Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.082,92 EUR (darin enthalten 180,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.976,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR USt und 1.234 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 31. 10. 2002 bis 27. 2. 2009 als Tankwagenreiniger in der Funktion als Vorarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch vorzeitigen Austritt des Klägers unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe. Beim Kläger liegt eine schwerwiegende depressive Erkrankung vor, die ihm in der gegebenen Situation die Fortsetzung seiner Tätigkeit bei der Beklagten nicht mehr zumutbar macht. Dem liegt eine Auseinandersetzung mit einem dem Kläger neu zugeteilten Mitarbeiter zugrunde, die von einer massiven Rauferei begleitet war.
Der Kläger machte seine Ansprüche auf gesetzliche Abfertigung, Urlaubsersatzleistung, anteilige Sonderzahlungen und Kündigungsentschädigung geltend. Da ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne erhebliche Gefährdung seiner Gesundheit nicht mehr möglich gewesen sei und ihm die Beklagte keinen geeigneten Ersatzarbeitsplatz angeboten habe, sei er berechtigt aus dem Arbeitsverhältnis vorzeitig ausgetreten.
Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger an keinen gesundheitlichen Problemen leide, die mit seiner Tätigkeit in ihrem Unternehmen im Zusammenhang stünden. Dem Kläger sei auch eine Ersatzarbeit angeboten worden, die einen Kontakt zu seinem Kontrahenten vermieden hätte. Die Gesundheit des Klägers sei daher nicht durch den Arbeitsplatz gefährdet. Mangels Verschuldens bestehe für die geltend gemachte Kündigungsentschädigung keine Grundlage.
Das Erstgericht gab dem Begehren auf Abfertigung, Urlaubsersatzleistung und anteilige Sonderzahlungen im Betrag von insgesamt 9.666,85 EUR brutto sA statt. Das Mehrbegehren auf Zahlung der Kündigungsentschädigung von 2.005,02 EUR brutto sA wies es ab. Ausgehend von den Feststellungen könne der Kläger seine Arbeit ohne erweislichen Schaden für seine Gesundheit nicht mehr fortsetzen. Der Austritt sei daher berechtigt erfolgt. Die Kündigungsentschädigung stehe als Schadenersatzanspruch hingegen nicht zu, weil die Beklagte am Entstehen des Konflikts zwischen ihm und dem Mitarbeiter kein Verschulden treffe. Eine Gestaltungspflicht der Beklagten dahin, dass sie verpflichtet gewesen wäre, den Kontrahenten des Klägers zu kündigen, bestehe nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Aus einem Zusammentreffen des Klägers mit seinem Kontrahenten am Betriebsgelände hätte ein gesundheitlicher Schaden noch nicht befürchtet werden müssen. Dafür seien vielmehr weitere Bedrohungen oder Beleidigungen erforderlich gewesen. Die bloße Befürchtung des Klägers, es könnte in Zukunft zu einem abträglichen Verhalten des Kontrahenten kommen, reiche für die Annahme einer Gesundheitsgefährdung aber nicht aus. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung den Einzelfall betreffe und das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in der Weise abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde.
Mit ihrer - durch den Obersten Gerichtshof freigestellten - Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil sich die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Berechtigung des vorzeitigen Austritts des Klägers als korrekturbedürftig erweist. Die Revision ist dementsprechend berechtigt.
1.1 Auf den hier anzuwendenden § 82a lit a GewO 1859 sind bei Austritt wegen Gesundheitsgefährdung die von der Lehre und Rechtsprechung zu § 26 Z 1 AngG entwickelten Grundsätze sinngemäß anzuwenden (RIS-Justiz RS0028788).
1.2 Der Austrittsgrund der dauerhaften Gesundheitsgefährdung gemäß § 26 Z 1 zweiter Fall AngG ist nach der Rechtsprechung verwirklicht, wenn durch die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit für den Dienstnehmer eine aktuelle Gefahr für seine Gesundheit besteht und ihm aus diesem Grund die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Maßgeblich ist somit die Prognose, zukünftig das Arbeitsverhältnis nicht ohne Gesundheitsgefährdung fortsetzen zu können (RIS-Justiz RS0028723; RS0060144; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 26 Rz 5 und 10).
Zwischen der Dienstleistung und der Gesundheitsgefährdung muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Nach der Rechtsprechung können aber auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz (zB Mobbing: 8 ObA 2285/96d) oder das Arbeitsklima (zB degradierende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen: 9 ObA 47/88) eine zum Austritt berechtigende Gesundheitsbeeinträchtigung bewirken (Friedrich aaO § 26 Rz 12). In diesem Sinn ist es ebenso denkbar, dass eine krankheitswerte psychische Belastungssituation am Arbeitsplatz, der nicht durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Gestaltung der Arbeitssituation, begegnet werden kann, einen vorzeitigen Austritt rechtfertigt. In dieser Hinsicht kommt auch eine durch das Arbeitsumfeld bedingte Konfliktsituation mit relevanten gesundheitlichen Auswirkungen in Betracht, wenn die konfliktträchtigen Bereiche nicht abgetrennt und die belastenden Zerwürfnisse nicht bereinigt werden können (vgl 9 ObA 130/09x; 8 ObA 78/10v).
