablehnung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens ausgesprochenen Kündigung durch den Arbeitgeber zulässig; er ist auch im Ergebnis berechtigt.

§ 3 Abs 3 IESG in der hier anzuwendenden, erst durch die IESG-Novelle 1997 geänderten Fassung gemäß BGBl Nr 395/1986 hatte folgenden Wortlaut:

"Wurde ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber vor der Eröffnung des Konkurses oder des Ausgleichsverfahrens oder danach gemäß § 25 KO bzw gemäß §§ 20b und 20c AO gekündigt, so gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für gesicherte Ansprüche (§ 1 Abs 2) bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, längstens jedoch bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen."

Erst mit der IESG-Novelle 1997, BGBl I 107/1997, wurde § 3 Abs 3 IESG durch die Bedachtnahme auf die Vordienstzeitenanrechnung ergänzt und dieser Bestimmung überdies durch Entfall der Verweisung auf die Bestimmungen der KO und AO über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen eine allgemeinere Fassung gegeben; diese spätere Fassung ist aber noch nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Die spätere Fassung des § 3 Abs 3 bewirkte lediglich eine Verdeutlichung, daß gemäß § 3 Abs 3 IESG der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeld für gesicherte Ansprüche grundsätzlich nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrundezulegen sind. Die Einschränkung des § 3 Abs 3 IESG aF, die auf die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber vor der Eröffnung der Konkurses oder des Ausgleichsverfahrens oder danach nach § 25 Abs 1 KO bzw gemäß §§ 20b, 20c AO abgestellt hat, ist weggefallen (vgl Liebeg, IESG2 Rz 23 zu § 3 mwN in FN 31).

Da § 1 Abs 1 Z 3 IESG die Ablehnung der Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens mit der Konkurseröffnung gleichstellt, ist es gerechtfertigt, die Begrenzung der Sicherung der Ansprüche des Arbeitnehmers im Konkurs nach § 3 Abs 3 IESG idF BGBl 395/1986 auch auf den im § 1 Abs 1 Z 3 IESG genannten Fall anzuwenden. Diese Begrenzung hat die Rechtsprechung auch analog auf den Austritt des Arbeitnehmers (etwa gemäß § 26 Z 2 AngG) angewendet (8 ObS 294/97m: Austritt vor Konkurseröffnung). Ebensowenig wie es sachlich gerechtfertigt wäre, dem vorzeitig austretenden Arbeitnehmer einen weitergehenden Entgeltschutz zuzubilligen als dem nach ordnungsgemäßer Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterbleibenden Arbeitnehmer, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, den Umfang des gesicherten Insolvenzausfallgeldes davon abhängig zu machen, ob über das Vermögen des das Arbeitsverhältnis aufkündigenden Arbeitgebers in der Folge der Konkurs eröffnet oder der Antrag auf Konkurseröffnung mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde; in beiden Fällen gebührt Kündigungsentschädigung gemäß § 29 AngG ohne Bindung an längere vertragliche Kündigungsfristen oder Termine. Da § 3 Abs 3 IESG das Ausmaß der gesicherten Ansprüche längstens für die Zeit bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine ist beschränkt, auch eine mittelbar oder unmittelbar vertraglich vereinbarte Verlängerung der Kündigungsfrist nicht anspruchserhöhend zu berücksichtigen (DRdA 1993/21, 217 [Holzer]). Folgerichtig war auch der infolge der durch den vertraglichen Kündigungsverzicht verlängerten fiktiven Kündigungsfrist entstandene Anspruch auf erhöhte Abfertigung nicht gesichert. Daher ist im Ergebnis der Kläger nicht beschwert, wenn die beklagte Partei ihm Kündigungsentschädigung für ein Jahr und 28 Tage und Abfertigung im Ausmaß von 8 Monatsentgelten gewährt hat, wobei sie im Sinne einer Anrechnung der Vordienstzeiten auch für die Bemessung der Kündigungsfrist von einer solchen von einem Jahr ausging und diese auch der Berechnung des gesicherten Abfertigungsanspruches zugrundelegte. Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Ergänzung zur Erforschung der Absicht der Vertragsparteien bedarf es nicht.

Wohl ist aber auf den vom Berufungsgericht aufgezeigten Berechnungsfehler der Ansprüche einzugehen, indem ein fehlerhafter Quotient der Berechnung der gesicherten Ansprüche zugrundegelegt wurde (ausgehend von der fehlerhaften Annahme, der Kläger würde bis 31. 12. 1996 Kündigungsentschädigung begehren und nicht nur bis 31. 12. 1995; vgl Berufungsentscheidung S 8). Ob das Ausmaß der Berichtigung dieser fehlerhaften Berechnung im Vergleich zur Anspruchsbegrenzung durch die Grenzbeträge ins Gewicht fällt, ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen (§ 510 Abs 1 letzter Satz iVm § 528a ZPO).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO iVm § 77 ASGG.

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