OGH 8ObA27/09t

OGH8ObA27/09t18.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Michael Pieber als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Ilse K*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 96.956,84 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 3.633 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2008, GZ 9 Ra 16/08a-59, womit infolge der Berufungen beider Streitteile das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 4. Mai 2007, GZ 27 Cga 62/04s-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.769,25 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war als Vertragsbedienstete seit 1. 5. 1998 im Rahmen eines Sondervertrags gemäß § 36 VBG für die Beklagte als Leiterin der Abteilung für gesellschaftsbezogene Forschung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK) tätig. Mit 18. 10. 2002 trat im BMBWK eine neue Geschäftseinteilung in Kraft, durch die unter anderem die Ebene der Gruppenleiter aufgelöst wurde. Die Gruppenleiter hatten unter anderem die wichtige Funktion der Stellvertretung des Sektionsleiters. Dadurch bedingt wurde, ebenfalls am 18. 10. 2002, die als Ausgleich für den Wegfall der Gruppenleiterfunktion neu geschaffene Position der stellvertretenden Leitung der Sektion VI ausgeschrieben. Diese Ausschreibung enthielt keinen Hinweis gemäß § 5 Abs 2a Ausschreibungsgesetz (AusG), wonach auch qualifizierte Erfahrungen oder Praktika im Gesamtausmaß von mindestens 6 Monaten in einem Tätigkeitsbereich außerhalb der von der Ausschreibung betroffenen Dienststelle erwünscht seien. Es steht nicht fest, dass dieser Hinweis unterblieb, um weibliche Mitbewerberinnen zu benachteiligen.

Für diese Planstelle bewarben sich neben der (damals 54-jährigen) Klägerin auch Mag. Markus P***** (in weiterer Folge: Mag. P, damals 35 Jahre alt) sowie die Ministerialrätinnen Dr. S***** (in weiterer Folge: Dr. S, damals 55 Jahre alt) und Maga. H***** (in weiterer Folge: Maga. H, damals 52 Jahre alt). Das Erstgericht traf ausführliche Feststellungen über den beruflichen Werdegang, die erworbenen Qualifikationen und den Inhalt der jeweiligen Bewerbungen aller dieser Bewerberinnen und des Bewerbers.

Mag. P war der Wunschkandidat der damaligen Bundesministerin und des damaligen Leiters der Zentralsektion im Ministerium. Dieser ermunterte Mag. P, sich für die ausgeschriebene Planstelle zu bewerben. Da die Zentralsektion davon ausging, dass Mag. P zum stellvertretenden Sektionsleiter bestellt werde, wurden der von ihm geführten Abteilung mit der schon erwähnten neuen Geschäftseinteilung vom 18. 10. 2002 weitere Zuständigkeiten zugewiesen, die mit den Eigenzuständigkeiten des stellvertretenden Sektionsleiters gut harmonisieren. Diese neuen Zuständigkeiten hätten ebenso gut auch in die Abteilungen der Klägerin und der Mitbewerberin Dr. S übertragen werden können.

Zeitnah oder gleichzeitig mit der hier zu behandelnden Ausschreibung wurde auch die Planstelle der Leitung der Sektion VI ausgeschrieben, weil der dort langjährig tätige Sektionschef mit Ende 2002 den Ruhestand antreten sollte. Für diese Planstelle war Maga. W***** (in weiterer Folge: Maga. W) als Wunschkandidatin des Kabinetts vorgesehen, die dann auch am 26. 11. 2002, einen Tag nach Erstattung des Gutachtens der Begutachtungskommission über die stellvertretende Sektionsleitung, zur Sektionsleiterin ernannt wurde.

