OGH 8ObA59/23v

OGH8ObA59/23v19.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter OAR Prof. Franz Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* M*, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei C* AG, *, vertreten durch die Lansky, Ganzger, Goeth, Frankl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 21. Juni 2023, GZ 10 Ra 47/23i‑120, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00059.23V.1019.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Wesentlich für den Entschluss der Beklagten zur von ihr am 3. 1. 2012 ausgesprochenen Kündigung des Klägers zum 30. 6. 2012 waren nach den Feststellungen dessen von ihr als potentiell rufschädigend angesehene, auch an unternehmensfremde Personen gerichtete E-Mails. Dass der Kläger „nicht zur Gänze bereit war, seine Rolle in der Zentrale anzunehmen“, trug nach den Feststellungen „zusätzlich zur Kündigung bei“. Letzteres spielte – wie vom Erstgericht disloziert in seiner rechtlichen Beurteilung festgestellt – aber „nur eine untergeordnete Rolle“. Andere Motive waren – wie vom Erstgericht explizit festgestellt – für die Kündigung nicht wesentlich. Einziges Motiv für die mit der vorliegenden Klage angefochtene, für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung vom 3. 1. 2012 wegen Verständigung des „falschen“ Betriebsrats am 24. 4. 2012 ausgesprochene Eventualkündigung des Klägers zum 30. 9. 2012 war nach den Feststellungen der Wille der Beklagten, das Dienstverhältnis auch im Eventualfall zu beenden.

Rechtliche Beurteilung

[2] Ist – wie hier – Motiv für die Eventualkündigung nur die Bestätigung der ersten Beendigung des Dienstverhältnisses, welche zweifelhaft ist, so kommt es für die Anfechtung der Eventualkündigung wegen eines verpönten Motivs nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG auf die Motivation für den Ausspruch der ersten Kündigung an, wenn – wie hier – vom Arbeitgeber nicht iSd § 105 Abs 5 ArbVG glaubhaft gemacht wird, dass wegen zwischenzeitig aufgetretener Umstände ein anderes Motiv ausschlaggebend war (Kuras, Änderungs‑ und Eventualkündigungen – Betrachtungen aus der gerichtlichen Praxis, in FS Marhold [2020] 143 [154] mwN). Es ist hier daher auf die Motivlage für die Kündigung vom 3. 1. 2012 abzustellen.

[3] Das verpönte Motiv muss, um § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG zu unterfallen, zwar für die Kündigung nicht der ausschließliche, aber doch ein wesentlicher Beweggrund gewesen sein (8 ObA 3/19b; 8 ObA 45/22h; RIS‑Justiz RS0051661). Die Anfechtungsklage ist abzuweisen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes vom Arbeitgeber glaubhaft gemachtes (nicht verpöntes) Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war (§ 105 Abs 5 Satz 2 ArbVG). Ob das vom Arbeitgeber geltend gemachte Motiv geeignet ist, iSd § 105 Abs 5 ArbVG das vom Anfechtungskläger ebenfalls glaubhaft gemachte verpönte Motiv des Arbeitgebers zur Kündigung in den Hintergrund zu drängen, ist eine Folge der Abwägung aller festgestellten Umstände bei der objektiven Ermittlung der erhöhten Wahrscheinlichkeit des einen oder des anderen Motivs (RS0052037 [T4]; 9 ObA 27/10a).

[4] Aufgrund der feststehenden untergeordneten Rolle des Umstands, dass der Kläger „nicht zur Gänze bereit war, seine Rolle in der Zentrale anzunehmen“ (Dienstantritt in der Zentrale am 18. 7. 2011 nur unter Protest samt späterer Einbringung einer entsprechenden Klage), musste das nicht verpönte Motiv, den Beklagten wegen seiner potentiell rufschädigenden Massen‑E‑Mails – auch an zahlreiche Adressen außerhalb des Betriebes – zu kündigen, als iSv § 105 Abs 5 Satz 2 ArbVG ausschlaggebend angesehen und folglich die Anfechtungsklage abgewiesen werden.

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