2.1 Auch wenn sich die Frage, ob den betrieblichen Vorfällen und ihren gesundheitlichen Auswirkungen ein solches Gewicht zukommt, dass sie zum Austritt berechtigen, nur nach den Umständen des Einzelfalls beantworten lässt (vgl RIS-Justiz RS0106298), kann die Beurteilung der Vorinstanzen zur Wahrung der Rechtseinheit nicht aufrecht erhalten werden.
2.2 Nach den Feststellungen stellt die depressive Störung des Klägers eine schwerwiegende Erkrankung dar. Im Fall weiterer Begegnungsmöglichkeiten mit seinem Kontrahenten ist dem Kläger der Weiterverbleib im Betrieb der Beklagten wegen der Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung unzumutbar. Eine solche Begegnungsmöglichkeit würde nur dann nicht ausreichen, wenn gleichzeitig weitere Bedrohungen oder Beleidigungen bzw abwertende Gesten ausgeschlossen wären. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen allerdings nicht gegeben.
Der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers kommt somit bereits Krankheitswert zu. Wie das Berufungsgericht selbst ausführt, sind weitere Drohungen (zB eindeutige Handbewegungen, die ein Kopfabschneiden symbolisieren) und Beleidigungen bei einem nicht zu vermeidenden Zusammentreffen am Betriebsgelände jedenfalls nicht ausgeschlossen. Da bereits das Bedrohungspotenzial die weitere Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten unzumutbar macht, ist die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu teilen, dass die Möglichkeit weiteren Fehlverhaltens des Kontrahenten nicht ausreiche, um eine Gesundheitsgefährdung befürchten zu lassen.
Diesem Ergebnis steht auch nicht etwa die Entscheidung 9 ObA 31/03d entgegen. Darin wurde ausgesprochen, dass die Bedrohung der Gesundheit des Arbeitnehmers schon im Zeitpunkt der Austrittserklärung bestehen muss und die bloße Befürchtung, eine solche Bedrohung könnte in Zukunft eintreten, nicht ausreicht. Beim Kläger liegt aber eine Gesundheitsschädigung bereits vor und ist auch eine relevante Gesundheitsgefährdung nach der aktuellen Situation für die Zukunft gegeben.
2.3 Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die zum Austritt berechtigende Gefahr für die Gesundheit durch die Arbeitsleistung an sich gegeben sein müsse, steht mit der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht im Einklang. Vielmehr wird die Kausalitätsgrenze in der Regel dort gezogen, wo die Gründe für die Gesundheitsgefährdung vorwiegend im privaten Umfeld des Dienstnehmers zu finden sind und der Bezug zur Dienstleistung gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang gegeben ist (9 ObA 130/09x). Schon in der Entscheidung 9 ObA 31/03d wurde in dieser Hinsicht ausgesprochen, dass die Gesundheitsgefährdung nicht allein durch die Arbeitsleistung verursacht sein muss, sondern auch die Verschlechterung eines anlagebedingten oder auf andere Ursachen zurückzuführenden Leidens durch die Arbeitsleistung den Arbeitnehmer zum Austritt berechtigt. Relevante Beeinträchtigungen der Gesundheit, die einen vorzeitigen Austritt rechtfertigen, können aber auch durch das schädliche Arbeitsklima (8 ObA 78/10v) oder durch Konfliktsituationen am Arbeitsplatz hervorgerufen werden.
Auch diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen stellt die arbeitsbedingte Auseinandersetzung des Klägers mit seinem untergebenen Mitarbeiter zumindest die wesentliche Mitursache für sein Krankheitsbild dar. Da die Beklagte für eine vollkommene Trennung der arbeitsbezogenen Bereiche des Klägers und seines Kontrahenten nicht Sorge tragen konnte, war sie auch nicht in der Lage, das Konfliktpotenzial zu beseitigen. Die Herbeiführung der Auseinandersetzung kann nicht etwa dem Kläger zugeordnet werden, weil er als Vorarbeiter berechtigt war, die nicht zufriedenstellende Arbeitsleistung seines Untergebenen anzusprechen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass eine zum vorzeitigen Austritt berechtigende aktuelle und relevante Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung auch durch das schädliche Arbeitsklima oder eine nicht beseitigte Konfliktsituation im Arbeitsumfeld hervorgerufen werden kann.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht stand. In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil daher im Sinn einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.
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