Die zur Beurteilung der Bewerbungen für die stellvertretende Leitung der Sektion bestellte Begutachtungskommission setzte sich aus sieben Mitgliedern zusammen, die beruflich mit der Klägerin und den anderen Bewerbern kaum oder nichts zu tun hatten. Kein Mitglied der Begutachtungskommission hatte die fachliche Kompetenz zur Beurteilung der Bewerber. Für die Sitzung der Begutachtungskommission am 19. 11. 2002 hatte eines der Mitglieder anhand der Bewerbungsunterlagen einen Raster mit vergleichenden Eintragungen über die Bewerber vorbereitet. Anhand dieses Rasters vergab die Begutachtungskommission Punkte, nach denen Mag. P und Dr. S als im höchsten Ausmaß und die Klägerin als im hohen Ausmaß für die zu besetzende Planstelle geeignet angesehen wurden. Maga. H wurde nicht berücksichtigt, weil sie die Formalerfordernisse des § 15b AusG nicht erfülle.

Die Begutachtungskommission beschloss am 20. 11. 2002, am 25. 11. 2002 ein Hearing der verbliebenen drei Bewerber durchzuführen. Am Tag dieses Hearings wurde von der Kommission beschlossen, den noch amtierenden Sektionschef als Fachexperten sowie einen Hearing-Experten zuzuziehen. Beim Hearing erhielt Mag. P die meisten Zwischenfragen und hinterließ den besten Eindruck auf die Kommission. Dr. S „brillierte nicht wie erwartet", sah sich aber während des Hearings mit einer „Mauer des Schweigens" konfrontiert. Auch die Klägerin erhielt nur wenige fachliche Zwischenfragen. Anschließend an das Hearing fand eine Diskussion statt. Die Bestellung der Maga. W zur Sektionschefin war noch nicht erfolgt, sie war jedoch im Bewerbungsverfahren erstgereiht worden. Dessen ungeachtet war Thema der Diskussion der Begutachtungskommission, wer mit der damals 38-jährigen Maga. W ein besonders gutes Team bilden würde. In diesem Zusammenhang wurde besprochen, dass die Mitbewerberin Dr. S sich auch für die Funktion der Sektionsleiterin beworben habe, die jedoch Maga. W innehaben werde. Es sei daher vielleicht ganz gut, Maga. W einen - nahezu gleichaltrigen - Mann zur Seite zu stellen. Die Begutachtungskommission diskutierte nicht die Frage, ob Dr. S oder die Klägerin zu wählen sei, sondern ob „eine der Frauen oder der Mann" zum Zug komme. Sie diskutierte die Frage, ob eine aufstrebende, junge, begeisterte, schwungvolle und tüchtige, oder eine bewährte, souveräne, routinierte, ältere und ebenso tüchtige Person zu wählen sei.

