OGH 3Ob228/22h

OGH3Ob228/22h25.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. M*, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G* GmbH, *, wegen 11.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 23. Juni 2022, GZ 58 R 39/22s‑20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 27. Jänner 2022, GZ 3 C 383/21a‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00228.22H.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Klauselentscheidungen

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird berichtigt auf Mag. M*, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G* GmbH, *.

II. Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zu neuerlicher Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Juli 2022, AZ 28 C 84/22i, wurde – während der offenen Frist zur Erstattung einer Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts – das Insolvenzverfahren über die ursprüngliche Beklagte eröffnet und der in Punkt I genannte Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Über Antrag des Klägers nahm das Erstgericht mit Beschluss vom 22. November 2022 das (zuvor mit den Rechtssachen dreier weiterer Kläger verbundene) unterbrochene Verfahren gemäß § 7 Abs 2 IO wieder auf (ON 27).

[2] Die Beklagte (im Folgenden: Schuldnerin) betrieb seit Juni 2015 ein internetbasiertes Pfandleihgeschäft und nahm zur Finanzierung der für die Kreditvergabe erforderlichen Mittel Nachrangdarlehen auf. Der Kläger, ein Verbraucher, ist ein solcher Darlehensgeber.

[3] Der Kläger unterfertigte am 18. Dezember 2018 einen Antrag auf Abschluss eines Darlehensvertrags über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen in Höhe von 10.000 EUR.

Die Darlehensbedingungen lauten auszugsweise:

„§ 1 Allgemeines [...]

(2) Die Emittentin [= die Schuldnerin] schließt Verträge über die Gewährung qualifizierter Nachrangdarlehen mit juristischen oder natürlichen Personen des privaten oder öffentlichen Rechts (im Folgenden 'Darlehensgeber') nach Maßgabe der folgenden Darlehensbedingungen ab.

(3) Die Emittentin beabsichtigt, den Nachrangdarlehensbetrag für die weitere Beleihung von Sachwerten zu verwenden.[...]

§ 3 Laufzeit und Rückführung

(1) Dieser Darlehensvertrag wird für eine Laufzeit von 24 Monaten geschlossen. Die Laufzeit beginnt mit ordnungsgemäßer Einzahlung des Nachrang-darlehensbetrags auf das Konto der Emittentin gemäß § 2 Abs 3 (einlangend) (im Folgenden 'Laufzeitbeginn').

(2) Vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2 ist das Nachrangdarlehen nach Ablauf der Laufzeit gemäß § 3 Abs 1 von der Emittentin an den Darlehensgeber [= den Kläger] gemeinsam mit den ausstehenden Zinsen gemäß § 5 innerhalb von 10 (zehn) Bankarbeitstagen auf das vom Darlehensgeber der Emittentin zuletzt bekannt gegebene Konto zurückzuzahlen, ohne dass es einer vorangehenden Kündigung bedarf. [...]

§ 5 Zinsen

(1) Für das Nachrangdarlehen werden nach Ablauf der 24-monatigen Laufzeit gemäß § 3 Abs 1 Zinsen in der Höhe von 15 % des Nachrangdarlehensbetrags bezahlt (dies entspricht einer Verzinsung in Höhe von 7,5 % p.a. linear). Klarstellend wird festgehalten, dass dem Darlehensgeber keine Zinsen und auch kein sonstiges Entgelt für den Zeitraum von der Annahme des Antrages durch die Emittentin bis zum Laufzeitbeginn des Darlehensvertrages gemäß § 3 Abs 1 gebühren.

(2) Die Zinsen sind endfällig und gemäß § 3 Abs 2 nach Ablauf der Laufzeit des Nachrangdarlehens vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2 zu bezahlen. [...]

§ 7 Nachrangigkeit

(1) Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.

(2) Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind. [...]

