European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00009.24T.0215.001
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „G* GmbH, *“ auf „Mag. M* L*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G* GmbH“ berichtigt.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zu neuerlicher Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die ursprünglich Beklagte (im Folgenden: Schuldnerin) betrieb seit Juni 2015 ein internetbasiertes Pfandleihgeschäft und nahm zur Finanzierung der für die Kreditvergabe erforderlichen Mittel Nachrangdarlehen auf. Die Klägerin, eine Verbraucherin, ist eine solche Darlehensgeberin.
[2] Die Klägerin unterfertigte am 16. April 2018 einen Antrag auf Abschluss eines Darlehensvertrags über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen in Höhe von 10.000 EUR. Die Schuldnerin nahm den Antrag am 19. April 2018 an. Der Darlehensbetrag ging am 27. Mai 2018 auf dem Konto der Schuldnerin ein.
[3] Die Darlehensbedingungen lauten auszugsweise:
„§ 1 Allgemeines […]
(2) Die Emittentin [= die Schuldnerin] schließt Verträge über die Gewährung qualifizierter Nachrangdarlehen mit juristischen oder natürlichen Personen des privaten oder öffentlichen Rechts (im Folgenden 'Darlehensgeber') nach Maßgabe der folgenden Darlehensbedingungen ab.
(3) Die Emittentin beabsichtigt, den Nachrangdarlehensbetrag für die weitere Beleihung von Sachwerten zu verwenden.
[…]
§ 3 Laufzeit und Rückführung
(1) Dieser Darlehensvertrag wird für eine Laufzeit von 24 Monaten geschlossen. Die Laufzeit beginnt mit ordnungsgemäßer Einzahlung des Nachrang- darlehensbetrags auf das Konto der Emittentin gemäß § 2 Abs 3 (einlangend) (im Folgenden 'Laufzeitbeginn').
(2) Vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2 ist das Nachrangdarlehen nach Ablauf der Laufzeit gemäß § 3 Abs 1 von der Emittentin an den Darlehensgeber [= die Klägerin] gemeinsam mit den ausstehenden Zinsen gemäß § 5 innerhalb von 10 (zehn) Bankarbeitstagen auf das vom Darlehensgeber der Emittentin zuletzt bekannt gegebene Konto zurückzuzahlen, ohne dass es einer vorangehenden Kündigung bedarf.
[…]
§ 5 Zinsen
(1) Für das Nachrangdarlehen werden nach Ablauf der 24-monatigen Laufzeit gemäß § 3 Abs 1 Zinsen in der Höhe von 15 % des Nachrangdarlehensbetrags bezahlt (dies entspricht einer Verzinsung in Höhe von 7,5 % p.a. linear). Klarstellend wird festgehalten, dass dem Darlehensgeber keine Zinsen und auch kein sonstiges Entgelt für den Zeitraum von der Annahme des Antrages durch die Emittentin bis zum Laufzeitbeginn des Darlehensvertrages gemäß § 3 Abs 1 gebühren.
(2) Die Zinsen sind endfällig und gemäß § 3 Abs 2 nach Ablauf der Laufzeit des Nachrangdarlehens vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2 zu bezahlen.
[…]
§ 7 Nachrangigkeit
(1) Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.
(2) Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.
[…]
§ 13 Sonstiges
(1) Der Darlehensgeber erwirbt mit Abschluss des gegenständlichen Darlehensvertrages keine unternehmerische Beteiligung an der Emittentin, sondern lediglich eine nachrangige Forderung auf Rückzahlung des Darlehensbetrags und Zahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen. […]“
[4] Eine mit Beschluss vom 4. März 2020 von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte an sichergestellten Guthaben auf den Konten der Schuldnerin wurde mit Anordnung vom 25. Jänner 2021 wieder aufgehoben. Zum Stichtag 13. Oktober 2021 (Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) verfügte die Schuldnerin über liquide Mittel von rund 1,074 Mio EUR.
