OGH 8Ob24/10b

OGH8Ob24/10b22.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marinka B*****, vertreten durch Hajek Boss Wagner Rechtsanwälte OG in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei Dietmar B*****, vertreten durch Mag. Martin Reihs, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert 72.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Streitwert 40.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2010, GZ 16 R 225/09i-39, mit dem über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 23. September 2009, GZ 2 Cg 100/06z-33, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.748,88 EUR (darin enthalten 291,48 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Eltern des Beklagten waren von 1972 bis 2000 verheiratet und arbeiteten gemeinsam im bäuerlichen Betrieb, ohne danach zu unterscheiden, in wessen Eigentum die verschiedenen Liegenschaften und Liegenschaftsanteile grundbücherlich standen. Die meisten Liegenschaften erwarben sie gemeinsam; sie vereinten all ihre Mühe, ihr Kapital und ihr Einkommen für diese Landwirtschaft. Diese Gemeinschaft wurde jedoch 1998 gelöst. Im Jänner 2000 wurde auch die Ehe geschieden. Eine Auflösung des Betriebsvermögens im Zuge des Ehescheidungsverfahrens erfolgte nicht. Der Ankauf der hier vom Herausgabebegehren der klagenden Mutter erfassten landwirtschaftlichen Gegenstände wie Mähdrescher, Traktoren, Anhänger etc war zwischen den Eltern regelmäßig gemeinsam entschieden worden, wenngleich nach außen nur der Vater als Käufer auftrat. Der Ankauf wurde aber vom gemeinsamen Betriebskonto und zum Teil auch kreditfinanziert, wobei die Klägerin dafür als Bürgin mithaftete. Die Verwendung der Geräte war dann auch im gemeinsamen Betrieb erfolgt. In den Typen- und Zulassungsscheinen schien allerdings nur der Vater auf.

Nach der Scheidung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Eltern, im Verlauf derer der Vater der Mutter die Benützung der landwirtschaftlichen Geräte verweigerte. Im Zuge einer gerichtlichen Benützungsregelung wurde die Benützung an zwei Tagen pro Woche und hinsichtlich einer (vom Klagebegehren umfassten) Trocknungsanlage in einer Woche pro Monat der Klägerin zugewiesen. Diese Benützungsregelung wurde vom Vater nicht eingehalten. Sie war dem beklagten Sohn ebenso bekannt, wie die vorangegangene gemeinsame Bewirtschaftung der Landwirtschaft durch die Eltern.

Im März 2002 kam es dann zu einer Zwangsversteigerung der landwirtschaftlichen Liegenschaften und Miteigentumsanteile der Klägerin. Auch der Vater hatte finanzielle Schwierigkeiten und verkaufte in getrennten Kaufverträgen einerseits seine Liegenschaften und Liegenschaftsanteile, andererseits aber auch die landwirtschaftlichen Geräte, deren Herausgabe nunmehr die Mutter begehrt, an den beklagten Sohn. Dieser war der Meinung, dass seine Mutter nicht zustimmen müsse, da diese nicht in den Typenscheinen der Fahrzeuge eingetragen war. Der Verkauf der hier maßgeblichen landwirtschaftlichen Geräte erfolgte unter Eigentumsvorbehalt. Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte durch eine Bank, die die Kaufpreisforderung samt vorbehaltenem Eigentum abgetreten erhielt. Der beklagte Sohn sollte in Hinkunft die Kaufgegenstände für die Bank als Eigentümer innehaben. Die klagende Mutter wurde von all dem nicht informiert und hätte dem Verkauf auch nicht zugestimmt.