§ 13 Sonstiges

(1) Der Darlehensgeber erwirbt mit Abschluss des gegenständlichen Darlehensvertrages keine unternehmerische Beteiligung an der Emittentin, sondern lediglich eine nachrangige Forderung auf Rückzahlung des Darlehensbetrags und Zahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen.“

[4] Eine mit Beschluss vom 4. März 2020 von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte an sichergestellten Guthaben auf den Konten der Schuldnerin wurde mit Anordnung vom 25. Jänner 2021 wieder aufgehoben. Zum Stichtag 13. Oktober 2021 verfügte die Schuldnerin über liquide Mittel von rund 1,074 Mio Euro.

[5] Der Kläger begehrte Zahlung von 11.500 EUR sA. Das Darlehen sei seit 28. Dezember 2020 zur Rückzahlung fällig. Die Schuldnerinhabe den Nachweis zu erbringen, dass eine Rückzahlung sie in die Insolvenz führen würde; davon sei aber nach ihrem eigenen Vorbringen nicht auszugehen. Das Konzept der Schuldnerin sei von Anfang an darauf ausgelegt gewesen, die Darlehen unter Berufung auf die Nachrangklausel nicht mehr zurückzuzahlen. Darüber sei der Kläger nicht aufgeklärt worden. Der Vertrag sei auch gröblich benachteiligend und sittenwidrig, denn der Kläger sei nach der Argumentation der Schuldnerin für eine völlig unbestimmte Zeit an den Vertrag gebunden. Die Schuldnerin hätte mit den Darlehensgeldern ordnungsgemäß umzugehen gehabt, ihre Gebarung habe aber dazu geführt, dass die Darlehenssumme das Fünffache ihres Vermögens übersteige. Die Darlehensbedingungen seien von der Schuldnerin erstellt, missverständlich und intransparent formuliert. Die Klausel des § 7 Abs 2 sei intransparent, weil nicht klar sei, welche Parameter zur Beurteilung der Fälligkeit heranzuziehen seien. Gröblich benachteiligend seien auch die Bedingungen zur Bindung und zu den Kündigungsmöglichkeiten. Die Schuldnerin verfüge über keine Bankkonzession, sodass der Vertrieb von Nachrangdarlehen überhaupt unzulässig sei. Vorsichtshalber erkläreder Kläger, den allenfalls rechtswirksam zustande gekommenen Darlehensvertrag aus wichtigem Grund aufzulösen, weil die Schuldnerin grob fahrlässig die drohende Insolvenz verschuldet habe.

[6] Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass der Rückzahlungsanspruch nicht fällig sei. Nach den Darlehensbedingungen sei dieser nach Ablauf der Laufzeit „vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2“ zurückzuzahlen. Demnach könne die Rückzahlung solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Schuldnerin einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Der Kläger sei auch darüber aufgeklärt worden, dass im Fall der Liquidation oder Insolvenz seine Forderungen aus dem Nachrangdarlehen erst nach den Forderungen gegenwärtiger und künftiger nicht nachrangiger Gläubiger der Schuldnerin befriedigt würden. Die Darlehensbedingungen seien ihm bei Abschluss des Darlehensvertrags bekannt gewesen. Die Schuldnerin sei nicht zahlungsunfähig, weil die Nachrangabreden mit den Darlehensgebern dazu führen würden, dass deren Forderungen nicht durchsetzbar seien. Hätte die Schuldnerin sämtliche Forderungen aus den ausgelaufenen Nachrangdarlehen (gleichzeitig) zu begleichen, sei sie zahlungsunfähig. Eine Begleichung nach dem Prinzip „first come, first serve“ sei nicht erlaubt; außerdem würde dies eine allenfalls anfechtbare Gläubigerbegünstigung darstellen. Die Anleger (Darlehensgeber) bildeten aufgrund der nachrangigen Ausgestaltung ihrer Rechte eine Risikogemeinschaft mit der Emittentin. Eine Grundlage für eine Prospekthaftung bestehe nicht. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor. Dem Kläger sei aufgrund des Kapitalmarktprospekts bewusst gewesen, dass neben seinem eigenen noch Millionen Euro weitere Nachrangdarlehen aufgenommen werden könnten. Sittenwidrigkeit und gröbliche Benachteiligung liege nicht vor. Die Vereinbarung eines qualifizierten Nachrangdarlehens stelle kein der Konzessionspflicht unterliegendes Bankgeschäft dar. Selbst bei einer Auflösung des Vertrags aus wichtigen Gründen könne eine Rückzahlung nur nach Maßgabe von § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen erfolgen.

