OGH 8ObA188/98z

OGH8ObA188/98z21.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helmut Szongott und Walter Benesch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Doris Z*****, vertreten durch Dr. Peter Keul, Dr. Alexander Burkowsky, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Johann K*****, vertreten durch Mag. Dr. Heinz Kassmannhuber, Rechtsanwalt in Steyr, wegen S 135.847,07 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Dezember 1997, GZ 11 Ra 186/97w-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Juli 1996, GZ 27 Cga 4/96b-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung eines Zuspruches von S 24.887,67 brutto und S 30.000,-- als unbekämpft unberührt bleibt, wird darüber hinaus dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 24.887,67 brutto und S 50.000,-- je samt 5,5 % Zinsen seit 9. 11. 1995 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 60.959,40 brutto samt 5,5 % Zinsen seit 9. 11. 1995 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 8.357,50 Barauslagen der Verfahren erster und zweiter Instanz sowie der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich den Aufwand der Verfahren erster und zweiter Instanz von S 9.000,-- binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.368,88 (darin S 676,48 USt und S 3.310,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 10. 4. 1995 bis 8. 11. 1995 als Hilfsarbeiterin mit einem Bruttomonatsgehalt von S 13.960,-- beim Beklagten beschäftigt. Am 25. 10. 1995 teilte ihr der Beklagte nach Arbeitsschluß mit, daß er mit ihr noch etwas zu besprechen habe. Als die Parteien einander an einem Arbeitstisch gegenüberstanden, teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er sich in sie "verschaut" habe, trat an ihre Seite und begann die Klägerin an den Schultern, im Gesicht, an der Brust und am Gesäß zu streicheln. Die Klägerin stieß den Beklagten zurück und fragte, was das denn solle. Der Beklagte nahm den Kopf der Klägerin zwischen seine Hände und zwang sie trotz Gegenwehr zu einem Zungenkuß. Er entfernte sich dann von der Klägerin und teilte ihr mit, daß er zwei Arbeitnehmer entlassen müsse. Es müsse ja nicht die Klägerin sein, die entlassen werde. Wenn sie mit ihm ins Bett gehe und sich öfters mit ihm treffe, würde sie von der Kündigung nicht betroffen sein. Die Klägerin erwiderte, daß sie daran nicht interessiert sei, nahm ihre Handtasche verließ das Firmengebäude und ging schnellen Schrittes zu ihrem Auto. Der Beklagte, der ihr gefolgt war, schlug die von der Klägerin geöffnete Autotür wieder zu, drückte die Klägerin gegen das Auto, hielt sie mit einer Hand am Nacken fest und streichelte mit der anderen Hand intensiv ihre Brust und ihr Gesäß, wobei er abermals versuchte sie zu küssen. Die Klägerin konnte den Beklagten, der ihr erklärte, daß ihn das "Schmusen" mit ihr "geil" mache wegstoßen. Der Beklagte sagte daraufhin zur Klägerin, daß er ihr ein einmaliges unwiederholbares Angebot dahin mache, daß sie am nächsten Tag um 9.00 Uhr in das Unternehmen kommen solle, um dort mit ihm zu schlafen. Sollte sie dies tun, würde es ihr gut gehen, sie hätte dann einen sicheren Arbeitsplatz und wäre er auch geneigt, die Miete ihrer Wohnung zu bezahlen. Die Klägerin erklärte neuerlich, am Beklagten nicht interessiert zu sein und fuhr schockiert nach Hause. Die Klägerin berichtete den Vorfall am selben Tag unter Tränen ihrem Freund und verbrachte den nächsten Tag, einen Feiertag, gemeinsam mit diesem. Als die Klägerin am Abend nach Hause kam, teilte ihr eine Arbeitskollegin mit, daß der Beklagte sie nach der Telefonnummer gefragt habe. Um etwa 23.15 Uhr rief der Beklagte bei der Klägerin an und sagte: "Ja griaß di Schatzi, ich bins der K*****". Die Klägerin regte sich über den Anruf sehr auf und legte den Hörer sofort auf. Die Klägerin war mit dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt "per Du".

Am folgenden Tag, dem 27. 10. 1995, begann die Klägerin bereits um 5.00 Uhr Früh mit ihrer Arbeit. Etwa um 6.00 Uhr ließ sie der Beklagte in sein Büro kommen und fragte sie, warum sie am Vortag nicht zu ihm gekommen sei. Die Klägerin erwiderte, daß sie an seinem Angebot nicht interessiert sei, und verließ das Büro. Ihren Arbeitskolleginnen teilte sie mit, daß sie bald die Kündigung bekommen werde, da sie nicht mitspiele. Etwa um 8.00 Uhr teilte eine Arbeitskollegin der Klägerin mit, daß sie zum Beklagten gehen solle. Als die Klägerin in das Büro des Beklagten kam, waren dort die Fenster verdunkelt und verschloß der Beklagte, nachdem die Klägerin eingetreten war, die Bürotür von innen. Er drehte das Licht ab und bedrängte die Klägerin körperlich, indem er sie auf einen Tisch drückte. Dabei versuchte er die Klägerin zu küssen, was ihm jedoch nicht gelang, weil sie ihn zurückstieß. Der Beklagte sagte daraufhin, daß es ihm leid täte, wenn er sie entlassen müsse, aber es ginge wohl nicht anders. Die Klägerin erwiderte, daß sie sich nicht erpressen lasse, worauf der Beklagte sie aufforderte, an den Arbeitplatz zurückzukehren.

Da die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz wegen der Lärmentwicklung einen Lärmschutz trug, war es üblich, sie durch Betätigen einer Hupe darauf aufmerksam zu machen, daß jemand mit ihr sprechen wolle. Nach den beschriebenen Vorfällen trat der Beklagte jedoch ohne Vorwarnung von hinten an die Klägerin heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie erschrak dadurch derart, daß sie in die Gitterbox fiel, aus der sie gerade zu bearbeitende Teile herausgenommen hatte. Der Beklagte lachte sie aus und meinte, daß sie schon so fertig sei, obwohl sie noch so jung sei. Sie tue gerade so, als wäre er ihr "unter den Kittel gefahren".

Am 2. 11. 1995 fuhr die Klägerin gemeinsam mit einem Arbeitskollegen zu einem außerhalb gelegenen Betrieb des Unternehmens des Beklagten. Der Beklagte hatte ihr gesagt, daß sie dort nur von 6.00 bis 8.00 Uhr morgens arbeiten müsse und dann wieder zurückkehren könne. Die Klägerin plante daher, zur Mittagszeit nach Hause zu gehen, um bei der Reparatur eines Boilers in ihrer Wohnung anwesend zu sein. Anläßlich der telefonischen Anforderung von Ersatzteilen beim Beklagten teilte dieser der Klägerin mit, daß sie den ganzen Tag über in diesem Betrieb arbeiten müsse, worauf die Klägerin den Beklagten auf die Notwendigkeit hinwies, zu Mittag wegen der Reparatur zu Hause zu sein. Der Beklagte äußerte darauf: "Was geht mich dein Boiler an, in deine Wohnung darf ich ja auch nicht". Entgegen der Weisung des Beklagten kehrte die Klägerin in das Unternehmen zurück, wo sie der Beklagte deswegen schreiend zurechtwies. Die Klägerin nahm daraufhin Zeitausgleich. Sie war aufgrund der vorangegangenen Vorfälle "mit ihren Nerven am Ende" und suchte am Nachmittag desselben Tages ihren Hausarzt auf, der sie wegen ihres nervösen und fahrigen Verhaltens, insbesondere auch wegen eines deutlichen Zitterns der Hände, krank schrieb. Diesen Umstand teilte die Klägerin dem Beklagten am 3. 11. 1995 mit, worauf der Beklagte erwiderte, daß das eine mit dem anderen nichts zu tun habe und sie so tue, als wäre er ihr "unter den Kittel gefahren". Der Beklagte bat die Klägerin, am darauffolgenden Montag wieder die Arbeit aufzunehmen, was diese zusagte. Unmittelbar nach dem Telefonat wurde sie sich der Tragweite ihrer Zusage bewußt, sie bekam Angstzustände und Weinkrämpfe, weshalb sie beschloß, ihr Arbeitsverhältnis beim Beklagten nicht mehr fortzusetzen. Mit ihrem Freund fuhr die Klägerin am 8. 11. 1995 in das Unternehmen des Beklagten und ersuchte ihn um einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses. Nachdem der Beklagte die Klägerin zuerst anschrie, erklärte er sich schließlich damit und der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist einverstanden. Bei Durchsicht ihrer Arbeitspapiere mußte die Klägerin jedoch feststellen, daß als Auflösungsgrund Kündigung durch die Dienstnehmerin mit dem Vermerk "Kündigungszeit nicht eingehalten" angegeben war.

Mit ihrer am 11. 1. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage, begehrte die Klägerin zuletzt neben im Revisionsverfahren nicht mehr strittiger Urlaubsentschädigung, Schadenersatz gemäß § 2a Abs 7 GlBG in der Höhe von S 110.000,-- für teils körperliche, teils wörtliche sexuelle Belästigungen durch den Beklagten in der Zeit vom 25. 10. bis 3. 11. 1995.

Der Beklagte wendete dagegen ein, daß er einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zu keinem Zeitpunkt zugestimmt habe. Auch habe er die Klägerin weder belästigt noch diskriminiert.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin S 95.847,07 brutto (darin enthalten ein Schadenersatzbetrag gemäß § 2a Abs 7 GlBG von S 70.000,--) zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß der Schadenersatzanspruch gemäß § 2a Abs 7 GlBG mit einem Globalbetrag zu bemessen sei. Es hätten dabei nicht nur Anzahl, Häufigkeit und Frequenz der sexuellen Übergriffe Berücksichtigung zu finden, sondern auch deren Intensität und die damit verbundene Entwürdigung und Demütigung der Arbeitnehmerin. Der Beklagte habe seine Stellung als Arbeitgeber und damit seine Autorität ausgenützt und die Klägerin unter ständigem Hinweis auf ihr Abhängigkeitsverhältnis zur Duldung von sexuellen Handlungen aufgefordert. Er habe nicht nur massive Übergriffe im Sinn des Gleichbehandlungsgesetzes gesetzt, sondern auch gerichtlich strafbare Delikte verwirklicht. Trotz massiver Gegenwehr der Klägerin habe er nicht von ihr abgelassen, sondern ihr darüber hinaus mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht. Aufgrund dieser sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Vorgangsweise habe die Klägerin sich in ärztliche Behandlung begeben müssen und keine andere Möglichkeit gesehen, als das Dienstverhältnis zu beenden. Berücksichtige man die vom Gesetzgeber festgesetzte Mindestpauschalsumme, die für weitaus geringere sexuelle Übergriffe verhängt werde, so rechtfertige der qualvolle Zustand, in den die Klägerin versetzt worden sei, und die fortdauernde Erniedrigung ihrer Person den Zuspruch eines Betrages von S 70.000,--.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin S 24.887,67 brutto (Urlaubsentschädigung) und S 30.000,-- (Schadenersatz) je sA zu bezahlen und das Mehrbegehren abwies. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge aus, daß sich aus den Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes nicht ableiten lasse, der Schadenersatzanspruch nach § 2a Abs 7 GlBG sei für jede einzelne körperliche oder sexuelle Belästigung mit einem gesonderten Betrag zu bemessen. Der Schadenersatzbetrag solle den Ausgleich des durch die Verletzung der Würde entstandenen gesamten Nachteils bilden, weshalb er in einer Globalsumme zu bemessen sei. Wenn auch die Funktion des Schmerzengeldes und des Schadenersatzanspruches nach dem Gleichbehandlungsgesetz nicht gänzlich ident seien, dürfe nach Ansicht des erkennenden Senates zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen der Schadenersatz nach § 2a Abs 7 GlBG nicht zu hoch bemessen werde, um zu vermeiden, daß er die üblichen für die Folgen von Körperverletzungen zugesprochenen Schadenersatzbeträge unverhältnismäßig übersteige. Unter Berücksichtigung aller sich aus den Feststellungen ergebenden Umstände erachtete das Berufungsgericht den Zuspruch eines Schadenersatzbetrages von insgesamt S 30.000,-- als ausgemessenen Ausgleich für die Verletzung der Würde der Klägerin. Da der Schadenersatz für sexuelle Belästigung den Ersatz für immateriellen Schaden darstelle, sei er weder sozialversicherungs- noch steuerpflichtig, ein Zuspruch "brutto" oder "netto" habe daher zu unterbleiben.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision der Klägerin kommt teilweise Berechtigung zu.

§ 2 Abs 1b des Bundesgesetzes vom 23. 2. 1979 über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (GlBG) definiert sexuelle Belästigung als ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft (Z 1), oder wegen der Reaktion der betroffenen Person ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit nachteiligen Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen nachteiligen Entscheidung über das Arbeitsverhältnis macht (Z 2). Ein in diesem Sinn im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis diskriminierter Arbeitnehmer hat gemäß § 2a Abs 7 GlBG, soweit der Nachteil nicht in einer Vermögenseinbuße besteht, zum Ausgleich des durch die Verletzung der Würde entstandenen Nachteils Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch S 5.000,-- betragenden Schadenersatz. Die dargestellte Gesetzeslage zeigt, daß, entgegen der von der Revisionswerberin auch noch in dritter Instanz vertretenen Ansicht, die gesonderte Bemessung des Schadenersatzes für jede einzelne sexuelle Belästigung schon aus dem hier zu beurteilenden Gesetz nicht abgeleitet werden kann, stellt doch § 2 Abs 1b GlBG sowohl in Z 1 als auch in Z 2 auf die durch die sexuelle Belästigung geschaffene Situation in ihrer Gesamtheit ab, somit auf fortgesetzte Verhaltensweisen durch die die Situation am Arbeitsplatz für die belästigte Person letztlich unerträglich wird (735 Beil NR,

18. GP, 33; Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz [1993], 104).

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß der Schadenersatzanspruch des GlBG, ebenso wie jener des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GBG), nicht losgelöst von den Prinzipien des allgemeinen Schadenersatzrechtes gesehen werden darf. Beiden Normen kam im Zeitpunkt ihrer Entstehung insofern besondere Bedeutung zu, als sie den Bereich des von Gesetz und Rechtsprechung nur sehr eingeschränkt gewährten immateriellen Schadens wesentlich erweiterten (vgl Rosenkranz, Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, 220). Der Ersatz immateriellen Schadens wurde nämlich bislang weder im Falle der Ehrenbeleidigung zuerkannt (§ 1330 Abs 1 ABGB), noch in jenem der Verletzung der Geschlechtsehre, soweit diese außerhalb der sehr restriktiven Bestimmung des § 1328 ABGB alt (Bestimmung zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung) geschah. Die Rechtsprechung dehnte den Ersatz unter analoger Anwendung des § 1328 ABGB alt auch auf die Fälle echter Notzucht aus (SZ 58/80; 2 Ob 554/95) und erkannte zuletzt den Wertungswiderspruch zwischen dem Schadenersatzanspruch nach dem GlBG und den diesbezüglich unzureichenden Bestimmungen des bürgerlichen Rechts als schlechthin unerträglich (ZVR 1997/125). Auch der Gesetzgeber empfand das nach bürgerlichem Recht gegebene Rechtschutzdefizit als in hohem Maße unbefriedigend (407 Beil NR 20. GP, 2) und novellierte mit dem Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl 759/1996, § 1328 ABGB dahingehend, daß derjenige der jemanden unter bestimmten, im Gesetz aufgezählten, Voraussetzungen zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen mißbraucht, unter anderem auch eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten habe. Dieses Gesetz trat gemäß seinem Art IV § 2 mit 1. 1. 1997 in Kraft und ist auf Tathandlungen anzuwenden, die nach dem 31. 12. 1996 gesetzt worden sind (vgl auch 9 ObA 158/98w).

Wenngleich somit § 1328 ABGB neu auf die hier zu beurteilenden Taten nicht anzuwenden ist, zeigt sich doch aus der kurz zusammengefaßten Entstehungsgeschichte, daß dem GlBG zwar eine bedeutsame Vorreiterrolle zugekommen ist, jedoch nicht davon gesprochen werden kann, der Gesetzgeber habe ein Sonderrecht schaffen wollen. Gerade aufgrund der nunmehr unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Schadenersatzregelung des § 2a Abs 7 GlBG (407 Beil NR 20. GP, 3) vorgenommenen Gesetzesharmonisierung kann nicht unterstellt werden, die Ausnützung des aufgrund Arbeitsvertrages gegebenen Autoritätsverhältnisses sollte grundsätzlich anders beurteilt werden, als jene außerhalb der Arbeitswelt, etwa im Bereich der Familie oder der Schule.

Diese Überlegungen führen erstens zu dem Ergebnis, daß nicht einzusehen ist, wieso die in ständiger Rechtsprechung auch für die Bewertung immateriellen Schadens vorgenommene Globalbemessung (vgl nur SZ 58/80; Reischauer in Rummel ABGB § 1325 Rz 44 ff mwH; Karner,

Die Neuregelung des Ersatzes ideeller Schäden bei geschlechtlichem Mißbrauch, JBl 1997, 685, hier: 697; Harrer in Schwimann ABGB2 § 1328 Rz 12) nicht auch im Bereich der beiden Gleichbehandlungsgesetze anzuwenden wäre. Zum zweiten ist festzuhalten, daß die Festlegung einer Untergrenze von S 5.000,-- für relativ geringfügige Belästigungen nicht dazu führen darf, bei steigender Intensität zu entsprechend höheren Schadenersatzbeträgen zu kommen, als sie außerhalb des Anwendungsbereiches des Gesetzes gegeben wären (offenlassend: Eichinger aaO 107). Es würden anderenfalls unverhältnismäßige Wertungswidersprüche entstehen, wenn etwa der Fall bedacht wird, daß derselbe Täter einmal als Arbeitgeber seine Arbeitnehmerin sexuell mißbraucht und ein anderesmal eine ihm sonst, etwa als Pflegekind, anvertraute Person. Der Wille des Gesetzgebers bei Einziehung der Untergrenze kann vernünftigerweise nur dahin gedeutet werden, aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses mit den dadurch gegebenen täglichen, oft intensiven und unausweichlichen Begegnungen, aus präventiven Gründen der Bagatellisierung sexueller Belästigungen entgegenzuwirken. Dem Arbeitnehmer sollte bereits in einem relativ frühen Anfangsstadium die Möglichkeit gegeben werden, sich effektiv zur Wehr zu setzen ohne deshalb fürchten zu müssen, trotz erwiesenen sexuellen Übergriffs und Vorliegens der sonstigen vom Gesetz geforderten Voraussetzungen auf dessen relative Geringfügigkeit verwiesen zu werden. Es ist dem Gericht zweiter Instanz daher auch darin zuzustimmen, daß sich die Bemessung des immateriellen Schadens im Rahmen der sonst im Schadenersatzrecht angewandten Grundsätze zu halten hat, wobei der Gesetzgeber dem Richter lediglich im unteren Bereich die sonst immer von den Umständen des Einzelfalles geprägte Bewertung vorgegeben hat.

Betrachtet man nun das von den Vorinstanzen festgestellte Verhalten des Beklagten erweist sich, daß er auf rücksichtslose und brutale Art das bestehende Abhängigkeitsverhältnis ausgenützt hat und nicht davor zurückgeschreckt ist, den Bestand des für die Klägerin zweifelsohne existenznotwendigen Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen seiner sexuellen Ziele zu verknüpfen. Er hat durch seine körperlichen und verbalen Attacken die Würde der Klägerin zutiefst verletzt und sie damit insgesamt in eine für sie unerträgliche, die Psyche schwerstens belastende Situation gebracht. Dieser Sachlage wird das vom Berufungsgericht zuerkannte Schmerzengeld von S 30.000,-- nicht gerecht. Allerdings ist zu beachten, daß die psychische Beeinträchtigung der Klägerin, die nicht behauptet hat, daß diese Krankheitswert erreicht habe, nach ihrem eigenen Vorbringen höchstens in der Zeit vom 25. 10. 1995 bis 3. 11. 1995, allenfalls - abgeschwächt - bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jeweils in verschiedener aus den Feststellungen nachzuvollziehender Intensität, bestanden haben kann. Darüber hinausgehende Auswirkungen, auch was den Verlust des Arbeitsplatzes betrifft, hat die Klägerin nicht behauptet. In Anbetracht dieser zeitlichen Komponente erscheint nach Art und Intensität der Gesamtheit der Belästigungen, denen die Klägerin ausgesetzt war, und der dadurch hervorgerufenen einschüchternden und demütigenden Arbeitsatmosphäre ein Schmerzengeldbetrag von S 50.000,-- angemessen.

Der Revision ist teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO im Zusammenhalt mit § 58a ASGG, weil die Ausmessung des Schmerzengeldbetrages von richterlichem Ermessen abhängig war, und der Klägerin in Anbetracht des Umstandes, daß ein vergleichbarer Fall bisher an den Obersten Gerichtshof nicht herangetragen wurde, an der "Überklagung" ein Verschulden nicht zuzumessen ist.

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