European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00081.21A.0422.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.406,26 EUR (darin 480,44 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die klagende GmbH ist seit 1962 Baurechtseigentümerin mit der Berechtigung zur Errichtung und Betreibung einer Tiefgarage in der Wiener Innenstadt, die 1964 eröffnet wurde.
[2] Der Großvater des Beklagten war seit 1922 aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem damaligen Hauseigentümer, seinem Schwager, Mieter einer Wohnung in einem an die Garagenliegenschaft grenzenden Haus. Als Mieter war er auch zum Abstellen eines Autos in der Garage des Wohnhauses berechtigt.
[3] Nach dem Tod seines Großvaters zog der Beklagte 1980 in dessen Wohnung zunächst als Mitbewohner seiner Großmutter ein, nachderen Ableben 1994 trat er in den Mietvertrag als Hauptmieter ein.
[4] Im Jahr 1970 wurde das Wohnhaus an eine Bank AG verkauft, die damals auch Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin war. In den Jahren 1992 und 1999 erfolgten weitere Eigentümerwechsel.
[5] Bei einem Gespräch im Jahr 1971 sagte ein Abteilungsleiter der Bank AG, der damals gleichzeitig auch der handelsrechtliche Geschäftsführer der Klägerin war, dem Großvater des Beklagten zu, dass er künftig mit seinem Kfz in der Garage der Klägerin unentgeltlich parken dürfe. Als Grund wurde ein Gefallen erwähnt, den der Großvater des Beklagten der Bank AG erwiesen habe. Um welchen Gefallen es sich handelte, konnte nicht festgestellt werden. Ein jederzeitiges Widerrufsrecht wurde nicht vereinbart und es war nicht davon die Rede, dass nur der Großvater persönlich den Stellplatz nützen dürfe.
[6] Der seit 2014 bestellte Geschäftsführer der Klägerin, der vorher 30 Jahre deren Prokurist war, wusste, dass auch der Beklagte „wegen in der Vergangenheit begründeter Rechte“ seit seinem Einzug in die Wohnung die Garage als Dauerparker benutzte, ohne etwas dafür zu bezahlen. Bis August 2018 wurde dem Beklagten die Garagenbenützung von der Klägerin nie verboten.
[7] In der Klage wird begehrt, dem Beklagten die Unterlassung der unentgeltlichen Inanspruchnahme des Garagenplatzes aufzutragen. Es bestehe kein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen. An allfällige Zusagen ihrer ehemaligen Mehrheitsgesellschafterin sei die Klägerin nicht gebunden.
[8] Der Beklagte wandte ein, der Tiefgaragenplatz sei seinem Großvater im Tausch gegen den im Mietvertrag bedungenen, Anfang der 1970er Jahre wegen der Bauarbeiten weggefallenen Garagenplatz im Haus zugesagt worden. Dabei habe es dem Willen der Vertragsparteien entsprochen, dass die Wohnung und der Garagenplatz weiterhin ein einheitliches Bestandobjekt bilden sollten. Das Recht auf den Abstellplatz sei von ihm über 40 Jahre lang unbestritten ausgeübt worden, sodass auch die Voraussetzungen für eine Ersitzung vorlägen.
[9] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[10] In seiner rechtlichen Begründung ging es davon aus, dass der Beklagte das Recht auf unentgeltliche Nutzung des Garagenplatzes durch Ersitzung erworben hat.
[11] Das Berufungsgericht gab den Rechtsmitteln der Klägerin und der Nebenintervenientin Folge und änderte die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn ab. Gegen die Klägerin als juristische Person sei nach § 1472 ABGB eine 40‑jährige Ersitzungszeit erforderlich, die der Beklagte, der seit 1980 die Garage benütze, nicht vollendet habe. Sein Großvater sei aufgrund der festgestellten Vereinbarung selbst Rechtsbesitzer gewesen, weshalb dessen Nutzungsdauer nicht auf die Ersitzungszeit des Beklagten anzurechnen sei.
[12] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage der Verjährungszeit gegenüber einer GmbH aktuelle höchstgerichtliche Judikatur fehle.
