OGH 8Ob162/06s

OGH8Ob162/06s31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der beim Landesgericht Leoben anhängigen Konkurseröffnungssache der Antragstellerin Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, gegen die Antragsgegnerin „S*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ferdinand ***** B*****, *****, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 30. Oktober 2006, GZ 3 Nc 9/06m-22, mit dem ein Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin gegen sämtliche Richter des Landesgerichtes Leoben abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin lehnte die zur Entscheidung über den Konkurseröffnungsantrag zuständige Richterin (in der Folge: die Konkursrichterin) erstmals in bzw unmittelbar vor der Tagsatzung vom 20. 4. 2006 als befangen ab, weil die Richterin der Antragsgegnerin nicht genügend Vorbereitungszeit eingeräumt, ihr die Antragsbeilagen nicht zugestellt und ihr einen unzulässigen Auftrag zur Vorlage und zur Unterfertigung des Vermögensverzeichnisses (bei sonstiger Strafanzeige) erteilt habe. Dieser Ablehnungsantrag wurde mit Beschluss des dafür zuständigen Senats vom 3. 5. 2006 abgewiesen. Ein dagegen erhobener Rekurs blieb erfolglos.

Am 8. 9. 2006 lehnte die Antragsgegnerin die Konkursrichterin abermals ab. Die Richterin habe einen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs vom 21. 4. 2006 noch nicht vorgelegt, den Akt zu Unrecht der Staatsanwaltschaft übermittelt und in der Tagsatzung vom 4. 9. 2006 dem durch Vorlage von Bargeld untermauerten Hinweis der Antragsgegnerin auf freies Barvermögen spöttische Bemerkungen entgegengesetzt und den Konkursantrag nicht sofort abgewiesen. Dieser zuletzt genannte Vorwurf bezog sich auf die Tagsatzung vom 4. 9. 2006, in der der Generalbevollmächtigte der Antragsgegnerin EUR 25.000,- in bar vorgewiesen und behauptet hatte, dabei handle es sich um freies Vermögen der Antragsgegnerin. Gegen diese seien lediglich zwei Exekutionen anhängig, für die sie aber nicht verantwortlich sei. Die Gesellschaft verfüge über monatliche Einkünfte von EUR 4.000,-, weshalb die Vorlage eines Vermögensbekenntnisses abgelehnt werde. Mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 25. 9. 2006, 2 Nc 46/06g, wurde auch dieser Ablehnungsantrag abgewiesen. Dieser Beschluss ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Am 5. 10. 2006 lehnte die Antragsgegnerin sämtliche Richter des Landesgerichtes Leoben wegen Parteilichkeit ab.

Durch Akteneinsicht habe sie mittlerweile erfahren, dass die Konkursrichterin in ihrer Äußerung zum Ablehnungsantrag vom 12. 9. 2006 ihre „spöttischen Bemerkungen" in Abrede gestellt habe. Die Antragsgegnerin habe aber schon im seinerzeitigen Ablehnungsantrag bescheinigt, dass die Richterin ihre Erklärungen spöttisch und mit erkennbarer Belustigung angezweifelt habe. Zudem habe die Richterin in der damaligen Verhandlung erklärt, dass sie den Konkursantrag nicht abweisen wolle, sondern sich die Sache noch überlegen müsse. Außerdem habe sie mit einer am 12. 9. 2006 erlassenen Aufforderung an die Antragstellerin, dem Gericht verborgen gebliebenes Vermögen der Antragsgegnerin bekannt zu geben, ihre rechtlichen Möglichkeiten mit einer unvertretbaren Begründung überschritten. Auch ihr Hinweis auf eine vermeintlich bestehende Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin bescheinige die mangelnde Unparteilichkeit der Konkursrichterin, die wissen müsse, dass es bei einer GmbH auf die bilanzmäßige Überschuldung ankomme. Außerdem habe die Konkursrichterin - ohne dies im Akt ersichtlich zu machen - telefonischen Kontakt mit dem Vertreter der Antragstellerin gepflogen. Auch die gegen § 48a BAO verstoßende Aufforderung vom 12. 9. 2006 an das Finanzamt, allfällige Abgabenrückstände der Antragsgegnerin bekannt zu geben, zeige die Parteilichkeit der Konkursrichterin. Gleiches gelte für den Umstand, dass die Konkursrichterin den Kredit der Antragsgegnerin geschädigt habe, indem sie den Beschluss ON 28 auch den Gläubigerschutzverbänden zugestellt habe.