Die Kommission reihte schließlich Mag. P als in höchstem Ausmaß geeignet vor der Klägerin und Dr. S, die jeweils als in hohem Ausmaß geeignet angesehen wurden. Der anwesende Sektionschef, der als einziger die Bewerber aus ihrer dienstlichen Tätigkeit her kannte, wurde weder von der Kommission um seine Meinung gefragt, noch äußerte er diese. Bei der Beschlussfassung waren weder er noch der ebenfalls beigezogene Hearing-Experte anwesend. Der Sektionschef hätte Mag. P nicht den Vorzug gegeben, weil er in einem derartig jungen Führungsteam ein Risiko sah. Auch eine Meinung der (möglichen neuen) Sektionschefin wurde im Auswahlverfahren nicht eingeholt. Ein Mitglied der Begutachtungskommission verfasste eine Niederschrift über den Verlauf der Sitzungen und das schriftliche Gutachten, dessen wesentlichen Inhalt das Erstgericht feststellte. Auf die ausgeschriebene Planstelle der stellvertretenden Leitung der Sektion wurde Mag. P ernannt.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von 96.956,84 EUR brutto sA sowie die Feststellung, dass ihr die Beklagte für den Schaden aus der Diskriminierung bei der Besetzung der Funktion der Planstelle der stellvertretenden Leitung der Sektion VI im BMBWK mit 1. 12. 2002 hafte. Sie sei gemäß § 3 Z 5 B-GlBG (in der Stammfassung BGBl 1993/100, nunmehr § 4 Z 5 idgF BGBl I 2004/65 [in weiterer Folge werden Bestimmungen des B-GlBG in Fassungen vor der Novelle BGBl I 2004/65 als „aF" bezeichnet]) durch die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung diskriminiert worden, überdies verstoße die Auswahlentscheidung gegen das in § 43 B-GlBG (in der aF BGBl I 2001/87) normierte Frauenförderungsgebot. Die Klägerin begehrt, gestützt auf § 14 B-GlBG (in der aF BGBl I 1999/132), Art 6 der RL 76/207/EWG und Art 141 EGV Schadenersatz in Höhe der Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate, weil sie aufgrund besserer Eignung bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufsteigen hätte müssen. Der tatsächlich eingetretene Schaden belaufe sich auf Entgeltdifferenzen für den Zeitraum 1. 1. 2003 bis 28. 2. 2007. Die Klägerin sei auch im Verfahren für den beruflichen Aufstieg selbst diskriminiert worden, weil die Ausschreibung auf Mag. P zugeschnitten gewesen sei und darüber hinaus keinen Passus gemäß § 5 Abs 2 lit a AusG enthalten habe. Die Gleichbehandlungskommission des Bundes habe mit Gutachten vom 23. 12. 2003 eine Diskriminierung der Klägerin gemäß § 3 Z 5 B-GlBG aF sowie einen Verstoß gegen das Frauenförderungsgebot gemäß § 43 B-GlBG aF festgestellt.

Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, dass eine Diskriminierung der Klägerin nicht erfolgt sei. Auch bei diskriminierungsfreier Auswahl hätte die Klägerin die begehrte Planstelle nicht erhalten.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren im Umfang von 4.293 EUR brutto sA statt, wies jedoch das restliche Zahlungsbegehren sowie das Feststellungsbegehren ab. Es traf über den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Feststellungen:

Alle Bewerber waren sehr engagiert, hochmotiviert und sehr erfolgreich, sie brachten alle die Fähigkeiten und Kenntnisse mit, die die zu besetzende Planstelle erforderte. Die drei im Hearing gehörten Kandidaten lagen hinsichtlich ihrer Eignung sehr eng beieinander, keiner von ihnen wäre eine Fehlbesetzung gewesen. Dr. S sei im höchsten Ausmaß, die Klägerin und Maga. H (diese ungeachtet der Nichterfüllung der formalen Voraussetzungen) seien in hohem Ausmaß und Mag. P sei in geringerem Ausmaß für die ausgeschriebene Planstelle als geeignet anzusehen. Nicht festgestellt werden konnte, warum die Bewerber unterschiedlich behandelt wurden und Mag. P als bestgeeignet angesehen wurde.