[13] Die von der Klägerin und der Nebenintervenientin beantwortete Revision des Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht dargelegten Grund zulässig. Die Revision ist auch berechtigt.
1. Zu § 1472 ABGB
Rechtliche Beurteilung
[14] 1.1. Die Revision vertritt den Standpunkt, es handle sich bei einer Kapitalgesellschaft wie der Klägerin entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen herrschenden Ansicht um keinen durch eine 40‑jährige Ersitzungs‑ und Verjährungsfrist gesetzlich privilegierten „erlaubten Körper“ im Sinn des § 1472 ABGB. Die Gründe, die den historischen Gesetzgeber dazu bewogen hätten, zu Gunsten des Fiskus und der anderen in § 1472 ABGB genannten öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften eine längere Frist zu normieren, träfen auf eine GmbH nicht zu.
[15] 1.2. Es entspricht der, wenn auch nicht allzu umfangreich vorhandenen und älteren höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass die „außerordentliche“ Ersitzung nach § 1472 ABGB alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts begünstigt. Konkret hat der Oberste Gerichtshof etwa eine Eisenbahngesellschaft als privilegierten „erlaubter Körper“ iSd § 1472 ABGB beurteilt (Rv V, 61, GlUNF 4135; s auch 5 Ob 277/66 zur Genossenschaft).
[16] Der Beweggrund für die Begünstigung wird darin gesehen, dass juristische Personen nur durch ihre Organe handeln können und ihre Rechte dadurch gefährdeter seien als jene von physischen Personen, die sich leichter gegen einen Verlust ihrer Rechte schützen könnten (RIS‑Justiz RS0034145 [Stadtgemeinde]; ua Mader/Janisch in Schwimann/Kodek ABGB4 VI § 1472 Rz 2 unter Berufung auf M. Bydlinski in Rummel ABGB³ § 1472 Rz 1; Ehgartner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1472 Rz 3).
[17] In der jüngeren Judikatur hat der Oberste Gerichtshof die Frage, ob (alle) juristischen Personen des Privatrechts zu den in § 1472 ABGB privilegierten Rechtsträgern gehören (vgl RS0034145) zuletzt wiederholt ausdrücklich offen gelassen (1 Ob 120/10v EvBl 2011, 26 [Madl/Perner]: 6 Ob 74/21g).
[18] In einem Zurückweisungsbeschluss gemäß § 502 Abs 1 ZPO (8 Ob 58/15k) wurde die Rechtsansicht, dass gegenüber einer GmbH eine 40‑jährige Ersitzungsfrist gilt, zwar bejaht, war aber nicht entscheidungsrelevant. Eine nähere Begründung und vertiefte Befassung mit der Rechtsfrage unterblieb vielmehr, weil nach dem Sachverhalt ohnehin auch die längere Frist bereits abgelaufen war.
[19] 1.3. In der jüngeren Literatur ist die Einbeziehung der juristischen Personen in den Kreis der nach § 1472 ABGB Begünstigten auf Kritik gestoßen (ua Eccher in Fischer‑Czermak/Hopf/Kathrein/Schauer [Hrsg] ABGB 153 [163]; Ehgartner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 1472 Rz 4).
[20] So verweist Gusenleitner-Helm (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ Vor §§ 1472–1477 ABGB Rz 3; § 1472 Rz 5) unter Bedachtnahme auf das rechtshistorische Verständnis des Begriffs der „erlaubten Körper“ auf eine teleologische Reduktion dieser Begünstigtengruppe auf Gesellschaften und juristische Personen mit gemeinnützigem, nicht nur Eigeninteressen verfolgendem Charakter.
