Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
In Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses wird der erstgerichtliche Beschluß ON 14 aufgehoben.
Text
Begründung
Mit dem pflegschaftsgerichtlichen Beschluß ON 14 wurden der mj.Kerstin A*****, deren Vater ihr einen monatlichen Unterhalt von S 2.000 zu leisten hat, für die Zeit vom 1.7.1991 bis 30.6.1993 Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von monatlich S 2.000 bewilligt.
Am 1.8.1991 trat die von ihrer Mutter betreute Minderjährige eine Lehre als Einzelhandelskaufmann an; sie bezieht seither eine monatliche Lehrlingsentschädigung von S 3.123 14-mal jährlich. Berufsausbildungsbedingte Mehrauslagen erwachsen ihr nicht.
Auf Grund dieses zur teilweisen Abdeckung der Bedürfnisse der Minderjährigen heranzuziehenden Eigeneinkommens setzte das Pflegschaftsgericht die Unterhaltsvorschüsse ab 1.8.1991 auf monatlich S 1.000 herab, weil im Sinne des § 7 Abs 1 UVG begründete Bedenken bestünden, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht noch bestehe oder der gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechend festgesetzt sei.
Das Rekursgericht gab dem dagegen eingebrachten Rekurs des Unterhaltssachwalters teilweise Folge, setzte den monatlichen Unterhaltsvorschuß unter Abweisung des Mehrbegehrens ab 1.8.1991 mit S 1.400 fest und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig.
In seiner Entscheidungsbegründung verwies das Rekursgericht auf die einheitliche oberstgerichtliche Rechtsprechung, nach der die Lehrlingsentschädigung im Sinne der pflegschaftsgerichtlichen Rechtsansicht grundsätzlich ein zu berücksichtigendes Eigeneinkommen des Minderjährigen darstelle. In der Frage, in welchem Verhältnis dieses Eigeneinkommen auf die Unterhalts- und Betreuungsleistungen der Eltern anzurechnen sei, habe der Oberste Gerichtshof insbesondere in den Entscheidungen 1 Ob 594/90, 3 Ob 547/90, 6 Ob 624/90, 6 Ob 598/90 und 6 Ob 584/91 in nicht einheitlicher Weise Stellung genommen, indem teilweise dieses Eigeneinkommen allein dem Geldunterhaltspflichtigen zugerechnet worden sei, teilweise aber eine quotenmäßige Berechnung erfolgt und in den beiden zuletzt genannten Entscheidungen ohne Bezugnahme auf eine solche quotenmäßige Berechnung jeweils die Hälfte dieses Eigeneinkommens dem Geldunterhaltspflichtigen zugerechnet worden sei. Im vorliegenden Fall würde sich bei einer derartigen Hälftezurechnung zugunsten des geldunterhaltspflichtigen Vaters, das ist auf der Grundlage von S 3.123 x 14 : 12 = 3.640 : 2 = monatlich S 1.820, und dem anzuwendenden Richtsatz des § 6 Abs 1 UVG im Betrage von monatlich S 3.980 eine verbleibende Geldleistungsverpflichtung des Vaters von monatlich S 2.160 ergeben, sodaß der bisherige Unterhaltsvorschuß von monatlich S 2.000 gedeckt erscheine. Bei einer im Sinne der Entscheidung 6 Ob 624/90 erfolgenden quotenmäßigen Abrechnung ergebe sich im Hinblick auf die einfach gestalteten Lebensverhältnisse der Eltern - der Vater sei Arbeiter mit einem Monatseinkommen von S 13.000 und die Mutter sei Aufräumerin - und einem demgemäß zugrundezulegenden Gesamtunterhaltsbedarf der Minderjährigen von S 7.000 (als Orientierungshilfe anzuwendender Richtsatz für Gewährung der Ausgleichszulage von S 6.000 14-mal jährlich) sowie einer Lehrlingsentschädigung von S 3.640 (= Quote von 52 %) ein nicht abgedeckter Unterhaltsbedarf von S 3.360 (= Quote von 48 %). Bewerte man im Sinne einer Einschätzung nach Durchschnittserfahrungen die Leistungen der betreuenden Mutter mit S 2.000 so verbleibe ein Unterhaltsbedarf von monatlich S 5.000, woraus sich bei einer Quote des Geldunterhaltsanspruches von 48 % ein Betrag von S 2.400 errechne, sodaß sich eine Differenz von S 2.600 auf den Unterhaltsbedarf von S 5.000 ergebe. Bei der Quote von 48 % errechne sich aus S 2.000 als den Leistungen der Mutter ein Betrag von S 960, sodaß monatlich eine Differenz von S 1.040 verbleibe und im Hinblick auf die Lehrlingsentschädigung von monatlich S 3.640 auf die Leistungspflicht des Vaters ein Betrag von S 2.600 entfalle. Die Differenz auf den obengenannten Richtsatz von S 3.980 stelle rechnerisch S 1.380 und aufgerundet S 1.400 dar. In dieser monatlichen Höhe seien somit der Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse ab 1.8.1991 weiter zu gewähren. Eine gleichteilige, also Hälftezurechnung des Eigeneinkommens der Minderjährigen auf die Leistungen jedes der beiden Elternteile erscheine dem Rekursgericht im vorliegenden Falle nicht angemessen.