[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens) statt.

[8] Es könne den Vertragsparteien nicht unterstellt werden, dass es im Belieben der Beklagten stehen sollte, jederzeit durch Verringerung der liquiden Mittel oder Erhöhung der Verbindlichkeiten durch Aufnahme weiterer Nachrangdarlehen die Fälligkeit der anderen hinauszuschieben. Da die Beklagte über liquides Vermögen verfüge, sei sie in der Lage, die Rückforderung der (damals noch vier) Kläger zu befriedigen.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten (nur) im Bezug auf das Zinsenbegehren teilweise Folge.

[10] Die Bestimmung des § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen sei intransparent, denn ein Verbraucher könne sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen. Die Klausel schaffe keine Klarheit darüber, ob und wann Gründe für die Insolvenz vorlägen, die einer Rückzahlung entgegenstünden, in welchem Verhältnis der Darlehensgeber zu anderen Nachrangdarlehensgebern stehe und wann die Unternehmenskrise wieder überwunden sei. Dass Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus dem Gesetz ableitbar seien, ändere daran nichts, weil die Klausel keinen klaren Hinweis auf die heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen enthalte. Die Klausel enthalte auch keinen Querverweis auf im Kapitalmarktprospekt und den Risikohinweisen enthaltene Bestimmungen. Es widerspreche dem Transparenzgebot, wenn der Verbraucher gezwungen sei, sich die notwendigen Informationen „zusammenzusuchen“. Eine geltungserhaltende Reduktion komme auch im Individualprozess nicht in Betracht. Selbst wenn die Klausel nicht intransparent wäre, sei die Klage berechtigt, weil nur das jeweils einzelne Darlehen genannt werde und daher die Rückzahlung dieses jeweiligen Betrags keinen Grund für die Insolvenzeröffnung bilden könne. Folge man dem Standpunkt der Schuldnerin, nach dem auf die Summe aller offenen (Nachrang‑)Darlehen zu schauen sei, so müsse sie einen Insolvenzantrag stellen und daher könne sie diese Klausel dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegenhalten.

[11] Die Revision sei zulässig, weil der Auslegung der hier zu beurteilenden Darlehensbedingungen schon im Hinblick auf die Vielzahl anhängiger Verfahren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

[12] Über Antrag des Erstklägers sprach das Erstgericht mit Beschluss vom 22. November 2022 aus, dass das infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochene Verfahren „als aufgenommen“ gelte (ON 27).

[13] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags berechtigt.

[16] 1. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden (8 ObA 65/19w). Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Das Leistungsbegehren ist über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahren auf ein Feststellungsbegehren über Richtigkeit und Rangordnung der angemeldeten Forderung zu ändern (vgl RS0041103 [T3, T7, T8]). Diese Änderung ist deshalb geboten, weil dem Insolvenzgläubiger kein klagbarer Leistungsanspruch gegen die Insolvenzmasse zusteht (Fink in Fasching/Konecny 3 § 159 ZPO Rz 111).

