OGH 8Ob52/17f

OGH8Ob52/17f30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache für G*, geb am *, wegen Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 17. März 2017, GZ 1 R 70/17x‑46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118541

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Da der Gegenstand eines Verfahrens, in dem es um die Beurteilung geht, ob ein Sachwalter bestellt werden soll, ausschließlich nicht vermögensrechtlicher Natur ist, kann gegen den rekursgerichtlichen Beschluss jedenfalls ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden (§ 62 Abs 5 AußStrG). Das unrichtiger Weise mit einer Zulassungsvorstellung verbundene Rechtsmittel ist somit insgesamt als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln.

2. § 117 Abs 1 AußStrG verpflichtet das Gericht zum amtswegigen Verfahren, wenn sich begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters zur Wahrung der Belange des Betroffenen ergeben (RIS-Justiz RS0013479 [T3]). Dritten Personen kommt kein Antragsrecht zu. Sie haben keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichts (RIS-Justiz RS0006610). Ihr „Antrag“ auf Bestellung eines Sachwalters stellt nur eine Anregung zum Tätigwerden des Gerichts dar. Die Rückziehung dieses „Antrags“ hat für den Fortgang des Verfahrens keine Relevanz. Gemäß § 122 Abs 1 AußStrG ist das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters in jeder Lage einzustellen, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Sachwalter nicht zu bestellen ist (vgl auch RIS‑Justiz RS0130297).

3. Für die Fortsetzung des Verfahrens genügt grundsätzlich schon die bloße Möglichkeit, dass es nach Abschluss des Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters kommen kann (RIS-Justiz RS0008542). Es würde nämlich dem Zweck des eingeleiteten oder fortgesetzten Überprüfungsverfahrens widersprechen, wenn schon zu Beginn konkrete Feststellungen über vorliegende oder nicht vorliegende psychische Erkrankungen oder geistige Behinderungen sowie konkrete Gefährdungen verlangt würden. Allerdings bedarf es wenigstens eines Mindestmaßes an nachvollziehbarem Tatsachensubstrat, aus dem sich das Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte ableiten lässt (3 Ob 55/13d mwN).

4. Die Frage, ob es das Wohl der betroffenen Person iSd § 120 AußStrG erfordert, ihr zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, kann regelmäßig nur anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Dieser Beurteilung kommt keine über diesen konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0117006; RS0106166).

5. Nach der zunächst erfolgten Einstellung des Verfahrens wurde bekannt, dass der von seinem Sohn als dement bezeichnete Betroffene seine Liegenschaft und damit einen wesentlichen Vermögenswert kurz hintereinander an zwei verschiedene Familienmitglieder übertragen hat und unterschiedlichen Personen umfassende Vollmachten erteilt hat, was nahelegt, dass er nicht mehr in der Lage ist, die Tragweite seiner vermögensrechtlichen Verfügungen zu erkennen.

Die Ansicht des Rekursgerichts, dass aufgrund dieser Umstände zur Abwendung einer Gefährdung des Wohls des Betroffenen ein dringender Handlungsbedarf besteht, der schon jetzt (§ 120 Satz 3 AußStrG) die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters erfordert, ist ebenso wenig korrekturbedürftig, wie die Beurteilung, dass aufgrund der widerstreitenden eigenen Interessen der Angehörigen eine Wahrung der Interessen des Betroffenen durch Betreuung im Rahmen der Familie nicht ausreichend gewährleistet ist.

6. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs der Betroffenen zurückzuweisen.

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