Die Klägerin begehrt die Herausgabe der Geräte und Anlagen. Sie stützt sich darauf, dass der frühere Ehegatte und Vater des Beklagten darüber keine alleinige Verfügungsbefugnis gehabt habe und der Beklagte auch keinesfalls gutgläubig gewesen sei. Der Kaufvertrag sei unwirksam, weil er dem Gesellschaftsvertrag zum früheren Miteigentümer widerspreche und der Beklagte gewusst habe, dass es sich um Gesellschaftsgut gehandelt habe. Daher stünden die Geräte im Miteigentum der klagenden Mutter und des Vaters.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass er nicht passiv klagslegitimiert sei. Auch seien Teile der Geräte bereits verschrottet bzw seien sie fest verbunden mit den von ihm erworbenen Liegenschaften. Eine allfällige Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei jedenfalls seit langem beendet. Der Beklagte sei bei Ankauf der Geräte auch gutgläubig gewesen. Selbst im Fall einer früheren Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei die Klägerin nicht befugt die Herausgabe der Geräte zu verlangen. Teile der Geräte habe der Beklagte auch von anderen Personen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt (21 Geräte) und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren ab (7 Geräte). Es ging rechtlich davon aus, dass die Eltern des Beklagten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vereinbart hätten, zu deren Hauptstamm auch die Gerätschaften gehörten. Aufgrund des Gesellschaftsvertrags und der Übergabe der Sache in das Gesellschaftsvermögen sei Miteigentum entstanden. In weiterer Folge sei die Gesellschaft aufgelöst worden. Es bestehe nur eine einfache Miteigentumsgemeinschaft an den Geräten. Die Miteigentumsanteile der Klägerin seien vom Verkauf nicht umfasst. Der Beklagte habe diese auch nicht gutgläubig erwerben können. Als Miteigentümerin sei die Klägerin befugt, die Eigentumsklage in Ansehung der gesamten Sache zu erheben. Der Beklagte sei als Inhaber passiv klagslegitimiert. Dem Klagebegehren sei daher stattzugeben. Auszunehmen seien die bereits verschrotteten Geräte bzw die fix mit der Liegenschaft verbundene Trocknungsanlage und bestimmte Traktoren, die nicht von dem strittigen Kaufvertrag erfasst waren.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es gab jedoch der Berufung des Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil statt und änderte das Urteil insoweit im zur Gänze klagsabweisenden Sinne ab. Es ging rechtlich davon aus, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden habe. Die Klägerin habe durch die Übergabe der Sachen in das Gesellschaftsvermögen Miteigentum erworben. Der Vater habe jedoch mit dem Beklagten rechtswirksam einen Kaufvertrag abschließen und diesem auch seinen Miteigentumsanteil, nicht aber jenen der Klägerin, übertragen können. Den Miteigentumsanteil der Klägerin habe der Beklagte auch nicht vom Vater „als Vertrauensmann“ erwerben können, da der Klägerin weiter ein Nutzungsrecht zugestanden sei. Der Berufung komme jedoch deshalb Berechtigung zu, weil zwar jeder Miteigentümer gegen einen Dritten die Eigentumsklage in Ansehung der gesamten Sache erheben könne, nicht jedoch gegen einen anderen Miteigentümer. Diesem sei der Beklagte als Vorbehaltskäufer gleichzuhalten; habe er doch als Vorbehaltskäufer bereits bedingtes Eigentum erworben und durch die Übergabe ein entsprechendes Gebrauchsrecht.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig. Zutreffend zeigt die Klägerin auf, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit ein Miteigentümer gegen einen Vorbehaltskäufer eines Miteigentumsanteils mit Klage auf Herausgabe der gesamten Sache vorgehen kann, nicht vorliegt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens releviert die Klägerin einen Verstoß gegen § 182a ZPO. Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht von der eigentümerähnlichen Stellung des Vorbehaltskäufers und deren Relevanz für das gegenständliche Verfahren sei nicht erörtert worden. Andernfalls hätte die Klägerin ein Vorbringen dahin erstattet, dass der Erwerb der Anwartschaftsrechte durch den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 829 ABGB nicht möglich sei.

Entsprechend § 182a ZPO darf das Gericht die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht auch nicht aufmerksam gemacht hat (RIS-Justiz RS0037300). Davon ist aber dann nicht auszugehen, wenn der Beklagte bereits entsprechende Einwendungen erhoben hat (RIS-Justiz RS0037300 [T2 und T41]; RS0120056).

Hier hat aber der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Ableitbarkeit des Herausgabeanspruchs der Klägerin auch unter Hinweis auf ihre Stellung als Gesellschafterin bestritten. Vor allem aber vermag die Revision auch keine Relevanz des allfälligen Mangels insoweit darzustellen, da der Hinweis auf § 829 ABGB nichts Neues zum Prozessstoff beizutragen vermag, wurde auf diese Bestimmung doch ohnehin bereits Bezug genommen. Das Berufungsgericht hat ihr auch Rechnung getragen, indem es den Übergang der Miteigentumsanteile der Klägerin - nur dieser hätte ihre Rechte verletzt - verneint hat.