[17] 2.1. Die Umstellung ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch im Rechtsmittelverfahren zulässig (RS0041103 [T3, T8]). Grundsätzlich sind die Parteien dabei an den bei der Unterbrechung bestehenden Stand des Verfahrens gebunden (vgl Kodek in Bartsch/ Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht IV4 [2006] § 113 KO Rz 36 mwN). Inwieweit dessen ungeachtet neue Einreden bestreitender Gläubiger oder des Insolvenzverwalters, die in erster Instanz nicht erhoben wurden, im Rechtsmittelverfahren in Ausnahmefällen doch vorgebracht werden können (vgl etwa 17 Ob 9/21d), muss hier nicht weiter geprüft werden, da allfällige Änderungen der Sach- oder Rechtslage, die sich aus der Insolvenzeröffnung ergeben, im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht wurden.

[18] 2.2. Die Bezeichnung der ursprünglichen Beklagten war auf den Insolvenzverwalter zu berichtigen (Punkt I).

[19] 3.1. § 2 Z 2 AltFG normierte in der Stammfassung des Gesetzes (idF vor der Novelle BGBl I 2018/48), dass (unter anderem) Nachrangdarlehen als alternative Finanzinstrumente keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch gewähren dürfen. § 2 Z 3 AltFG idF vor BGBl I 2018/48 definierte den unbedingten Rückzahlungsanspruch als Anspruch auf Rückzahlung hingegebener Gelder, der ohne Bedingung, insbesondere ungeachtet der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, geltend gemacht werden kann. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 628 BlgNr 25. GP  4) kann die Geltendmachung der Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag sowohl für den Fall einer Insolvenz oder Liquidation des Darlehensnehmers als auch außerhalb einer Insolvenz vertraglich eingeschränkt werden („qualifizierte Nachrangklausel“). Dass sich die Legaldefinition des § 2 Z 2 AltFG aF seit der Novelle BGBl I 2018/48 im Gesetz nicht mehr findet, ist nicht auf eine inhaltliche Änderung zurückzuführen, sondern nur darauf, dass es seither keine Unterscheidung mehr zwischen Veranlagungen gemäß KMG, Wertpapieren gemäß KMG und alternativen Finanzinstrumenten gemäß AltFG mehr geben soll; die bisher taxativ aufgezählten Finanzinstrumente verbleiben allerdings im Anwendungsbereich des AltFG, solange sie – wie im Regelfall Nachrangdarlehen – als Veranlagung zu qualifizieren sind (ErläutRV 187 BlgNR 26. GP  3).

[20] 3.2. Eine Nachrangabrede ist daher ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden („einfache Nachrangabrede“). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (vgl dazu Pateter/Pirker, Zur Rechtsnatur der Nachrangabrede, ZIK 2015/275, 217 [219]) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss (Kriegner, Qualifizierte Nachrangdarlehen und Inhaltskontrolle, VbR 2017/78, 116 [119, FN 3]).

[21] 4.1. Die Parteien haben eine als „qualifiziertes Nachrangdarlehen“ bezeichnete Vereinbarung getroffen. In den dieser Vereinbarung zugrunde liegenden AGB findet sich die nähere Regelung dazu in § 7 „Nachrangigkeit“.

[22] 4.2. Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäfts-bedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eines Inhalts im Sinn des § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0014627 [T6]). Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659 [T2]). § 864a ABGB erfasst alle dem Kunden nachteiligen Klauseln, eine grobe Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234).

[23] 4.3. Aus der Bestimmung des § 864a ABGB lässt sich für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen, weil dieser ausdrücklich ein als solches bezeichnetes Nachrangdarlehen abgeschlossen hat. Im Fall eines Nachrangdarlehens muss jedem potentiellen Darlehensgeber bewusst sein, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungen beinhalten, nach welchen seine Forderung in einer in den AGB näher präzisierten Weise hinter den Forderungen anderer Gläubiger zurücktritt, weil es sich dabei um das Hauptcharakteristikum der vom Darlehensgeber zu erbringenden Leistung handelt (vgl Graf,Zur Inhaltskontrolle von Nachrangdarlehen-AGB, VbR 2018/25, 52, „quasi die Quintessenz des Nachrangdarlehens“; vgl auch Pirker,Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [809]). Weder musste der Kläger daher nicht mit einer solchen Regelung rechnen, noch ist diese in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders „verborgen“. Vielmehr findet sie sich in einem gesonderten Abschnitt, der die Überschrift „Nachrangigkeit“ trägt, ist also dort zu finden, wo sie nach dem Regelwerk zu vermuten war (vgl RS0014646 [T14]; RS0105643 [T2]; RS0014659 [T2, T3]). Darüber hinaus hat der Kläger gesondert die Risikohinweise, die nochmals auf die qualifizierte Nachrangigkeit hinweisen, gesondert unterfertigt.