[5] Die Klägerin begehrte mit ihrer Mahnklage vom 1. Juli 2021 Zahlung von 11.500 EUR sA. Sie brachte im Verfahren vor, sie habe der Schuldnerin ein Darlehen in der Höhe von 10.000 EUR gewährt und dieses am 27. Mai 2018 auf ein Konto der Schuldnerin überwiesen. Entsprechend der Laufzeit von 24 Monaten und der Verzinsung von 7,5 % pa hätte ihr am 27. Mai 2020 ein Betrag in der Höhe von 10.000 EUR zzgl 1.500 EUR Zinsen, somit insgesamt der Klagebetrag, zurückgezahlt werden müssen. Die Schuldnerin habe den Nachweis zu erbringen, dass eine Rückzahlung sie in die Insolvenz führen würde; davon sei aber nach ihrem eigenen Vorbringen nicht auszugehen. Das Konzept der Schuldnerin sei von Anfang an darauf ausgelegt gewesen, die Darlehen unter Berufung auf die Nachrangklausel nicht mehr zurückzuzahlen. Darüber sei die Klägerin nicht aufgeklärt worden. Der Vertrag sei auch gröblich benachteiligend und sittenwidrig, denn die Klägerin wäre nach der Argumentation der Schuldnerin für eine völlig unbestimmte Zeit an den Vertrag gebunden. Die Schuldnerin hätte mit den Darlehensgeldern ordnungsgemäß umzugehen gehabt, ihre Gebarung habe aber dazu geführt, dass die Darlehenssumme das Fünffache ihres Vermögens übersteige. Die Darlehensbedingungen seien von der Schuldnerin erstellt, missverständlich und intransparent formuliert. Die Klausel des § 7 Abs 2 sei intransparent, weil nicht klar sei, welche Parameter zur Beurteilung der Fälligkeit heranzuziehen seien. Gröblich benachteiligend seien auch die Bedingungen zur Bindung und zu den Kündigungsmöglichkeiten. Die Schuldnerin verfüge über keine Bankkonzession, sodass der Vertrieb von Nachrangdarlehen überhaupt unzulässig sei. Vorsichtshalber erkläre die Klägerin, den allenfalls rechtswirksam zustande gekommenen Darlehensvertrag aus wichtigem Grund aufzulösen, weil die Schuldnerin grob fahrlässig die drohende Insolvenz verschuldet habe.
[6] Die ursprünglich beklagte Partei (Schuldnerin) wendete im Wesentlichen ein, dass der Rückzahlungsanspruch nicht fällig sei. Nach den Darlehensbedingungen sei dieser nach Ablauf der Laufzeit „vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2“ zurückzuzahlen. Demnach könne die Rückzahlung solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Schuldnerin einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Die Klägerin sei auch darüber aufgeklärt worden, dass im Fall der Liquidation oder Insolvenz ihre Forderungen aus dem Nachrangdarlehen erst nach den Forderungen gegenwärtiger und künftiger nicht nachrangiger Gläubiger der Schuldnerin befriedigt würden. Die Darlehensbedingungen seien ihr bei Abschluss des Darlehensvertrags bekannt gewesen. Die Schuldnerin sei nicht zahlungsunfähig, weil die Nachrangabreden mit den Darlehensgebern dazu führen würden, dass deren Forderungen nicht durchsetzbar seien. Hätte die Schuldnerin sämtliche Forderungen aus den ausgelaufenen Nachrangdarlehen (gleichzeitig) zu begleichen, wäre sie zahlungsunfähig. Eine Begleichung nach dem Prinzip „first come, first serve“ sei nicht erlaubt; außerdem würde dies eine allenfalls anfechtbare Gläubigerbegünstigung darstellen. Die Anleger (Darlehens-geber) bildeten aufgrund der nachrangigen Ausgestaltung ihrer Rechte eine Risikogemeinschaft mit der Emittentin. Eine Grundlage für eine Prospekthaftung bestehe nicht. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor. Der Klägerin sei aufgrund des Kapitalmarktprospekts bewusst gewesen, dass neben ihrem eigenen noch Millionen Euro weitere Nachrangdarlehen aufgenommen werden könnten. Sittenwidrigkeit und gröbliche Benachteiligung liege nicht vor. Die Vereinbarung eines qualifizierten Nachrangdarlehens stelle kein der Konzessionspflicht unterliegendes Bankgeschäft dar. Selbst bei einer Auflösung des Vertrags aus wichtigen Gründen könne eine Rückzahlung nur nach Maßgabe von § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen erfolgen.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens) statt.