Der Präsident des Landesgerichtes Leoben habe Fehlleistungen der Konkursrichterin, insbesondere die unterbliebene Vorlage eines Rekurses, nicht im Rahmen der Dienstaufsicht aufgegriffen. Die Begründung des unter seinem Vorsitz ergangenen Beschlusses 2 Nc 46/06g sei unzutreffend, was ihm hätte auffallen müssen. Zudem sei im Beschluss der spöttische Ton der Konkursrichterin ohne vorherige Erhebungen nicht als bescheinigt gewertet worden. Diese zuletzt genannten Vorwürfe träfen auch die beiden weiteren Mitglieder des Ablehnungssenates.

Die Ablehnung zahlreicher weiterer im Antrag (jeweils namentlich genannter) Richter gründe sich auf den Umstand, dass sie Mitglieder jener Senate des Landesgerichtes Leoben seien, denen als Ersatzmitglied auch die Konkursrichterin angehöre. Dies begründe angesichts der Kleinheit des Gerichtes ein kollegiales Naheverhältnis, das eine vollkommen unbefangene Beurteilung von Sachverhalten, die möglicherweise Amtshaftung oder eine disziplinäre Verantwortlichkeit eines Kollegen zur Folge haben könnten, ausschließe. Dies betreffe auch die weiteren - ebenfalls namentlich angeführten - Richter des Landesgerichtes Leoben, in deren subsidiäre Zuständigkeit die Erledigung eines Ablehnungsantrags bzw eine Entscheidung über den Konkursantrag falle.

Die Konkursrichterin, der Präsident des Landesgerichtes Leoben und die weiteren Mitglieder des Ablehnungssenates erklärten, sich nicht als befangen zu erachten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht Graz auch den nunmehrigen Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin abgewiesen. Gegen den Großteil der im Ablehnungsantrag angeführten Richter werde mit Ausnahme eines kollegialen Naheverhältnisses keine konkreter Ablehnungsgrund geltend gemacht, der bei objektiver Betrachtungsweise auch nur den Anschein einer Unvoreingenommenheit entstehen lassen könnte. Allein die Möglichkeit der „Bearbeitung der Sache im Rahmen einer subsidiären Zuständigkeit" bzw die Mitgliedschaft oder Ersatzmitgliedschaft zu den Senaten 1 und 2 könne die Befangenheit nicht begründen. Von der Einholung von Äußerungen der derart genannten Richter sei mangels Geltendmachung konkreter Ablehnungsgründe Abstand genommen worden.

Die Befangenheit von Justizverwaltungsorganen - hier: des Präsidenten des Gerichtshofs - könne nur gemäß § 7 AVG geltend gemacht werden. Im Übrigen biete der Gesetzgeber die (von der Antragsgegnerin ohnedies ausgeschöpfte) Möglichkeit, gegen Verzögerungen mit Fristsetzungsanträgen vorzugehen. Aus der Begründung der Entscheidung 2 Nc 46/06g könne ebenfalls keine Befangenheit abgeleitet werden, weil Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen seien.

Der Konkursrichterin werde im Wesentlichen ihre Äußerung zum Ablehnungsantrag vom 12. 9. 2006 vorgeworfenen. Dass die Richterin in dieser Äußerung den persönlichen Eindruck des Vertreters der Ablehnungswerberin - spöttisches Verhalten - nicht geteilt habe, bilde keinen Ablehnungsgrund. Ihre Äußerung, sie müsse sich die Sache noch überlegen, spreche in Wahrheit gegen eine vorgefasste Meinung. Im Übrigen habe die Konkursrichterin ihre Vorgangsweise als gesetzeskonform bezeichnet. Die dagegen gerichteten Ausführungen der Antragsgegnerin seien nicht geeignet, den gegenteiligen Eindruck zu vermitteln. Das sich auf die bevorstehende Vorgangsweise der antragstellenden Gläubigerin beziehende Telefonat lasse keine Unsachlichkeit im Sinne einer Parteilichkeit erkennen, ebenso wenig der Umstand, dass dieses Telefonat nicht im Akt festgehalten worden sei. Im Übrigen bilde die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung selbst dann keinen Ablehnungsgrund, wenn die Rechtsansicht von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt werde. Da Meinungsverschiedenheiten nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen seien, könnten auch die weiteren geltend gemachten Vorwürfe den Ablehnungsantrag nicht rechtfertigen.