[24] 5. Der weiteren Prüfung ist voranzustellen, dass es sich vorliegend um keinen Verbands-, sondern einen Individualprozess handelt. Im Individualprozess hat die Auslegung zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (9 Ob 19/20i; 9 Ob 21/19g; RS0016590 [T32]) und zwar so, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders, das heißt im Regelfall zu Lasten des Unternehmers (RS0050063 [T3]).

[25] 6. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenleistung an (2 Ob 59/12h Punkt 7.). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (vgl 4 Ob 110/17f; 6 Ob 120/15p; 6 Ob 17/16t; 6 Ob 62/22v mwN).

[26] 7.1. § 7 Abs 2 erster Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet: „Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde.“

[27] 7.2. Die Klausel legt – insoweit völlig unmissverständlich – fest, dass der Darlehensgeber trotz Fälligkeit des Darlehens unter bestimmten Umständen keine Zahlung erhält. Zu prüfen bleibt aber, ob diese Umstände mit „Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ ausreichend umschrieben sind.

[28] 7.2.1. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst definieren diese Wortfolge nicht näher und enthalten auch keinen Querverweis auf gesetzliche Bestimmungen über die Insolvenzeröffnung oder Vertragsbestimmungen. Wie bereits unter Punkt 6 dargelegt, führt die Verwendung von Fachbegriffen, auch juristischen, aber nicht notwendigerweise zur Intransparenz einer Vertragsbestimmung. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache nämlich eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die inden Allgemeinen Vertragsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (vgl RS0123773).

[29] 7.2.2. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich in den §§ 66 f IO. Auch wenn die Klausel nicht auf diese Bestimmungen Bezug nimmt, sind die „Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ im Gesetz definiert, wobei auch der durchschnittliche Verbraucher mit einer Insolvenzeröffnung Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit verbinden wird, mögen ihm auch die konkreten rechtlichen Details nicht näher bekannt sein. Der vom Berufungsgericht geforderte Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Insolvenzordnung, in denen die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden bzw die Auflistung detaillierter Angaben in der Klausel über die Fälle, in denen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht, lassen damit keine zusätzliche Klarheit für den Vertragspartner erwarten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien in der verfahrensgegenständlichen Darlehensabrede dem Begriff einen anderen als den gesetzlichen Inhalt beilegen wollten.

[30] 7.2.3. Kann aber eine Rückzahlung dann nicht verlangt werden, wenn und soweit eine solche Zahlung dazu führen würde, dass die nunmehrige Schuldnerin nach dem Gesetz zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gezwungen wäre, kann die Klausel von einem durchschnittlich verständigen Vertragspartner auch nicht dahin verstanden werden, dass es bei der Beurteilung der drohenden Insolvenz nur auf die Höhe seiner eigenen Forderung ankommt, sondern es muss dabei notwendigerweise die wirtschaftliche Situation des gesamten Unternehmens im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Darlehens berücksichtigt werden. Dabei kann die Vertragsbestimmung objektiv nur so verstanden werden, dass auch die Verbindlichkeiten aus anderen Nachrangdarlehen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sind, heranzuziehen sind. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dem Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens gerecht, der ja gerade darin liegt, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) – hier mit Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) – auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses (Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 807 [809]).

[31] 7.3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht von einer Intransparenz der konkreten Klausel auszugehen.

