European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00086.16D.0530.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Verbraucherschutz gilt gemäß § 1 KSchG für Rechtsgeschäfte, die Personen abschließen, die nicht Unternehmer sind (Verbrauchergeschäfte). Die Vorschriften des ersten Hauptstücks des KSchG wollen der Tatsache Rechnung tragen, dass im rechtsgeschäftlichen Verkehr Parteien mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Stärke, Erfahrung oder sonstiger Qualifikation aufeinander treffen und die daraus für den schwächeren Vertragspartner resultierenden Gefahren ausschalten oder mindern. Dabei wird aber darauf abgestellt, dass einerseits ein Unternehmer, andererseits ein Verbraucher beteiligt sind. Auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten im Einzelfall kommt es nicht an (RIS‑Justiz RS0065327). Eine bestimmte Betriebsgröße der Unternehmen, ein Mindestkapital oder eine sonstige Mindestorganisation sind nicht erforderlich.
Der weite Unternehmerbegriff des § 1 KSchG bringt es mit sich, dass nicht immer leicht feststellbar ist, ob jemand Unternehmer ist oder nicht; derjenige, der den Schutz des Konsumentenschutzgesetzes für sich in Anspruch nehmen will, muss daher behaupten und nachweisen, dass die Voraussetzungen für diesen Schutz gegeben sind, und erklären, dass er die Bestimmungen des ersten Hauptstückes des Gesetzes auf ein von ihm abgeschlossenes Rechtsgeschäft angewendet haben will, sofern sich die Eigenschaft als Verbraucher nicht ganz klar aus den Umständen ergibt (RIS‑Justiz RS0065264).
2. Der Oberste Gerichtshof hat sich wiederholt, kürzlich mit ausführlicher Darstellung der bisherigen Judikatur und Literatur in den Entscheidungen 2 Ob 169/11h und 6 Ob 43/13m, mit der Unternehmereigenschaft von geschäftsführenden Gesellschaftern auseinandergesetzt. Dabei wurde die Verbraucher‑ bzw Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt. Wesentlich ist demnach, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird.
3. Für die Frage der Anwendbarkeit des KSchG kommt es darüber hinaus darauf an, dass sich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft als unternehmerisch darstellt, weil die Beurteilung als Verbrauchergeschäft nur vom funktionellen Verhältnis zwischen den Streitteilen abhängt (RIS-Justiz RS0065309). Es muss also konkret geprüft werden, ob sich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit einer Person in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft mit einer bestimmten Person als unternehmerisch darstellt.
Zum Betrieb eines Unternehmens zählen nicht nur (Rechts-)Geschäfte, die unmittelbar zum Gegenstand des Unternehmens gehören und dort ständig vorkommen, sondern vielmehr alle, die mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens in irgendeinem (mittelbaren) Zusammenhang stehen und dem Unternehmensinteresse, der Erhaltung der Unternehmenssubstanz oder der Erzielung eines Gewinns dienen (vgl RIS-Justiz RS0062274). Die Frage, ob ein Rechtsgeschäft zum Betrieb eines Unternehmens gehört, ist im Sinn des § 344 UGB zu lösen. Nach dieser Bestimmung gelten die Rechtsgeschäfte, die ein Unternehmer abschließt, im Zweifel als zum Betrieb seines Unternehmens gehörig. Ist eine (naheliegende) Zuordnung zum Unternehmen nicht eindeutig herstellbar oder liegt ein Geschäft sowohl im privaten als auch im Unternehmensinteresse, so kommt diese Bestimmung zum Tragen (RIS-Justiz RS0065326; RS0062282). Die Vermutung nach § 344 UGB wird dadurch widerlegt, dass nachgewiesen wird, dass das Geschäft nach objektiven Kriterien ein Privatgeschäft war und dieser private Charakter dem Vertragspartner auch erkennbar war (RIS‑Justiz RS0062319).
4. Die Klägerin ist Immobilientreuhänderin und Immobilienmaklerin. Sie war bei der ursprünglichen Kreditaufnahme Mitgeschäftsführerin und Minderheitengesellschafterin einer GmbH, der zweite Geschäftsführer und Gesellschafter war ihr Lebensgefährte. In dieser Gesellschaft war sie für das durch ihren Eintritt hinzugetretene Spezialgeschäft „Immobilien“ bzw „Immobilienvermittlung“ zuständig. 1992 wurde infolge Ausgliederung dieses Bereichs eine weitere GmbH gegründet, deren Alleingeschäftsführerin sie war. Die Kreditaufnahme war Teil eines Gesamtpaketes zur wirtschaftlichen Stabilisierung des Unternehmens. Dazu gehörte, dass die Klägerin aus der ersten Gesellschaft ausschied, Alleingesellschafterin der zweiten Gesellschaft wurde und mit der Zahlung der Kreditvaluta an die erste Gesellschaft deren Beteiligung an einem Immobilienaufschließungsprojekt im Ausland persönlich übernahm.
Ausgehend von einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung dieser Umstände ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme als Unternehmerin anzusehen ist und dass es sich bei dem abgeschlossenen Kreditvertrag mit dem die Anteile am Immobilienprojekt erworben wurden und der damit zugleich der Sanierung der ersten Gesellschaft und der Übernahme der zweiten Gesellschaft diente, nicht um ein Privatgeschäft handelte, nicht unvertretbar.
5. Dabei ist auch die Rechtsansicht nicht zu beanstanden, dass grundsätzlich bei Aufnahme eines Kredits im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit die Umschuldung jedenfalls als Unternehmensgeschäft bzw die Umschuldung eines Verbraucherkredits als Verbrauchergeschäft anzusehen sein wird, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen.
6. Im Unternehmergeschäft ist es als Ausfluss der Privatautonomie im Sinn des § 1056 ABGB zulässig, auch einer Vertragspartei ein Gestaltungsrecht auf eine (auch nachträgliche) Leistungs‑ bzw Preisbestimmung einzuräumen. § 1056 ABGB enthält nach seinem Wortlaut keine inhaltliche Beschränkung für die Preisfestsetzung. Nach Lehre und Rechtsprechung darf das Gestaltungsrecht aber nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (vgl RIS‑Justiz RS0020079). Es wird daher unerlaubt, wenn der Berechtigte das ihm eingeräumte Ermessen auf grob unbillige Weise missbraucht.
Behält sich der Kreditgeber vor, bei einer Änderung der Geldmarktverhältnisse einen geänderten Zinssatz festzusetzen, um diesen damit gemäß der allgemeinen Geldmarktsituation anzupassen, so unterliegt diese Anpassung der Inhaltskontrolle durch die Gerichte dahin, ob der Gestaltungsberechtigte die ihm schon durch den Vertrag gesetzten Grenzen überschritten hat oder ob das Ergebnis offenbar unbillig ist (RIS‑Justiz RS0020010; 8 Ob 31/12k; 10 Ob 80/15k).
Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, ebenso ob das bisher erstattete Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist (RIS-Justiz RS0042828). Wenn das Berufungsgericht im konkreten Fall davon ausgeht, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht darauf gestützt hat, dass die Beklagte ihr Preisbestimmungsrecht grob unbillig ausgeübt hat und diesbezüglich auch kein Vorbringen erstattet hat, ist das nicht korrekturbedürftig.
7. Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO, zu dessen klagsweisen Geltendmachung nach Abs 2 nur befugt ist, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstands hat, begründet keinen materiellen‑rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt eine solche Verpflichtung nach bürgerlichem Recht voraus (RIS‑Justiz RS0034986). Eine solche ist auch aus privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ableitbar, wenn ein Vertragsteil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang des Vermögens im Ungewissen und der andere unschwer in der Lage ist, Auskunft zu erteilen und die Auskunftserteilung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zumutbar ist (RIS‑Justiz RS0034986 [T5]; 1 Ob 239/05m).
Nach den Feststellungen ergeben sich aus den Kontoauszügen, die der Klägerin regelmäßig übermittelt wurden und ihr bei Klagseinbringung auch zur Verfügung standen, die verrechneten Gesamtzinssätze. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem, der der von der Klägerin zitierten Entscheidung 6 Ob 58/07h zugrunde lag, nach dem der Kunde nicht mehr über Kontoauszüge verfügte. Die Klägerin leitete im bisherigen Verfahren ihre Ansprüche ausschließlich aus einer gänzlichen Unwirksamkeit der Zinsgleitklausel ab, nicht aus einer mißbräuchlichen Ausübung des Gestaltungsrechts der Beklagten. Welche zusätzlichen Erkenntnisse sie daher im Rahmen ihres Vorbringens durch eine neuerliche Darstellung der Zinssätze, die ihr ja ohnehin bekannt sind, gewinnen kann, legt auch die Revision nicht dar.
8. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)