Gegen den rekursgerichtichen Beschluß erhebt der Unterhaltssachwalter Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung der vorinstanzlichen Beschlüsse im Sinne der Weitergewährung eines monatlichen Unterhaltsvorschusses von S 2.000 an die Minderjährige. Zur Begründung wird unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 584/91 vorgebracht, daß nur die Hälfte des Eigeneinkommens der Minderjährigen auf die Geldleistungsverpflichtung des Vaters anzurechnen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist gerechtfertigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung bilden Bezüge aus Lehrlingsentschädigung Eigeneinkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB (8 Ob 504/91; 4 Ob 511/91; 2 Ob 534/91; 6 Ob 598/90 ua) und sind mangels nennenswerter berufsausbildungsbedingter Mehrauslagen bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze zu berücksichtigen (8 Ob 650/90, 8 Ob 520/91, 8 Ob 623/91 ua). Dabei darf jedoch keine einseitige Entlastung des geldunterhaltspflichtigen, nicht betreuenden Elternteiles erfolgen, sondern es muß auch dem das Kind betreuenden Elternteil ein Teil des Eigenverdienstes des Kindes zugutekommen (5 Ob 513/91; 8 Ob 504/91; 4 Ob 511/91; 6 Ob 624/90; 8 Ob 623/91 ua).
Über Art und Höhe der Anrechnung dieser Eigeneinkünfte des Kindes gegenüber den beiden Elternteilen gab es im Sinne der Darstellung des Rekursgerichtes zunächst eine etwas unterschiedliche oberstgerichtliche Judikatur. Der 6.Senat nahm zunächst eine quotenmäßige Berechnung vor (6 Ob 624/90) ging sodann aber in seiner Entscheidung 6 Ob 584/91 vom 4.7.1991 von einer Anrechnung je zur Hälfte aus. Auch in der Entscheidung 3 Ob 558/91 vom 23.10.1991 wurde ausgesprochen, daß diese Formel jedenfalls als Zweifelsregel brauchbar sei. Der erkennende Senat hat sich in seiner Entscheidung 8 Ob 623/91 vom 28.11.1991 auch von dieser im Zweifelsfall anzuwendenden Regel leiten lassen.
In der Entscheidung 5 Ob 513/91 hat der Oberste Gerichtshof sodann in entsprechender Differenzierung die Ansicht vertreten, daß der für eine 16jährige geschuldete Betreuungsaufwand mit einem geringeren Geldwert zu veranschlagen sei als der zur Deckung der anderen Bedürfnisse erforderliche Geldbetrag und er ist dort von einem Verhältnis der Geldleistung zur Betreuungsleistung von 2 : 1 ausgegangen. Dieser Ansicht haben sich dann der erkennende Senat in der Entscheidung vom 16.1.1992, 8 Ob 649/91, und auch andere Senate des Obersten Gerichtshofes angeschlossen; in diesem Sinne erging zuletzt - ohne quotenmäßige Berechnung - die Entscheidung 2 Ob 586/91 vom 5.2.1992.
Wird im Sinne dieser jüngsten Rechtsprechung im vorliegenden Falle ebenfalls von einem solchen Aufteilungsverhältnis von 2 : 1 ausgegangen, dann ergibt sich bei dem vom Rekursgericht zutreffend zugrundegelegten Gesamtunterhaltsbedarf der im 16. Lebensjahr stehenden mj.Kerstin A***** von rund monatlich S 7.000 unter Abzug ihrer monatlichen Lehrlingsentschädigung von S 3.123 x 14 : 12 = S 3.640 ein offener Unterhaltsbedarf von S 3.360 und davon ein Geldunterhaltsanteil von monatlich S 2.240. Im diesem finden die bisherigen Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 2.000 volle Deckung.
Demgemäß war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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