[21] M. Auer (Sind Personen- und Kapitalgesellschaften „erlaubte Körper“ iS von §§ 1472, 1485 ABGB, JBl 2015, 477) kommt nach eingehender rechtshistorischer Analyse der Entwicklung des Gesellschaftsrechts im 19. und 20. Jahrhundert vom Privilegien- zum Konzessions- und Eintragungssystem zu dem Ergebnis, dass die entscheidende Abgrenzung des Anwendungsbereichs im Merkmal der Erlaubtheit zu finden sein müsse. Dem Verständnis des historischen Gesetzgebers des ABGB sei das Modell einer durch Privilegierung aufgrund eines Verwaltungsakts (Octroi) gegründeten juristischen Person zugrunde gelegen. Diesem Verständnis entspreche es, dass auch nur solchen juristischen Personen modernen Rechts die Begünstigung zugute kommen sollte, deren Gründung oder Eintragung eines zusätzlichen hoheitlichen Akts bedarf. „Erlaubte Körper“ seien danach Gesellschaften, die unmittelbar, unabhängig von der Firmenbucheintragung, durch Gesetz gegründet wurden oder deren Gründung gesetzlich angeordnet wurde, weiters die nach wie vor bestehenden Aktienvereine nach dem Vereinspatent 1852 und Gesellschaften, für deren Firmenbucheintragung eine Konzessionserteilung gesetzlich notwendige Voraussetzung war (zB Kreditinstitute, Hypothekenbanken, Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Eisenbahnunternehmen und Bausparkassen).
[22] Rünzler (Die Verjährung im österreichischen Gesellschaftsrecht, 143 ff) kommt wiederum zu dem Ergebnis, dass der Begriff der „erlaubten Körper“ alle Kapitalgesellschaften einschließe. Die „Erlaubnis“ iSd § 1472 ABGB sei nach dem modernen Normativsystem in der Erfüllung der Gründungsvoraussetzungen zu sehen. Darüber hinaus treffe der historische Gesetzeszweck, jene Körperschaften wegen ihrer strukturellen Schwerfälligkeit vor Nachteilen zu schützen, die nur durch Organe handeln können, auch hier zu. Personengesellschaften, deren Gesellschafter auch zur Vertretung berechtigt seien und in denen mangels Fremdorganschaft keine „Agenturkonflikte“ auftreten könnten, solle die Fristverlängerung nicht zugute kommen.
[23] 1.4. Der erkennende Senat schließt sich den in jüngeren Literatur dargestellten überwiegenden Bedenken an. Schon de lege lata kann den Begriff der „erlaubten Körper“ gemäß § 1472 ABGB – im Sinne Auers – jedenfalls nicht über die (im Wesentlichen) konzessionspflichtigen und auf Gesetz beruhenden Gesellschaften hinausgehen.
[24] Diese Interpretation trägt dem historischen Hintergrund Rechnung, dass zum Zeitpunkt der Einführung Erwerbsgesellschaften nur in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet werden konnten, denen aber mangels eigener Rechtspersönlichkeit die Begünstigung gerade nicht zukam.
[25] Die Beschränkung der Einbeziehung anderer Körperschaften auf jene, deren Entstehung und Eintragung eines Gesetzes- oder Verwaltungsakts bedarf, belässt dem geltenden Gesetz einen klar umrissenen Anwendungsbereich. Dieser wird dem Zweck gerecht, solche – aber auch nur solche – juristische Personen durch eine längere Ersitzungs‑ und Verjährungsfrist zu schützen, denen eine sich in ihren Gründungsvoraussetzungen widerspiegelnde gesamtgesellschaftliche Bedeutung beigemessen wird und die wegen ihrer Größe und/oder komplexeren Organisationstruktur typischerweise schwerer als Einzelpersonen in der Lage sind, einen durch Ersitzung oder Verjährung drohenden Rechtsverlust wahrzunehmen und ihm rechtzeitig entgegenzutreten.
[26] Ein derartiges besonderes Schutzbedürfnis ist für private, erwerbsorientierte Kapitalgesellschaften und Unternehmer kraft Rechtsform (§ 2 UGB), die von der Rechtsordnung grundsätzlich strenger behandelt werden als Einzelpersonen, zu verneinen. Von vornherein fehlt ein solches gegenüber Personengesellschaften gesteigertes Bedürfnis bei einer bloßen Einmann‑GmbH und bei der GmbH mit Gesellschafter-Geschäftsführung. Im Übrigen enthält das moderne Gesellschaftsrecht ein facettenreiches und wirksames Netz an gesetzlich definierten Organpflichten einerseits und Kontrollmechanismen andererseits, das ein der Fremdorganschaft immanentes besonderes Untätigkeitsrisiko zumindest nicht weniger effizient begrenzt als eine Fristverlängerung.
[27] Zusammenfassend kommt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass jedenfalls eine unternehmerisch tätige GmbH, die weder durch oder aufgrund eines Gesetz gegründet wurde, noch einer bereits für die Firmenbucheintragung vorausgesetzten öffentlich-rechtlichen Konzessionspflicht unterliegt, nicht unter den Begriff der erlaubten Körperschaft im Sinne des § 1472 ABGB fällt.
[28] 1.5. Im vorliegenden Fall war nach den Feststellungen bis 2018 die Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin ein als solches konzessionspflichtiges Kreditinstitut. Nach dem Firmenbuch weist sie auch nach wie vor eine Bank als Minderheitsgesellschafter auf, sodass sich die Frage der Auswirkung der Begünstigung nach § 1472 ABGB auf Unternehmensbeteiligungen stellt.
[29] Nach § 1473 ABGB wirken Begünstigungen der Verjährungs- und Ersitzungsfrist auch gegenüber anderen Personen, die mit dem Begünstigten in Gemeinschaft stehen. Nach Auffassung Auers (JBl 2015, 477 [482]) spricht die Teleologie dieser Bestimmung für einen generellen Vorrang der Interessen der begünstigten Personen und daher dafür, die längere Verjährungsfrist auch einer selbst nicht zu den „erlaubten Körpern“ zählenden juristischen Person zuzubilligen, wenn ein nach § 1472 ABGB Begünstigter zu ihren Gesellschaftern zählt.
[30] Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass die wesentlichen Argumente für die Schutzwürdigkeit und Privilegierung der in § 1472 ABGB genannten Körperschaften auf deren bloße Beteiligung an anderen Kapitalgesellschaften, die diese Merkmale selbst nicht aufweisen, nicht übertragen werden können. Es besteht keine erkennbare sachliche Rechtfertigung dafür, einer GmbH wie der Klägerin, die eine Garage betreibt, die Begünstigung des § 1472 ABGB nur deswegen zuzubilligen, weil zu ihren Gesellschaftern eine Bank gehört. Die für die Begünstigung maßgeblichen besonderen Verhältnisse hinsichtlich Größe, Bedeutung und Organisation der „erlaubter Körper“ treffen auf Tochtergesellschaften nicht schon deswegen zu, weil sie für ihre Gesellschafter gelten. Hinzu kommt, dass die vorgeschlagene Erstreckung der Begünstigung bei Gesellschafterwechseln und bei Eingehen weiterer Beteiligungen durch die solcherart privilegierten Tochtergesellschaften vollkommen unübersichtliche Verhältnisse und kaum mehr nachvollziehbare Auswirkungen auf die maßgeblichen Fristen zur Folge hätte.
[31] Soweit § 1473 ABGB eine Erstreckung der Rechtswirkungen des § 1472 ABGB anordnet, bezieht er sich auf Gemeinschaften an denjenigen Rechten, die von der Ersitzung betroffen sind (vgl Gusenleitner-Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 1473 Rz 3; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek ABGB4 VI § 1473 Rz 1; vgl 8 Ob 58/15k) und gewährleistet, dass die Ersitzungszeit gegen alle Mitglieder der Rechtsgemeinschaft gleichzeitig abläuft. Eine Gesellschafterbeteiligung der begünstigten Körperschaft an einer anderen juristischen Person, der ihrerseits erst das betroffene Recht zukommt, wird von § 1473 ABGB nicht erfasst.
[32] 1.6. Zusammenfassend ist als Zwischenergebnis daher festzuhalten, dass die Klägerin jedenfalls nicht zum Kreis gemäß der gemäß § 1472 ABGB begünstigten Körper gehört und ihr gegenüber eine Ersitzung gemäß § 1468 ABGB grundsätzlich bereits nach 30 Jahren vollendet werden kann.
[33] 1.7. Unstrittig ist im Revisionsverfahren, dass die Ersitzung der Dienstbarkeit des Gebrauchs iSd §§ 478, 504 ABGB an einem Garagen- oder Parkplatz möglich ist (vgl RS0125874; RS0125875).
2. Fristbeginn
[34] 2.1. Die Klägerin macht in ihrer Revisionsbeantwortung geltend, der Beginn der Ersitzungsfrist für den Beklagten könne frühestens mit seinem Eintritt in das Hauptmietverhältnis über die Wohnung seiner Großmutter im Jahre 1994 angesetzt werden, weshalb auch die dreißigjährige Frist noch nicht abgelaufen sei. Der Beklagte selbst habe im Verfahren durchwegs den Standpunkt vertreten, dass der Anspruch auf unentgeltliche Garagenbenützung mit dem Wohnungsmietvertrag eine Einheit bilde. Vor dem Ableben seiner Großmutter habe der Beklagte dann aber nur als Besitzmittler für diese fungieren können.
[35] 2.2. Diese Ausführungen entfernen sich vom Sachverhalt, weil gerade nicht festgestellt werden konnte, dass die dem Großvater des Beklagten gegebene Zusage mit seinem Mietvertrag und dem bevorstehenden Verlust seines früheren Abstellplatzes im Wohnhaus im Zusammenhang stand. Dagegen steht fest, dass der Beklagte bereits ab 1980 seinen jeweiligen Pkw in der Garage der Klägerin abstellte, in der Annahme, das Dauerparkrecht seines Großvaters in Anspruch nehmen zu können. Das Berufungsgericht hat davon ausgehend zutreffend den Beginn der Ersitzungsfrist mit dem Jahr 1980 angenommen.
3. Redlichkeit
[36] 3.1. Die Redlichkeit des Ersitzungsbesitzers wird im Zweifel vermutet (§ 328 ABGB; RS0034237 [T6]). Für Gründe, die eine Ersitzung des Gebrauchsrechts insoweit ausschließen würden, ist der Ersitzungsgegner beweispflichtig (RS0034251; RS0010175 [T2]).
[37] Nach ständiger Rechtsprechung (RS0010137) ist ein Rechtsbesitzer dann redlich, wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht (§ 326 ABGB). Der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube fällt weg, wenn der Besitzer entweder positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder wenn er Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes Anlass geben (RS0010184).
[38] Nach § 326 ABGB kann also jemand aus Irrtum über Tatsachen oder Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften ein zwar unrechtmäßiger, aber doch redlicher Besitzer sein.
[39] Der Beklagte kannte die Vereinbarung mit seinem Großvater nur aus Erzählungen. Auch wenn er sich davon ausgehend im Irrtum über die Natur der Vereinbarung und den Zusammenhang mit dem Mietvertrag befunden haben sollte, wird dadurch nicht die Vermutung seiner Redlichkeit entkräftet.
[40] 3.2. Die Klägerin verweist in ihrer Revisionsbeantwortung schließlich auf den Grundsatz, dass in rechtsgeschäftliche Gewahrsame gegebene Sachen nicht vom Berechtigten ersessen werden können (RS0034095; § 1462 ABGB).
[41] Der Beklagte hat sich zur Abwehr des Unterlassungsbegehrens zwar primär auf einen vertraglichen Anspruch gestützt, ist damit allerdings nicht durchgedrungen. Bestand aber kein vertraglicher Anspruch, dann kann seinem alternativ erhobenen Einwand der Ersitzung das Hindernis nach § 1462 ABGB nicht entgegengehalten werden. Die in der Revisionsbeantwortung zitierte Rechtsprechung (5 Ob 77/71) ist insoweit nicht einschlägig.
[42] 4. Im Ergebnis ist der Klägerin der Nachweis eines ihr Unterlassungsbegehren rechtfertigenden unbefugten Gebrauchs der Garage durch den Beklagten nicht gelungen.
[43] Der Revision des Beklagten war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wieder herzustellen.
[44] Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kostenverzeichnisse der beklagten Partei für Berufungsbeantwortung und Revision waren bezüglich der ERV-Gebühr um je 2 EUR zu berichtigen.
[45] Das Einbringen getrennter Berufungsbeantwortungen nach Zustellung beider Rechtsmittelschriften der klagenden Partei und der Nebenintervenientin war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Dem Beklagten sind nur die Kosten einer Berufungsbeantwortung samt Streitgenossenzuschlag zu ersetzen (RS0036159).
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