[8] Es könne den Vertragsparteien nicht unterstellt werden, dass es im Belieben der Beklagten stehen sollte, jederzeit durch Verringerung der liquiden Mittel oder Erhöhung der Verbindlichkeiten durch Aufnahme weiterer Nachrangdarlehen die Fälligkeit der anderen hinauszuschieben. Da die Schuldnerin über liquides Vermögen verfüge, sei sie in der Lage, die Rückforderung der (damals noch vier) Kläger zu befriedigen.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Schuldnerin (nur) im Bezug auf das Zinsenbegehren teilweise Folge.
[10] Die Bestimmung des § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen sei intransparent, denn ein Verbraucher könne sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen. Die Klausel schaffe keine Klarheit darüber, ob und wann Gründe für die Insolvenz vorlägen, die einer Rückzahlung entgegenstünden, in welchem Verhältnis der Darlehensgeber zu anderen Nachrangdarlehensgebern stehe und wann die Unternehmenskrise wieder überwunden sei. Dass Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus dem Gesetz ableitbar seien, ändere daran nichts, weil die Klausel keinen klaren Hinweis auf die heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen enthalte. Sie enthalte auch keinen Querverweis auf im Kapitalmarktprospekt und den Risikohinweisen enthaltene Bestimmungen. Es widerspreche dem Transparenzgebot, wenn der Verbraucher gezwungen sei, sich die notwendigen Informationen „zusammenzusuchen“. Eine geltungserhaltende Reduktion komme auch im Individualprozess nicht in Betracht. Selbst wenn die Klausel nicht intransparent sein sollte, wäre die Klage berechtigt, weil nur das jeweils einzelne Darlehen genannt werde und daher die Rückzahlung dieses jeweiligen Betrags keinen Grund für die Insolvenzeröffnung bilden könne. Folge man dem Standpunkt der Schuldnerin, nach dem auf die Summe aller offenen (Nachrang‑)Darlehen zu schauen sei, so müsse sie einen Insolvenzantrag stellen und daher könne sie diese Klausel dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegenhalten.
[11] Die Revision sei zulässig, weil der Auslegung der hier zu beurteilenden Darlehensbedingungen schon im Hinblick auf die Vielzahl anhängiger Verfahren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
[12] Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Juli 2022, AZ 28 S *, wurde – während der offenen Frist zur Erstattung einer Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts – das Insolvenzverfahren über die Schuldnerin eröffnet und der in Punkt I. des Spruchs genannte Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt.
[13] Über Antrag der Klägerin vom 24. Oktober 2022 nahm das Erstgericht, nachdem die Klägerin im Insolvenzverfahren die Klageforderung angemeldet und der Insolvenzverwalter diese in der Prüfungstagsatzung vom 28. September 2022 bestritten hatte, mit Beschluss vom 24. November 2023 das unterbrochene Verfahren gemäß § 7 Abs 2 IO wieder auf und trennte mit Beschluss vom selben Tag das zuvor mit den Rechtssachen dreier weiterer Kläger verbunden gewesene Verfahren.
Rechtliche Beurteilung
[14] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Insolvenzverwaltersmit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[15] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Zu Spruchpunkt I.:
[16] Eine Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei von der Schuldnerin auf den Insolvenzverwalter erfolgte bisher nicht. Sie war daher nunmehr vom Revisionsgericht in Anwendung des § 235 Abs 5 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0039713) nachzuholen.
Zu Spruchpunkt II.:
[17] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des Eventualantrags auch berechtigt.