Dass der Beklagte Vorbehalts-(mit-)eigentümer des Miteigentumsanteils seines Vaters geworden ist, hat das Berufungsgericht ausführlich und überzeugend auch unter Miteinbeziehung und Abgrenzung zur Vorentscheidung zu 5 Ob 297/05w begründet. Insoweit wird auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Wirksamkeit eines Kaufvertrags vorweg vom Eigentum des Verkäufers am Kaufgegenstand unabhängig ist. Die Frage des mangelnden Eigentums des Verkäufers ist bei der Möglichkeit, Eigentum am Kaufgegenstand zu verschaffen, zu beurteilen (Binder in Schwimann ABGB3 § 1054 Rz 36; zur Unabhängigkeit der schuldrechtlichen Verpflichtung von der sachenrechtlichen Berechtigung: Aicher in Rummel ABGB3 § 1053 Rz 10; RIS-Justiz RS0019863). Da nun aufgrund des Verhaltens der Klägerin feststeht, dass der Vertrag hinsichtlich ihres Miteigentumsanteils nicht erfüllt werden kann, stellt sich die Frage der Teilumöglichkeit des Kaufvertrags. Für diese ist § 878 Satz 2 ABGB heranzuziehen. Danach bleibt der Vertrag bei teilweiser Unmöglichkeit gültig, so weit aus dem Parteiwillen nichts anderes hervorgeht. Zu einem abweichenden Parteiwillen wurde aber gar kein konkretes Vorbringen erstattet, vielmehr geht ja nunmehr auch der Beklagte davon aus, dass er auch die Teilleistung für sich in Anspruch nimmt. Insoweit bedarf es aber auch keiner weiteren Erörterung, wie sie noch in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung zu 8 Ob 310/66 (= SZ 39/189) für erforderlich erachtet wurde.

Da also jedenfalls von einer Vorbehaltsmiteigentümerstellung des Beklagten auszugehen ist, stellt sich die weiters relevierte Frage, inwieweit bereits der Vorbehaltskäufer gegenüber dem Herausgabeanspruch eines anderen Miteigentümers geschützt ist.

Allgemein anerkannt ist, dass jeder Miteigentümer die Eigentumsklage in Ansehung der gesamten Sache gegenüber Dritten erheben kann (RIS-Justiz RS0013157; Sailer in KBB2 § 833 Rz 3). Ebenso anerkannt ist aber auch, dass dem Miteigentümer gegenüber einem anderen Miteigentümer die Herausgabeklage nicht offensteht, da dieser ja der Eigentumsanspruch des anderen Miteigentümers gegenübersteht (RIS-Justiz RS0013157; SZ 39/189). Wenngleich dem Miteigentümer also nicht die Geltendmachung des „Gesamtrechts“ gegenüber dem anderen Miteigentümer zusteht, kann er Störungen und Eingriffe in seine Anteilsrechte abwehren (SZ 51/56; Sailer aaO § 829 Rz 5). Im Wesentlichen geht es dabei um Verletzungen der bisherigen Gebrauchsordnung (SZ 51/56). Das ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, dem eine Herausgabeklage zugrunde liegt.

Es stellt sich somit die Frage, ob der Miteigentümer gegen den Vorbehaltskäufer eines anderen Miteigentumsanteils als „Dritten“ das Vollrecht geltend machen kann oder - wie gegenüber dem Miteigentümer - auf die Geltendmachung seiner Anteilsrechte beschränkt ist.

Der Vorbehaltseigentümer erwirbt mit der Übergabe der verkauften Fahrnis ein Recht auf Innehabung und Benützung der Sache, er hat eine Anwartschaft auf das Eigentum, das er mit der Zahlung des Kaufpreisrests erwirbt.

Der Oberste Gerichtshof hat die Stellung des Vorbehaltskäufers bereits in verschiedenen Zusammenhängen jener des Eigentümers angenähert. Dies gilt etwa im Zusammenhang mit dem Anspruch auf eine Exszindierungsklage nach § 37 EO (RIS-Justiz RS0000801). Auch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen (RIS-Justiz RS0020473; RS0020504; SZ 45/18) oder die „publizianische“ Klage nach § 372 ABGB (RIS-Justiz RS0010996) wurden dem Vorbehaltseigentümer zugebilligt und insgesamt festgehalten, dass seine Stellung über jene eines bloß Forderungsberechtigten hinausgeht (RIS-Justiz RS0020420; vgl auch Apathy in KBB2 § 1063 Rz 12 ff). Diese Überlegungen müssen auch hier Beachtung finden, sodass im Ergebnis auch hier davon auszugehen ist, dass die vom Miteigentümer abgeleitete Stellung des beklagten Vorbehaltseigentümers der über ihre Anteilsrechte hinausgehenden Geltendmachung eines umfassenden Herausgabeanspruchs durch die Klägerin entgegensteht.

Das Berufungsgericht ist daher schon aus diesem Grund zutreffend davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Herausgabeanspruch nicht zu Recht besteht. Insoweit ist es nicht erforderlich, auf die sonstigen Voraussetzungen einzugehen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Bemessung des Streitwerts hatte allerdings mangels Bewertung der einzelnen Gegenstände durch Aufteilung des Gesamtstreitwerts auf die 28 Gegenstände zu erfolgen.

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