OGH 8Ob53/16a

OGH8Ob53/16a28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** S*****, vertreten durch die Mag. Friedrich Kühleitner – Mag. Franz Lochbichler Rechtsanwälte OG in Schwarzach, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei S***** Rechtsanwalts GmbH, *****, gegen die beklagte Partei Dr. W***** E*****, öffentlicher Notar, *****, vertreten durch Dr. Markus Warga, Rechtsanwalt in Hof, wegen 36.957,89 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. April 2016, GZ 4 R 28/16i‑30, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00053.16A.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Frage der Ersatzpflicht des Beklagten für den Kostenaufwand der Klägerin im Vorprozess. Mit der Klage im Vorprozess begehrte die Klägerin, den Verkäufer der Liegenschaft schuldig zu erkennen, den Kaufvertrag über die Einlösung des Vorkaufsrechts zu unterfertigen. Dieses Klagebegehren wurde abgewiesen, weil die im Kaufvertrag als aufschiebende Bedingung vorgesehene Lastenfreistellung hinsichtlich einer Dienstbarkeit nicht eingetreten war.

Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt forderte der Beklagte in Vertretung des Verkäufers die Klägerin als Vorkaufsberechtigte zunächst auf, entweder eine Löschungserklärung hinsichtlich des Vorkaufsrechts zu unterfertigen oder in den Kaufvertrag binnen 30 Tagen einzutreten. In der Folge teilte er der Nebenintervenientin als Rechtsvertreterin der Vorkaufsberechtigten mit, dass hinsichtlich der Dienstbarkeit noch keine Einigung erzielt worden sei und das Vorkaufsrecht durch die Klägerin nicht ausgeübt werden könne. Ungeachtet dieser Mitteilung brachte die Klägerin im Vorprozess die beschriebene Klage ein. Die Nebenintervenientin vertrat auch die Dienstbarkeitsberechtigten.

Rechtliche Beurteilung

2. Der Prozesskostenaufwand aus einem Vorprozess kann Gegenstand einer Schadenersatzforderung sein, wenn diese Kosten durch ein Verschulden des nunmehr beklagten Dritten (mit‑)verursacht wurden (RIS‑Justiz RS0023619). Als Pflichtverletzung kommen vor allem die Verletzung einer vertraglichen Haupt‑ oder Nebenpflicht, die Verletzung einer vor‑ oder nachvertraglichen Pflicht, eine Irreführung gegenüber dem Vertragspartner oder sonst eine arglistige Irreführung (vgl 6 Ob 40/03f) in Betracht. Die Pflichtverletzung muss für das Vorverfahren (mit‑)ursächlich gewesen sein. Der nunmehrige Beklagte muss den Kläger im Vorprozess somit durch sein Verhalten veranlasst oder darin bestärkt haben, den Vorprozess zu führen oder sich auf diesen einzulassen (vgl 10 Ob 79/05y). Die Ersatzpflicht ist weiters davon abhängig, dass der eingetretene Schaden im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Pflicht steht. Die in Rede stehende Verpflichtung muss demnach darauf abzielen, gerade auch solche Schäden wie den konkret zu beurteilenden, also den Kostenschaden, zu verhindern (vgl 6 Ob 100/07k; 4 Ob 146/10i). Die Kosten eines erkennbar aussichtslosen Vorprozesses sind nicht zu ersetzen, weil es insofern am Rechtswidrigkeitszusammenhang mangelt (10 Ob 79/05y; 4 Ob 5/07z; 8 Ob 17/15f).

3. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin im Vorprozess angestrengte Klagsführung als für sie erkennbar aussichtslos beurteilt. Ist diese Ansicht vertretbar, so steht das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, dass der Beklagte für die Kosten des Vorprozesses nicht schadenersatzpflichtig ist, mit der Rechtsprechung im Einklang.

4.1 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft auch als Vorkaufsfall aufschiebend bedingt wirkt, weshalb bei einem aufschiebend bedingten Kaufvertrag der Vorkaufsfall erst mit dem Bedingungseintritt vorliegt (5 Ob 215/05m). Das Nichteintreten einer vereinbarten Bedingung führt somit zum Nichteintritt des Vorkaufsfalls (RIS‑Justiz RS0020169). Die Pflicht des aus dem Vorkaufsrecht Verpflichteten zum Einlösungsangebot und die Einlösungsbefugnis des Vorkaufsberechtigten werden demnach erst mit Bedingungseintritt begründet. Ein vor dem Eintritt des Vorkaufsfalls gemachtes (verfrühtes) Einlösungsangebot setzt den Lauf der Einlösungsfrist nach § 1075 ABGB nicht in Gang (7 Ob 198/10h). Dies bedeutet, dass der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht behält (vgl RIS‑Justiz RS0017494; RS0020327).

Weiters ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Vorkaufsberechtigte den tatsächlichen Inhalt des abgeschlossenen Vertrags gegen sich gelten lassen muss. Der Verkäufer ist nur bei einer bewusst unrichtigen Mitteilung über den Inhalt des Vorkaufsfalls analog zu § 916 Abs 2 ABGB an seine Erklärung gebunden (RIS‑Justiz RS0018155).

4.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte die Klage im Vorprozess von vornherein nur erfolgreich sein, wenn es sich bei dem (mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung) verfrühten Einlösungsangebot um eine bewusst unrichtige Mitteilung vom Vorkaufsfall gehandelt hat. Ohne solche Täuschung konnte das Klagebegehren auf Unterfertigung des Kaufvertrags über die Einlösung des Vorkaufsrechts somit nicht berechtigt sein.

4.3 Eine erfolglose Klagsführung bedeutet freilich noch nicht, dass diese auch erkennbar aussichtslos war. Eine aussichtslose Prozessführung liegt jedoch dann vor, wenn der Vorkaufsberechtigte zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Vorprozess auf die Richtigkeit der Mitteilung des Vorkaufsfalls nicht mehr vertrauen durfte.

Im Anlassfall war ein derartiges Vertrauen nach der Mitteilung des Beklagten über die fehlende Einigung in der Dienstbarkeitsfrage, die einer Rücknahme des Einlösungsangebots gleichkommt, nicht mehr gerechtfertigt. Bei Unklarheiten in diese Richtung hätte die Nebenintervenientin beim Beklagten nachfragen müssen.

Die Klägerin, der der Wissensstand der Nebenintervenientin als ihre Rechtsvertreterin zuzurechnen ist, wäre gehalten gewesen, bis zu einer (weiteren) Mitteilung über den Bedingungseintritt, wozu der Beklagte in Vertretung des Verkäufers verpflichtet gewesen wäre (5 Ob 215/05m; 7 Ob 198/10h), zuzuwarten. Wird in einer solchen Situation ohne weitere Aufklärung eine Klage auf Unterfertigung des Kaufvertrags über die Einlösung des Vorkaufsrechts eingebracht, so ist die Beurteilung, dass die Prozessführung erkennbar aussichtslos ist, nicht korrekturbedürftig.

Für eine von der Nebenintervenientin in der außerordentlichen Revision behauptete bewusst unrichtige bzw arglistige Mitteilung über den Eintritt des Vorkaufsfalls bestehen keine Anhaltspunkte. Tatsächlich hat der Beklagte das verfrühte Einlösungsangebot mit seiner gegenteiligen Mitteilung wieder zurückgenommen.

5. Insgesamt gelingt es der Nebenintervenientin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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