[32] 8. Daran ändert auch nichts, dass für den Darlehensgeber die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Darlehensnehmers möglicherweise nicht (leicht) erkennbar ist. Das Wissen um die eigene vertragliche Position (hier als Darlehensgeber eines hochriskanten qualifizierten Nachrangdarlehens) und die Verpflichtungen des Vertragspartners dürfen nicht verwechselt werden mit der Möglichkeit zu überprüfen, ob diese Pflichten vom Darlehensnehmer auch eingehalten werden. Dass der Verbraucher sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen kann, sagt nichts darüber aus, ob ihm als Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, dass er im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Rückzahlung erhalten wird, ihm daher bei Vertragsabschluss die Bedeutung der qualifizierten Nachrangigkeit ausreichend deutlich dargestellt wurde. Dass der durchschnittliche Verbraucher das Risiko des Finanzinstruments mangels Überblick über die finanzielle Situation des Darlehensnehmers nicht abschätzen habe können – so die Revisionsbeantwortung –, ist daher nur für die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Vertragsabschluss von Bedeutung. Im Übrigen regelt die Klausel auch nicht allfällige Kontrollrechte des Darlehensgebers, sondern definiert nur, was als Nachrangigkeit im Bezug auf die Rückzahlung verstanden wird.

[33] 9.1. Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen eines Verbandsverfahrens bereits dazu Stellung genommen, inwieweit die Vertragsbestimmungen, die die qualifizierte Nachrangigkeit einer Darlehensvereinbarung konkretisieren, die Hauptleistungspflicht betreffen und daher einer inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen sind (4 Ob 110/17f = RS0131613). In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass zwar nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist (RS0016931). Als Hauptleistungspflicht werden nur jene Vertragsbestandteile aufgefasst, die die individuelle zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen festlegen; es sind dies jene Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit ein hinreichend bestimmter Vertrag zustande kommt (4 Ob 112/04f). Bei der zu beurteilenden qualifizierten Nachrangklausel handelt es sich aber um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal, das daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist. Das Zurverfügungstellen von Kapital ist die Hauptleistung des Verbrauchers, während die Beklagte Rückzahlung und Verzinsung schuldet. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers ist als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängt, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital (eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital) anzusehen ist (4 Ob 110/17f).

[34] 9.2. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass die inkriminierte Klausel (Vertragsbestimmung § 7 Abs 2) die Hauptleistungspflichten der Parteien regelt und daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist.

[35] 10. In der Entscheidung 4 Ob 110/17f (Punkt 4. mwN; zust Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 807 [810]) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Entgegennahme von Kapital in Form von Nachrangdarlehen nicht als konzessionspflichtiges Einlagengeschäft gilt (vgl auch Völkel/Marek in König/Mitterecker, Praxishandbuch Sportrecht Kap 30 I. A. 3. b aa); Reich‑Rohrwig, Crowdfunding und andere Formen der Unternehmensfinanzierung, ecolex 2020, 4; Majcen, Die neue EU-Crowdfunding Verordnung, ÖBA 2020, 868 [872]).

[36] 11.1. Zusammenfassend ist daher allein aufgrund des Vertragstextes nicht von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auszugehen. Allerdings haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer – vom erkennenden Senat nicht geteilten – Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung noch keine Beweise zu den übrigen Einwendungen des Klägers gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung (Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells; arglistige Täuschung; mangelhafte Aufklärung, wobei noch kein Vorbringen zur Zurechenbarkeit des Vermittlers an die Schuldnerin erstattet wurde; hilfsweise Aufhebung des Vertrags aus wichtigem Grund) aufgenommen. Sollte von einem wirksam vereinbarten Nachrang auszugehen sein, liegt die Beweislast für den Eintritt des Nachrangfalls bei der Schuldnerin. Dabei werden im fortgesetzten Verfahren allerdings auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingte Änderungen der Sachlage zu berücksichtigen sein.

[37] 11.2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[38] 12. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte