OGH 8Ob89/24g

OGH8Ob89/24g14.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Schuldners A* K*, vertreten durch Mag. Manfred Rieß, Rechtsanwalt in Telfs, über den Revisionsrekurs des Masseverwalters Dr. Christopher Fink, Rechtsanwalt, 6460 Imst, Sirapuit 7, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. März 2024, GZ 3 R 52/24d‑51, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Telfs vom 20. September 2023, GZ 6 S 4/23k‑32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00089.24G.0114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. 3. 2023 wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und dessen Mietrecht an der von ihm gemieteten Wohnung in *, gemäß § 5 Abs 4 iVm § 119 Abs 5 IO aus der Insolvenzmasse ausgeschieden. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

[2] Der mit Beschluss vom 27. 6. 2023 bestellte Masseverwalter ersuchte das Gericht mit Schriftsatz vom 27. 7. 2023 um Weisung, ob der Anspruch auf den vom Schuldner geleisteten Finanzierungsbeitrag von 44.127 EUR gemäß § 17 WGG durch Kündigung dieser Wohnung für die Masse realisiert werden solle.

[3] Das Erstgericht erteilte ihm die Weisung, den Bestandsvertrag aufzukündigen und den Finanzierungsbeitrag zugunsten der Masse zu lukrieren, wobei dem Schuldner eine vergleichbare Wohnung anzubieten sowie die Übersiedlung zu organisieren sei.

[4] Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs des Schuldners dahin ab, dass das Ersuchen des Insolvenzverwalters um entsprechende Weisung, ob das Bestandsverhältnis des Schuldners gekündigt und der Finanzierungsbeitrag für die Masse realisiert werden solle, abgewiesen werde. In der Begründung des Beschlusses vertrat das Rekursgericht die Ansicht, die Wohnung sei rechtskräftig dem Schuldner zur freien Verfügung überlassen worden, weshalb eine Kündigung durch den Masseverwalter nicht mehr möglich sei.

[5] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zur Frage zu, ob eine Genossenschaftswohnung nach Überlassung der Mietrechte gemäß § 5 Abs 4 IO an den Schuldner durch den Insolvenzverwalter gekündigt und damit der Finanzierungsbeitrag lukriert werden könne.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen vom Masseverwalter erhobene Revisionsrekurs, mit dem er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses anstrebt, ist unzulässig.

[7] 1. Gegen Weisungen des Insolvenzgerichts an den Insolvenzverwalter im Verwertungsverfahren steht auch im Schuldenregulierungsverfahren nur dem Insolvenzverwalter, nicht aber dem Schuldner oder einem einzelnen Gläubiger ein Rekursrecht zu (RS0114471; vgl RS0124961; RS0065165; RS0065208).

[8] 2. Eine Weisung des Insolvenzgerichts stellt eine Maßnahme der Überwachung im Sinne des § 84 IO dar (RS0065165). Dementsprechend räumt § 84 Abs 3 IO zwar jedem Gläubiger, jedem Mitglied des Gläubigerausschusses und dem Schuldner einen Anspruch auf Erledigung ihrer Beschwerden gegen einzelne Maßnahmen oder das Verhalten des Insolvenzverwalters ein (Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 84 KO Rz 15; vgl RS0110628). Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf Erteilung einer Weisung durch das Insolvenzgericht ist § 84 IO aber nicht zu entnehmen und widerspräche auch dem Wesen der Überwachung, zumal es nicht die Aufgabe des Insolvenzgerichts ist, die Tätigkeit des Insolvenzverwalters faktisch selbst zu übernehmen (vgl RS0106333).

[9] 3. Ein solcher Erledigungsanspruch des Insolvenzverwalters kann bei Fehlen eines Gläubigerausschusses auch nicht aus § 114 Abs 1 Satz 3 IO abgeleitet werden. Die dort geregelte Äußerungsbefugnis des Gläubigerausschusses geht in einem solchen Fall nicht im Sinn des § 90 Satz 1 IO auf das Insolvenzgericht über, sodass dieses eine vom Insolvenzverwalter beabsichtigte „wichtige Vorkehrung“ zu genehmigen hätte (8 Ob 89/14t mwN).

[10] 4. Demnach entspricht es der Rechtslage, wenn der Masseverwalter im gegenständlichen Fall nur um eine Weisung „ersucht“ hat, „ob“ er den Mietvertrag kündigen soll. Dass ein solches Ersuchen im Einzelfall durchaus zweckmäßig sein kann, ändert nichts daran, dass das Insolvenzgericht dadurch nicht zur Erteilung einer Weisung in die eine oder die andere Richtung verpflichtet werden kann. Kommt es dem Ersuchen nicht nach, hat der Insolvenzverwalter die sich ihm stellende Frage zunächst selbst zu entscheiden, ohne an eine Weisung gebunden zu sein.

[11] 5. Durch das Unterbleiben einer Weisung ist der Insolvenzverwalter daher nicht in seinen Rechten verletzt, sodass ihm selbst dann, wenn das Gericht dies in Beschlussform ausspricht, mangels Beschwer kein Rechtsmittelrecht zukommt (vgl RS0065135; RS0006497).

[12] 6. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist trotz der inhaltlichen Ausführungen, wonach der Masseverwalter zur Kündigung der Genossenschaftswohnung aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses nach § 5 Abs 4 IO nicht befugt sei, nicht als Weisung an den Masseverwalter zu deuten, von einer Kündigung Abstand zu nehmen. Vielmehr hat das Rekursgericht nur dessen Ersuchen um Erteilung einer Weisung abgewiesen. Dazu kommt, dass dieses Ersuchen – wie aus der Verwendung des Wortes „ob“ folgt – gar nicht auf eine Weisung in einem bestimmten Sinn gerichtet war. Das Rekursgericht hat demnach keine Weisung erteilt, sondern eine solche verweigert.

[13] 7. Da dem Insolvenzverwalter gegen eine solche Entscheidung kein Rechtsmittelrecht zukommt, erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig. Dem Obersten Gerichtshof ist deshalb ein Eingehen auf die vom Rekursgericht genannte Rechtsfrage ebenso verwehrt wie auf die verfahrensrechtliche Frage, ob der Rekurs des Schuldners auch im gegenständlichen Fall vom Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 IO erfasst gewesen wäre.

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