Spruch:
Aus Anlaß der Revision der beklagten Partei werden das angefochtene Urteil - ausgenommen der darin aufgenommene Beschluß über die Zurückweisung des am 24.10.1996 zur Post gegebenen weiteren Schriftsatzes der klagenden Partei (ON 24) - und das diesem vorangegangene Verfahren bis einschließlich der Zustellverfügung vom 5.11.1996 (AS 191 verso) als nichtig aufgehoben.
Berufung und Kostenrekurs der klagenden Partei, bei Gericht eingelangt am 10.10.1996 (ON 23) und Berufungs- und Rekursbeantwortung der beklagten Partei, bei Gericht eingelangt am 14.11.1996 (ON 26), werden zurückgewiesen.
Die Kosten des aufgehobenen Verfahrens sowie des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung
In dem über die Wiederaufnahmsklage anhängigen Verfahren erging am 4.4.1996 das erstinstanzliche klagsabweisende Urteil, welches den Parteienvertretern je am 11.6.1996 zugestellt wurde.
Über das Vermögen der klagenden Partei wurde am 28.6.1996 das Konkursverfahren eröffnet. Nach Einlangen von Berufung und Kostenrekurs der klagenden Partei gegen das erstinstanzliche Urteil am 9.7.1996 (ON 19) faßte das Erstgericht den Beschluß auf Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 KO (ON 20). Nach Zustellung dieses Beschlusses an die Parteienvertreter langte am 23.8.1996 die Berufungs- und Rekursbeantwortung des Beklagten bei Gericht ein (ON 21). Mit Beschluß vom 29.8.1996 (ON 22) wies das Erstgericht sowohl Berufung und Kostenrekurs der klagenden Partei ON 19 als auch Berufungs- und Rekursbeantwortung des Beklagten ON 21 zurück. Die Verfahrensunterbrechung sei durch die Konkurseröffnung am 28.6.1996 eingetreten, dem die Unterbrechung aussprechenden Beschluß komme lediglich deklaratorischer Charakter zu. Gemäß § 163 Abs 2 ZPO seien die von einer Partei während der Unterbrechung vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Die nach Eintritt der Verfahrensunterbrechung eingebrachten Rechtsmittel seien, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen wird, zurückzuweisen.
Am 10.10.1996 brachte die klagende Partei neuerlich Berufung und Kostenrekurs ein (ON 23), welche mit dem ursprünglichen Rechtsmittelschriftsatz ident war und auch noch dessen Datum trug. Auf diesem Rechtsmittelschriftsatz findet sich - ohne daß ein begründender Antrag oder Hinweis aus dem Akt ersichtlich wäre - die Verfügung des Erstrichters den Konkursaufhebungsbeschluß beizuschaffen. Am 25.10.1996 langte neuerlich ein einschließlich der Datierung identer Rechtsmittelschriftsatz der klagenden Partei bei Gericht ein (ON 24). Als nächste Ordnungsnummer erliegt im Akt der am 30.10.1996 beim Erstgericht eingelangte Beschluß des Konkursgerichtes über die Aufhebung des Konkurses über das Vermögen der klagenden Partei gemäß § 166 Abs 2 KO mangels Deckung der Verfahrenskosten. Dieser Beschluß wurde am 9.10.1996 an der Gerichtstafel angeschlagen. Er trägt keine Rechtskraftbestätigung. Auf der Rückseite des Beschlusses (AS 191 verso) verfügte der Erstrichter am 5.11.1996 die Zustellung der Rechtsmittelschrift ON 23 an den Beklagten. Dieser erstattete daraufhin am 14.11.1996 die Berufungs- und Rekursbeantwortung (ON 26), worauf das Erstgericht die Akten zur Rechtsmittelentscheidung vorlegte. Nach Zwischenerhebungen über das Zustelldatum der Berufung ON 23 sowie Beischaffung nicht im Akt erliegender Beilagen änderte das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil das Ersturteil dahin ab, daß es die beantragte Wiederaufnahme bewilligte und das in der Rechtssache 21 Cga 217/93a des Landesgerichtes Leoben ergangene Urteil vom 7.12.1993 aufhob. Des weiteren wies es den Rechtsmittelschriftsatz der klagenden Partei ON 24 als unzulässig zurück.