Nach dem zum Zeitpunkt des Bewerbungsverfahrens geltenden Frauenförderungsplan im Wirkungsbereich des BMBWK lag der Anteil der Frauen sowohl unter den Sektionsleitern als auch unter deren Stellvertretern unter 40 %. Die von allen unterlegenen Bewerberinnen angerufene Gleichbehandlungskommission des Bundes gelangte zum Ergebnis, dass die Klägerin und Dr. S durch die Auswahlentscheidung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur gemäß § 3 Z 5 B-GlBG aF diskriminiert worden seien und die Auswahlentscheidung überdies gegen § 43 B-GlBG aF verstoße. Eine Diskriminierung der Maga. H gemäß § 3 Z 5 B-GlBG aF könne nicht ausgeschlossen werden. Die Gleichbehandlungskommission des Bundes gelangte zusammengefasst zum Ergebnis, dass die Feststellungen der Begutachtungskommission nicht nachvollziehbar seien.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass die Klägerin habe glaubhaft machen können, dass der Diskriminierungstatbestand des § 3 Z 5 B-GlBG aF vorliege. Sachlich nicht gerechtfertigt sei im Auswahlverfahren das Kriterium, wer am besten zur (noch nicht ernannten) neuen Sektionschefin passe. Ebenso wenig sei das Vorurteil berechtigt, Dr. S könne - als 15 Jahre ältere und im Bewerbungsverfahren um die Planstelle der Sektionsleitung unterlegene Mitbewerberin - nicht mit der neuen Sektionschefin gut zusammenarbeiten. Sachlich nicht gerechtfertigt sei weiters die Überlegung, dass der neuen Sektionschefin als Absolventin eines geisteswissenschaftlichen Studiums ein Stellvertreter aus dem Bereich der „life sciences" beizugeben sei. Das Auswahlverfahren sei eine Farce, wenn bereits zuvor dessen Ausgang feststehe und auch die Geschäftseinteilung, das gewünschte Ergebnis vorwegnehmend, geändert worden sei. Die Entscheidung der Begutachtungskommission sei nicht nachvollziehbar, weshalb auch deren Gutachten nur mangelhaft begründet sei. Insbesondere habe die Kommission, ohne durch das Gesetz dazu verpflichtet zu sein, eine Reihung der Bewerber vorgenommen. Nach dem Frauenförderungsplan habe die Verpflichtung bestanden, auf eine Beseitigung der Unterrepräsentation von Frauen auf der Ebene der stellvertretenden Sektionsleiter hinzuwirken.

Der Klägerin stehe lediglich ein Schadenersatzanspruch gemäß § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF zu, weil sie im Hinblick auf die bessere Eignung der Mitbewerberin Dr. S auch bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich nicht aufgestiegen wäre. Die Klägerin habe im Verfahren auch nicht vorgebracht, dass sie gegenüber den weiblichen Mitbewerberinnen höher qualifiziert gewesen wäre. Der Gesetzgeber habe in § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF den Fall nicht bedacht, dass auch mehrere weibliche Bewerberinnen einem männlichen Mitbewerber ungerechtfertigt unterliegen können. Es könne aber nicht die Intention des Gesetzgebers sein, allen unterlegenen weiblichen Mitbewerberinnen, solange sie nur besser qualifiziert sind als der männliche Bewerber, vollen Schadenersatz zuzuerkennen. Hier wäre aber bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beklagten Dr. S zum Zug gekommen. Aufgrund der annähernd gleichen Qualifikation der Klägerin im Vergleich zu Dr. S sei ihr ein Schadenersatzanspruch im Ausmaß der Entgeltdifferenz für drei Monate zuzuerkennen. Mangels eines weitergehenden Schadenersatzanspruchs sei nicht nur das darüber hinausgehende Leistungsbegehren, sondern auch das Feststellungsbegehren abzuweisen.

Den von beiden Streitteilen gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen gab das Berufungsgericht nicht Folge. Zur Berufung der Beklagten führte es rechtlich aus, dass die Beklagte, um einen Anspruch nach § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF abzuwehren, dartun hätte müssen, dass die Klägerin im Verfahren um den beruflichen Aufstieg nicht diskriminiert worden sei. Dies sei ihr jedoch nicht gelungen, weil das Motiv der Begutachtungskommission, wonach der künftigen Sektionschefin ein „nahezu gleichaltriger Mann zur Seite gestellt werden sollte", einen unzulässigen „Geschlechterproporz" darstelle. Damit sei die Klägerin unmittelbar aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden, wobei ausreiche, dass das vom Gesetz missbilligte Differenzierungsmerkmal - wenn auch nicht allein ausschlaggebend - überhaupt motivierend gewesen sei.

Der Berufung der Klägerin hielt das Berufungsgericht zusammengefasst entgegen, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs gemäß § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF nachzuweisen. Dafür sei Voraussetzung, dass der oder die Vertragsbedienstete bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgrund der besseren Eignung beruflich aufgestiegen wäre. Die Auswahlkriterien des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers müssten diskriminierungsfrei und ausreichend nachvollziehbar sein. Auch der öffentlich-rechtliche Dienstgeber dürfe jedoch bei Auswahlentscheidungen bis zu einem gewissen Grad auf nicht objektive Überlegungen zurückgreifen (etwa konkret nachgefragte Persönlichkeitskriterien, besondere psychische Fähigkeiten oder Entwicklungsmöglichkeiten). Ernennungsvorgänge reichten immer bis zu einem gewissen Grad in objektiv schwer fassbare Bereiche hinein. Doch müssten zur Vermeidung von Missbrauch strenge Anforderungen getroffen werden. Abgesehen von der gleichwertigen fachlichen Eignung der Klägerin und des Mag. P verbleibe als noch ausreichend sachliches Motiv, dass Mag. P als die „dynamischere" Persönlichkeit eingeschätzt worden sei („aufstrebend, begeistert, schwungvoll"). Darüber hinaus habe allenfalls seine naturwissenschaftliche Ausrichtung eine Rolle gespielt, weil die künftige Sektionsleiterin einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund habe und die Aufgaben der Sektion in beiden Bereichen lägen. Allerdings habe das Erstgericht festgestellt, dass nicht geklärt sei, welches Motiv für die Ernennung des Mag. P primär ausschlaggebend gewesen sei. Daher sei der beklagten Partei der Nachweis der besseren Eignung des Mag. P und damit die Abwehr des Diskriminierungsvorwurfs nicht gelungen. Umgekehrt habe auch die Klägerin nicht nachweisen können, dass sie bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen oder ihr gemäß § 43 B-GlBG aF der Vorzug zu geben gewesen wäre. Sie unterfalle daher einer im B-GlBG „nicht genannten dritten Gruppe" von Bediensteten, die weder von § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF noch von § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF genannt werde. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin unterliege daher weder der Ober- noch der Untergrenze gemäß § 14 B-GlBG aF. Gegen die vom Erstgericht festgesetzte Schadenshöhe für den hier allein gebührenden immateriellen Schaden bestünden jedoch keine Bedenken.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den verfahrensrelevanten, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Fragen fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im - gänzlich - klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

I. Auf den Schadenersatzanspruch der Klägerin ist § 14 B-GlBG aF anzuwenden, was von der Revisionswerberin auch nicht in Frage gestellt wird (vgl ausführlich VwGH 2007/12/0064; 2004/12/0199).

Mangels Anfechtung des Berufungsurteils durch die Beklagte wurde der Klägerin im Ergebnis rechtskräftig ein immaterieller Schadenersatzanspruch in der Höhe des in § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF genannten Höchstbetrags zuerkannt. Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines darüber hinausgehenden Schadenersatzanspruchs, wobei sie sich primär auf § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF stützt.

II.1 § 14 B-GlBG aF unterscheidet hinsichtlich der Höhe des Ersatzes zwischen Bewerbern bzw Bewerberinnen, die bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgrund der besseren Eignung die Planstelle erhalten hätten, und solchen, die zwar im Verfahren diskriminiert wurden, aber die Planstelle auch bei diskriminierungsfreier Auswahl wegen der besseren Eignung des beruflich aufgestiegenen Bediensteten nicht erhalten hätten.

§ 14 Abs 1 B-GlBG aF ordnet ungeachtet seines missverständlichen Wortlauts („... wegen einer ... Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach § 3 Z 5 nicht beruflich aufgestiegen ...") rechtswidrigem diskriminierenden Verhalten nicht nur dann schadenersatzrechtliche Konsequenzen zu, wenn wegen dieses Verhaltens der berufliche Aufstieg der diskriminierten Person verhindert wurde. Vielmehr soll - wie sich aus § 14 Abs 2 B-GlBG aF ergibt - jede vom Bund zu vertretende rechtswidrige Diskriminierung nach § 3 Z 5 B-GlBG aF Schadenersatzansprüche der diskriminierten Person zur Folge haben (so bereits 8 ObA 11/09i zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 12 GlBG).

Gemäß § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF beträgt der Ersatzanspruch „die Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate", wenn die oder der Bedienstete bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgrund der besseren Eignung beruflich aufgestiegen wäre.

Nach § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF beträgt der Ersatzanspruch „die Entgeltdifferenz bis zu drei Monate" wenn die oder der Bedienstete im Verfahren für den beruflichen Aufstieg diskriminiert worden ist, aber die zu besetzende Planstelle wegen der besseren Eignung des beruflich aufgestiegenen Bediensteten auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte.

II.2 Dass die Klägerin im Verfahren für den beruflichen Aufstieg diskriminiert wurde, steht bereits rechtskräftig fest, sodass auf die umfangreichen Revisionsausführungen zu dieser Frage nicht mehr eingegangen werden muss. Zu prüfen ist aber, ob die Klägerin - weil sie bei diskriminierungsfreier Auswahl die Planstelle erhalten hätte - den von ihr geltend gemachten materiellen Schaden begehren und sich auf die Mindestgrenze des § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF berufen kann, oder ob sie - weil sie die Planstelle auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte - nur einen ideellen Schaden für die erlittene persönliche Bereicherung begehren kann und sich die Höchstgrenze des § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF entgegenhalten lassen muss.

II.3 Dass sie bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgrund der besseren Eignung aufgestiegen wäre (§ 14 Abs 1 Z 2 B-GlBG aF) hat nach den allgemeinen Regelungen die Klägerin darzutun. Ob es sich dabei um eine Beweislast der Klägerin handelt oder ob die bloße Glaubhaftmachung genügt (zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 12 Abs 1 Z 1 GlBG vgl Kletecka in Rebhahn, § 12 Rz 17 GlBG, aber auch Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG, § 12 Rz 18) braucht nicht näher erörtert zu werden, weil die Klägerin den Umstand, dass sie bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgestiegen wäre, weder bewiesen, noch bescheinigt hat. Die gegenteiligen Ausführungen der Revisionswerberin beziehen sich auf ihre Eignung im Verhältnis zu Mag. P. Diese Argumentation greift aber von vornherein zu kurz, weil selbst die Glaubhaftmachung bzw der Nachweis, dass die Klägerin besser für die Planstelle geeignet ist, als Mag. P, wegen des Vorhandenseins jedenfalls einer weiteren, die Formalerfordernisse erfüllenden Bewerberin nicht zwangsläufig bedeuten würde, dass sie bei diskriminierungsfreier Auswahl die Planstelle erhalten hätte.

Dass in die Beurteilung auch andere Bewerber(-innen) einzubeziehen sind, entspricht dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF und auch dem Umstand, dass dem Gesetzgeber wohl nicht zugesonnen werden kann, er habe dann, wenn mehrere Bewerber oder Bewerberinnen diskriminiert wurden, jedem bzw jeder von ihnen - unabhängig davon, ob sie bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgestiegen wären oder nicht - nach oben offenen Schadenersatz in einer Mindesthöhe von drei Monatsbezügen zuerkennen wollen. Auf Kletecka beruft sich die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang zu Unrecht. Seine Ausführungen (aaO, § 12 Rz 17, 31) lassen vielmehr erkennen, dass Kletecka zu § 12 Abs 1 Z 1 GlBG dem auch hier zu § 14 Abs 1 Z 1 B-GlBG aF vertretenen Ansatz folgt. Dass trotzdem denkbar sei, dass mehr als nur ein Bewerber unter die Mindestbetragsregelung subsumiert werde, begründet Kletecka ausschließlich damit, dass in unterschiedlichen Gerichtsverfahren wegen der fehlenden Bindungswirkung verschiedene Personen als an erster Stelle zu reihende Bewerber festgestellt werden können (aaO, § 12 Rz 18). Dies ändert aber nichts am Grundsatz, dass nur der/die Bewerber(in) unter die Mindestbetragsregelung fällt, von dem/der feststeht, dass er/sie bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte bzw aufgestiegen wäre.