[18] Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Verfahren anderer Kläger, die der Schuldnerin „qualifizierte Nachrangdarlehen“ gewährten, mit im Wesentlichen jeweils gleicher Begründung entschieden, dass § 7 Abs 2 der Vertragsbedingungen der Schuldnerin weder intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG ist noch § 879 Abs 3 ABGB verletzt (zB 3 Ob 222/22a; 3 Ob 228/22h; 9 Ob 111/22x; 17 Ob 16/23m). In 3 Ob 222/22a wurde dies wie folgt begründet:
„1. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO (vgl 8 ObA 65/19w mwN).
Die – wenn auch erst im Revisionsverfahren erfolgte – Aufnahme des Prozesses durch den Masseverwalter hat zur Folge, dass der Leistungsprozess von Gesetzes wegen zum Prüfungsprozess geworden ist und von Amts wegen auf Feststellung der geltend gemachten Forderung in einer bestimmten Rangordnung im Konkurs zu erkennen ist (RS0041103).
Das Leistungsbegehren ist über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens – auch noch im Rechtsmittelverfahren – auf ein Feststellungsbegehren über Richtigkeit und Rangordnung der angemeldeten Forderung zu ändern (vgl RS0041103 [T3, T7, T8]). Diese Änderung ist deshalb geboten, weil dem Insolvenzgläubiger kein klagbarer Leistungsanspruch gegen die Insolvenzmasse zusteht (Fink in Fasching/Konecny 3 § 159 ZPO Rz 111).
2. In einem solchen Fall sind die Parteien grundsätzlich an den bei der Unterbrechung bestehenden Stand des Verfahrens gebunden (vgl G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht IV 4 § 113 Rz 36 mwN). Inwieweit dessen ungeachtet neue Einreden bestreitender Gläubiger oder des Insolvenzverwalters, die in erster Instanz nicht erhoben wurden, im Rechtsmittel- verfahren in Ausnahmefällen doch vorgebracht werden können (vgl etwa 17 Ob 9/21d; Lovrek, Zwischen den Welten, Insolvenzeröffnung nach Schluss der Verhandlung erster Instanz und Prüfungsprozess, in FS Konecny), muss hier nicht weiter geprüft werden, weil sich aus der Insolvenzeröffnung ergebende Änderungen der Sach- oder Rechtslage im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht wurden.
3.1. § 2 Z 2 AltFG normierte in der Stammfassung des Gesetzes (idF vor der Novelle BGBl I 2018/48), dass (unter anderem) Nachrangdarlehen als alternative Finanzierungsinstrumente keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch gewähren dürfen. § 2 Z 3 AltFG idF vor BGBl I 2018/48 definierte den unbedingten Rückzahlungsanspruch als Anspruch auf Rückzahlung hingegebener Gelder, der ohne Bedingung, insbesondere ungeachtet der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, geltend gemacht werden kann. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 628 BlgNR 25. GP 4) kann die Geltendmachung der Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag sowohl für den Fall einer Insolvenz oder Liquidation des Darlehensnehmers als auch außerhalb einer Insolvenz vertraglich eingeschränkt werden ('qualifizierte Nachrangklausel').
Dass sich die Legaldefinition des § 2 Z 2 AltFG aF seit der Novelle BGBl I 2018/48 im Gesetz nicht mehr findet, ist nicht auf eine inhaltliche Änderung zurückzuführen, sondern nur darauf, dass es seither keine Unterscheidung zwischen Veranlagungen gemäß KMG, Wertpapieren gemäß KMG und alternativen Finanz- instrumenten gemäß AltFG mehr geben soll; die bisher taxativ aufgezählten Finanzinstrumente verbleiben allerdings im Anwendungsbereich des AltFG, solange sie – wie im Regelfall Nachrangdarlehen – als Veranlagung zu qualifizieren sind (ErläutRV 187 BlgNR 26. GP 3).
3.2. Eine Nachrangabrede ist daher ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden ('einfache Nachrangabrede'). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (vgl dazu Pateter/Pirker, Zur Rechtsnatur der Nachrangabrede, ZIK 2015, 217 [219]) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss (Kriegner, Qualifizierte Nachrangdarlehen und Inhaltskontrolle, VbR 2017/78, FN 3).