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist der Antragsgegnerin beizupflichten, dass im Konkursverfahren auch ein an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel nicht der anwaltlichen Fertigung bedarf (siehe im Detail: 8 Ob 3/95; RIS-Justiz RS0045945).

In der Sache ist der Rekurswerberin allerdings nicht beizupflichten:

Als Verfahrensmangel macht die Rekurswerberin zunächst geltend, dass sich die im Beschluss angesprochene Äußerung der Konkursrichterin zu ihrem Ablehnungsantrag bei einer am 25. November 2006 vorgenommenen Akteneinsicht nicht im Akt befunden habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die mit 11. 10. 2006 datierte und laut Einlaufstempel an diesem Tag eingelangte Äußerung der Konkursrichterin im Akt befindet; sie lag daher zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Beschlusses, in dem sie auch zitiert wird, vor. Ob sie bei einer Akteneinsicht vom 25. November 2006 von der Rekurswerberin vorgefunden wurde, ist für die Beurteilung des schon vorher gefassten Beschlusses ohne Belang. Auch der Umstand, dass von einem Teil der Richter keine Äußerung zum Ablehnungsantrag eingeholt wurde, verwirklicht keinen Verfahrensmangel. Der entsprechende Einwand der Rekurswerberin betrifft jene Richter, hinsichtlich derer der Ablehnungsantrag nur mit der Mitgliedschaft in den Senaten begründet wurde, in denen die Konkursrichterin Ersatzmitglied sei, bzw mit der „Möglichkeit der Bearbeitung der Sache im Rahmen einer subsidiären Zuständigkeit" bzw mit einem schon aus der Tätigkeit beim Landesgericht Leoben abgeleiteten Naheverhältnis. Wie im angefochtenen Beschluss ausführlich dargelegt, begründen aber nach völlig einhelliger Rechtsprechung berufliche Kontakte oder das Bestehen eines kollegialen Verhältnisses zu einem abgelehnten Richter keine Befangenheit, sodass mit diesem Vorbringen kein tauglicher Ablehnungsgrund geltend gemacht wird (RIS-Justiz RS0108696). Eine Äußerung des abgelehnten Richters iSd § 22 Abs 3 JN muss aber nur zu einem ausreichend substantiierten Ablehnungsantrag eingeholt werden. Wird hingegen im Ablehnungsantrag - wie hier beim eben genannten Teil der betroffenen Richter - kein tauglicher Ablehnungsantrag geltend gemacht, kann von der Einholung einer Äußerung Abstand genommen werden (NZ 1998, 334; Ballon in Fasching/Konecny, § 22 Rz 5). Dass der Antragsgegnerin die von einem Teil der abgelehnten Richter eingeholten Äußerungen zum Ablehnungsantrag nicht zur (Gegen-)Äußerung zugestellt wurden, verwirklicht ebenfalls keinen Verfahrensmangel. Die Einholung einer gesonderten Stellungnahme des Ablehnunsgwerbers zur Äußerung des abgelehnten Richters ist nicht zwingend vorgeschrieben (9 ObA 370/97w; EvBl 1992/117; Ballon, aaO). Dass „alle zur Aufklärung nötig erscheinenden Erhebungen und Einvernehmungen" durchzuführen sind, trifft zwar zu. Das besagt aber nicht, dass dem Ablehnungswerber, der ja ohnedies gehalten ist, schon in seinem Ablehnungsantrag Bescheinigungsmittel für den von ihm behaupteten Sachverhalt anzubieten, in jedem Fall die Äußerung des abgelehnten Richters zur Gegenäußerung zugestellt werden muss. Die Rekurswerberin bleibt in ihrem Rechtsmittel auch jeden Hinweis schuldig, was sie in einer allfälligen Gegenäußerung hätte vorbringen können bzw welche Bescheinigungsmittel sie hätte anbieten wollen. Überdies wird noch zu zeigen sein, dass die Entscheidung nicht von strittigen Tatfragen abhängt.

Den Ausführungen im angefochtenen Beschluss, mit denen die Befangenheit des Präsidenten des Landesgerichtes Leoben und der übrigen Mitglieder des Befangenheitssenates verneint wird, tritt die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht entgegen. Auf strittige Tatumstände stellen diese unwidersprochen gebliebenen Ausführungen nicht ab.

Aber auch das der Konkursrichterin vorgeworfene Verhalten ist von vornherein nicht geeignet, dem Rekurs zum Erfolg zu verhelfen. Primärer Ablehnungsgrund ist die Äußerung der Konkursrichterin zu einem früher gestellten Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin. Die dazu vorgebrachten Behauptungen lassen sich darauf reduzieren, dass die Konkursrichterin in ihrer Äußerung den im früheren Ablehnungsantrag erhobenen Vorwurf, sie hätte die Vorweisung eines Geldbetrages spöttisch kommentiert, nicht bestätigt hat. Es braucht hier nicht näher untersucht werden, wie weit dieses Vorbringen inhaltlich als Versuch zu werten ist, einen schon in einem früheren Ablehnungsantrag erhobenen Vorwurf neuerlich zum Gegenstand eines Ablehnungsantrags zu machen. Nähere Ausführungen dazu sind entbehrlich, weil das nunmehrige Vorbringen von vornherein nicht geeignet ist, die Befangenheit der Konkursrichterin darzutun. Dass der Richter in Situationen wie der hier zu beurteilenden oft gezwungen ist, Vorhalte zu machen bzw Fragen zu stellen, die von einer Partei als unangenehm empfunden werden, liegt auf der Hand. Ebenso selbstverständlich ist, dass der Richter solche Vorhalte in korrektem Ton zu machen hat. Dass es aber dabei zu emotional aufgeheizten Situationen kommen kann, in denen sich eine Partei durch Vorhalte als ungerecht behandelt, unverstanden oder nicht ernst genommen fühlt, entspricht der Gerichtserfahrung und bedeutet für sich allein nicht zwangsläufig, dass der Richter befangen ist. Verhaltensweisen der Konkursrichterin, die die tolerierbare Bandbreite überschreiten würden, werden aber selbst von der Antragsgegnerin (auch in ihrem Rekurs) nicht behauptet. Dass die Richterin Vorhalte macht, die die Richtigkeit der Darstellung der Schuldnerin in Frage stellen, ist für sich von vornherein nicht unkorrekt. Darüber hinaus vermag aber selbst die Rekurswerberin nichts anderes ins Treffen zu führen, als stark von der subjektiven Wahrnehmung abhängige Momente wie einen „spöttischen Unterton" oder „eine gewisse Belustigung". Dass die Konkursrichterin ihr Verhalten anders sieht - nur ihre Äußerung zum früheren Ablehnungsantrag ist Gegenstand des nunmehrigen Ablehnungsverfahrens - rechtfertigt keineswegs die Annahme, sie werde sich bei der Entscheidung von anderen als sachlichen Überlegungen leiten lassen.

Die übrigen gegen die Konkursrichterin vorgebrachten Ablehnungsgründe - soweit sie im Rekurs noch thematisiert werden - laufen auf den Vorwurf hinaus, sie habe die Rechtslage verkannt bzw unrichtig interpretiert und ihre rechtlichen Möglichkeiten überschritten. Dazu hält die Rekurswerberin dem angefochtenen Beschluss lediglich entgegen, dass er eine Auseinandersetzung mit den von ihr beanstandeten Rechtsansichten vermissen lasse. Eine solche Auseinandersetzung war aber nicht erforderlich, weil die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung oder die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter selbst dann keinen Ablehnungsgrund bildet, wenn die Rechtsansicht des Richters von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt wird. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind - wie ohnedies schon im angefochtenen Beschluss hervorgehoben wurde - nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen, das nicht die Möglichkeit bieten soll, dass sich die Parteien ihnen nicht genehmer Richter entledigen können (RIS-Justiz RS0111290).

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