Aus Anlaß der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung ist die dem Verfahren in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang anhaftende Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, daß ein unterbrochenes Verfahren nur durch Gerichtsbeschluß (§ 165 Abs 2 ZPO) aufgenommen werden könne. Ebenso wurde ausgesprochen, daß die Zivilprozeßordnung stillschweigende Prozeßhandlungen und Entscheidungen nicht kennt (SZ 45/19; EvBl 1982/119; RZ 1986/40; SZ 66/178; 10 ObS 56/97a ua). Gerichtshandlungen nach Eintritt der Unterbrechung sind grundsätzlich unzulässig, weil sie das rechtliche Gehör der Parteien verletzen können und daher der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht wird (SZ 49/135; Fasching LB2 Rz 598). Die im Zusammenhang mit der Verwirklichung dieses Nichtigkeitsgrundes von der älteren Rechtsprechung angenommene analoge Anwendung des § 163 Abs 3 ZPO auf jene Fälle, in welchen die Unterbrechung nach Einbringung von Berufung und Berufungsmitteilung eintritt und die Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung zu erfolgen hat, somit das rechtliche Gehör der Parteien nicht verletzt werden kann, wurde ab der Entscheidung RZ 1992/21 in ständiger Rechtsprechung abgelehnt. Die neuere Judikaturlinie führte hiezu begründend aus, daß die Ausnahmebestimmung des § 163 Abs 3 ZPO nicht im Wege einer ausdehnenden Auslegung auch auf Entscheidungen über vor der Unterbrechung eingebrachte Rechtsmittel, über die in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden ist, anzuwenden sei. Gerade im Falle der Konkurseröffnung habe die im § 7 KO angeordnete Unterbrechung des Verfahrens nicht nur den Zweck, die gesetzmäßige Vertretung der Masse durch den Masseverwalter zu sichern, sondern sie diene darüberhinaus auch dem Ziel, die strittige Forderung zur Vermeidung unnötigen Prozeßaufwands vorerst dem außerstreitigen Prüfungsverfahren im Konkurs zu unterziehen, sodaß vor Abschluß der Prüfungsverhandlung der Rechtsweg unzulässig sei. Auch über einen vor Eröffnung des Konkurses eingebrachten Rekurs sei daher während der Dauer der Unterbrechung nicht zu entscheiden. Eine dennoch ergangene Entscheidung sei nichtig (RZ 1992/21; ZIK 1996, 25; 10 Ob 27/97m).
Der durch die Konkurseröffnung unterbrochene Prozeß wird durch die Konkursaufhebung nicht wieder aufgenommen. Solange nicht aufgrund eines Antrages nach §§ 164 ff ZPO die Wiederaufnahme des Verfahrens beschlossen wurde, bleibt dieses unterbrochen (2 Ob 191/76; 8 Ob 81/79; 6 Ob 582/87; AnwBl 1993, 700). Gemäß § 59 KO tritt der Gemeinschuldner durch den rechtskräftigen Beschluß des Konkursgerichtes, daß der Konkurs aufgehoben wird, wieder in das Recht über sein Vermögen frei zu verfügen. Sämtliche Wirkungen der Konkursaufhebung treten somit - gleichgültig, welcher Aufhebungsgrund vorliegt - erst mit der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses ein. Bis dahin dauern die Konkurswirkungen fort (3 Ob 151/68; 1 Ob 503/94; ZIK 1996, 63; Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht, 703).
Ob der Beschluß, mit welchem der Konkurs über das Vermögen der Klägerin aufgehoben wurde, in Rechtskraft erwachsen ist, ist aus dem Akt nicht ersichtlich. Die Rechtsmittelschrift ON 23 - der am 24.10.1996 zur Post gegebene weitere Schriftsatz der klagenden Partei ON 24 wurde vom Berufungsgericht mit in das angefochtene Urteil aufgenommenem, in Rechtskraft erwachsenem Beschluß zurückgewiesen - der durch ihren Verfahrenshelfer vertretenen klagenden Partei langte einen Tag nach Fassung des Beschlusses über die Konkursaufhebung bei Gericht ein. Zu diesem Zeitpunkt fehlte aber der klagenden Partei jedenfalls die Verfügungsfähigkeit über den eingeklagten Anspruch, von welchem nicht gesagt werden kann, er betreffe im Sinne des § 6 Abs 3 KO das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht. Der gemäß § 6 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigende Mangel der Prozeßfähigkeit verwirklicht den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO (ArbSlg 7316; SZ 66/52; SZ 68/210; 4 Ob 2306/96p).
Bei dieser Sachlage muß nicht darauf eingegangen werden, ob die eingangs dargestellte Rechtsprechung in dem Sinne differenziert zu sehen wäre, daß in den Fällen, in welchen bei Vorliegen aller Prozeßvoraussetzungen und Wahrung des rechtlichen Gehörs die Beschlußfassung über die Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich übersehen, der Entscheidungswille des Gerichtes jedoch klar erkennbar ist (vgl hiezu SZ 66/178), dem Verfahrensverstoß nicht das Gewicht einer Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO beizumessen, sondern lediglich vom Vorliegen eines Verfahrensmangels auszugehen wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO.
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