3.3. Zwischen den Parteien wurde eine als 'qualifiziertes Nachrangdarlehen' bezeichnete Vereinbarung getroffen. In den dieser Vereinbarung zugrunde liegenden AGB findet sich die nähere Regelung dazu in § 7 'Nachrangigkeit'.
4. Im vorliegenden Individualprozess ist die Auslegung – anders als im Verbandsprozess – nicht 'im kundenfeindlichsten Sinn' vorzunehmen. Vielmehr hat sie zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (7 Ob 106/14k = RS0016590 [T32]), und zwar so, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders (RS0008901 [T41]), hier also der Schuldnerin.
5.1. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltende Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Die AGB müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher 'durchschaubar' sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (vgl RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (vgl 4 Ob 110/17f ua).
5.2. § 7 Abs 2 Satz 1 der Darlehensbedingungen legt – insoweit völlig unmissverständlich – fest, dass der Darlehensgeber trotz Fälligkeit des Darlehens unter bestimmten Umständen keine Zahlung erhält. Zu prüfen bleibt aber, ob diese Umstände mit 'Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens' ausreichend umschrieben sind.
5.3. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst definieren diese Wortfolge nicht näher und enthalten auch keinen Querverweis auf gesetzliche Bestimmungen über die Insolvenzeröffnung oder Vertragsbestimmungen. Wie bereits in Punkt 5.1. dargelegt, führt die Verwendung von (auch juristischen) Fachbegriffen nicht notwendiger Weise zur Intransparenz einer Vertragsbestimmung. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache nämlich eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in AGB verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (vgl RS0123773).
5.4. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich in §§ 66 f IO. Auch wenn die Klausel nicht auf diese Bestimmungen Bezug nimmt, sind die 'Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens' im Gesetz definiert, wobei auch der durchschnittliche Verbraucher mit einer Insolvenzeröffnung Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit verbinden wird, mögen ihm auch die konkreten rechtlichen Details nicht näher bekannt sein. Der vom Berufungsgericht geforderte Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Insolvenzordnung, in denen die Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden bzw die Auflistung detaillierter Angaben in der Klausel über die Fälle, in denen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht, lassen damit keine zusätzliche Klarheit für den Vertragspartner erwarten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien in der Darlehensabrede dem Begriff einen anderen als den gesetzlichen Inhalt beilegen wollten.
5.5. Kann aber eine Rückzahlung dann nicht verlangt werden, wenn und soweit eine solche Zahlung dazu führen würde, dass die nunmehrige Schuldnerin nach dem Gesetz zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gezwungen wäre, kann die Klausel von einem durchschnittlich verständlichen Vertragspartner auch nicht dahin verstanden werden, dass es bei der Beurteilung der drohenden Insolvenz nur auf die Höhe seiner eigenen Forderung ankommt, sondern es muss dabei notwendigerweise die wirtschaftliche Situation des gesamten Unternehmens im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Darlehens berücksichtigt werden. Dabei kann die Vertragsbestimmung objektiv nur so verstanden werden, dass auch die Verbindlichkeiten aus anderen Nachrangdarlehen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sind, heranzuziehen sind. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dem Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens gerecht, der ja gerade darin liegt, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidations- überschusses (Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 807 [809]).
5.6. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht von einer Intransparenz der konkreten Klausel auszugehen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass für den Darlehensgeber die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Darlehensnehmers möglicherweise nicht (leicht) erkennbar ist. Das Wissen um die eigene vertragliche Position (hier als Darlehensgeber eines hochriskanten qualifizierten Nachrangdarlehens) und die Verpflichtungen des Vertragspartners dürfen nicht verwechselt werden mit der Möglichkeit zu überprüfen, ob diese Pflichten vom Darlehensnehmer auch eingehalten werden. Dass, wie die Klägerinnen argumentieren, der Verbraucher sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen kann, sagt nichts darüber aus, ob ihm als Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, dass er im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Rückzahlung erhalten wird, ihm daher bei Vertragsabschluss die Bedeutung der qualifizierten Nachrangigkeit ausreichend deutlich dargestellt wurde. Dass der durchschnittliche Verbraucher das Risiko des Finanzinstruments mangels Überblicks über die finanzielle Situation des Darlehensnehmers nicht abschätzen habe können – so die Revisionsbeantwortung –, ist daher allenfalls für die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Vertragsabschluss von Bedeutung. Im Übrigen regelt die Klausel auch nicht allfällige Kontrollrechte des Darlehensgebers, sondern definiert nur, was zwischen den Parteien als Nachrangigkeit verstanden wird.
6.1. Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen eines Verbandsverfahrens bereits dazu Stellung genommen, inwieweit die Vertragsbestimmungen, die die qualifizierte Nachrangigkeit einer Darlehensvereinbarung konkretisieren, die Hauptleistungspflicht betreffen und daher einer inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen sind (4 Ob 110/17f = VbR 2018/25 [Georg Graf] = ecolex 2018/4 [Sommerauer] = VbR 2019/132 [Mock]). In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass es sich bei der zu beurteilenden qualifizierten Nachrangklausel um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal handelt, das daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist. Das Zurverfügungstellen von Kapital ist die Hauptleistung des Verbrauchers, während der Darlehensnehmer Rückzahlung und Verzinsung schuldet. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers ist als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängt, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital (eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital) anzusehen ist (4 Ob 110/17f Pkt. 4.).
6.2. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass die inkriminierte Klausel (Vertragsbestimmung § 7 Abs 2) die Hauptleistungspflichten der Parteien regelt und daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist.
7. In der Entscheidung 4 Ob 110/17f Pkt 4. mwN (zust Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 810) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Entgegennahme von Kapital in Form von Nachrangdarlehen nicht als konzessions- pflichtiges Einlagengeschäft gilt (vgl auch Völkel/Marek in König/Mitterecker, Praxishandbuch Sportrecht Kap 30 I.A.3.b) aa); Johannes Reich-Rohrwig, Crowdfunding und andere Formen der Unternehmensfinanzierung, ecolex 2020, 4; Rolf Majcen, Die neue EU-Crowdfunding Verordnung, ÖBA 2020, 868 [872]).
8. Zusammenfassend ist daher allein aufgrund des Vertragstextes nicht von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auszugehen.“
[19] Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Dass im vorliegenden Fall die Aufnahme des Prozesses nach der Insolvenzeröffnung vom 7. Juli 2022 über Antrag der Klägerin erfolgte, macht keinen Unterschied. Auch geben weder der Inhalt der Revision noch jener der Revisionsbeantwortung im vorliegenden Verfahren Anlass zu einem von der dargestellten Rechtsprechung abweichenden Ergebnis.
[20] Wie in den den genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zugrundeliegenden Verfahren haben auch in diesem Verfahren die Vorinstanzen aufgrund ihrer– vom erkennenden Senat nicht geteilten – Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung noch keine Beweise zu den übrigen – auch von der Klägerin in diesem Verfahren erhobenen – Einwendungen gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung (insbesondere Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells; arglistige Täuschung; mangelhafte Aufklärung, wobei noch kein Vorbringen zur Zurechenbarkeit des „Beraters“ an die Schuldnerin erstattet wurde; hilfsweise Aufhebung des Vertrags aus wichtigem Grund) aufgenommen.
[21] Sollte danach von einem wirksam vereinbarten Nachrang auszugehen sein, liegt die Beweislast für den Eintritt des Nachrangfalls bei der Schuldnerin bzw beim Beklagten. Dabei werden im fortgesetzten Verfahren allerdings auch allfällige, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingte Änderungen der Sachlage zu berücksichtigten sein, hierunter auch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2023 vorgenommene Umstellung des Klagebegehrens in Feststellung einer Insolvenzforderung.
[22] Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
[23] Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
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