Dass die Klägerin bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgestiegen wäre, hat sie aber weder behauptet noch bewiesen. Dass sie bei diskriminierungsfreier Auswahl als bestgeeignete zum Zug gekommen wäre, ist nicht hervorgekommen und wird von ihr in der Revision auch gar nicht geltend gemacht, in der sie davon ausgeht, dass alle weiblichen Bewerberinnen gleich geeignet gewesen seien. Auf die Mindestersatzregelung des § 14 Abs 2 Z 1 B-GlBG aF kann sich die Klägerin daher nicht berufen.

II.4 Die Höchstersatzregelung des § 14 Abs 2 Z 2 B-GlBG aF kommt zur Anwendung, wenn die oder der Bedienstete im Verfahren über den beruflichen Aufstieg diskriminiert wurde, aber die zu besetzende Planstelle wegen der besseren Eignung des aufgestiegenen Bediensteten auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte. Der Nachweis, dass der Bewerber bzw die Bewerberin die zu besetzende Position auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte, obliegt dem Arbeitgeber (RIS-Justiz RS0111216). Angesichts der Ergebnisse des Verfahrens ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass auch dem Arbeitgeber dieser von ihm zu erbringende Beweis nicht geglückt ist.

II.5 Damit liegen weder die Voraussetzungen für die Anwendung der Mindestersatzregelung des § 14 Abs 1 Z 1 B-GlBG aF, noch die Voraussetzungen für die Anwendung der Höchstersatzregelung des § 14 Abs 1 Z 2 B-GlBG aF vor.

Wie schon das Berufungsgericht richtig erkannt hat, wird in der Lehre zu solchen Fällen, in denen nicht gesagt werden kann, wer bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte, die - auch vom Obersten Gerichtshof gebilligte - Auffassung vertreten, dass es neben den beiden im Gesetz unmittelbar genannten Gruppen von Geschädigten in Wahrheit noch eine dritte Gruppe gibt. Diese Gruppe wird von jenen Personen gebildet, die nicht nachweisen können, dass sie ohne Diskriminierung die Stelle erhalten hätten, hinsichtlich derer aber auch der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass sie die Stelle nicht erhalten hätten. Da diese Geschädigten weder von der Mindestersatz- noch von der Höchstersatzregelung umfasst sind, gilt für sie weder die Ober- noch die Untergrenze. In diesen Fällen haben daher die Gerichte die Höhe des Ersatzes nach den allgemeinen Regeln zu bemessen (Kletecka, aaO, § 12 Rz 34; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG, § 12 Rz 10, 65).

II.6. Auch auf der Grundlage dieser Rechtslage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der ihr zugesprochene Schadenersatz zu gering sei. Dem kann allerdings nicht gefolgt werden. Da - wie ausgeführt - der Klägerin der Nachweis eines materiellen Schadens durch den Entgang höherer Bezüge nicht gelungen ist, geht es um den nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen vorzunehmenden Ersatz der durch die Diskrimierung erfolgten persönlichen Beeinträchtigung, also um den Ersatz eines ideellen Schadens. Angesichts der von der Rechtsprechung zur Abgeltung ideeller Schäden zugesprochenen Beträge (vgl etwa die Rechtsprechung zu immateriellen Schäden nach sexueller Belästigung oder Diskriminierung wegen des Geschlechts, zB 8 ObA 188/98z; 8 ObA 59/08x) kann sich die Klägerin durch den vom Erstgericht ausgemessenen Ersatzbetrag nicht als beschwert erachten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 2 ASGG, 41 und 50 ZPO.

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