European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00126.23X.1213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.694,40 EUR (darin 282,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb am 22. 1. 2018 vom Beklagten einen gebrauchten Pkw. In diesem war von einem Vorbesitzer nachträglich ein Luftfahrwerk mit AccuAir Steuerung verbaut worden, das nicht eingetragen und nicht typisiert war. Der Kläger wusste dies bereits vor der Unterfertigung des Kaufvertrags. Er wusste auch, dass aufgrund des nicht typisierten Fahrwerks bei einer Überprüfung nach § 57a KFG ein negatives Gutachten über die Verkehrs‑ und Betriebssicherheit ausgestellt werden würde, und dass die vorhandene Begutachtungsplakette nur mehr bis einschließlich Jänner 2018 gültig war.
[2] Im Kaufvertrag sicherte der Beklagte dem Kläger die „Verkehrs- und Betriebssicherheit“ des Fahrzeugs zu, die Gewährleistung schloss er aus. Das Fahrzeug war bei Übergabe – abgesehen von der fehlenden Typisierung – tatsächlich verkehrs‑ und betriebssicher.
[3] Der Kläger veräußerte das Fahrzeug im Oktober 2018 weiter und ließ bis dahin keine Begutachtung nach § 57a KFG vornehmen.
[4] In seiner Klage brachte er vor, das Fahrzeug habe vom Gewährleistungsausschluss nicht umfasste Mängel aufgewiesen, weil es entgegen der ausdrücklichen Zusage nicht verkehrs‑ und betriebssicher gewesen sei. Er begehrte Preisminderung sowie den Ersatz der Kosten eines Vorprozesses, den er als dort Beklagter gegen den nächsten Käufer des Fahrzeugs verloren hatte.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus dem festgestellten Sachverhalt seien weder Gewährleistungs- noch Schadenersatzansprüche abzuleiten.
[6] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge.
[7] Aufgrund des Wissensstands des Klägers beim Ankauf des Fahrzeugs habe die Typisierung des Fahrwerks nicht zu den vereinbarten Eigenschaften des Kaufgegenstands gezählt, sodass ihr Fehlen keinen Mangel begründet habe. Abgesehen von der fehlenden Typisierung sei das Fahrzeug bei Übergabe technisch verkehrs‑ und betriebssicher gewesen.
[8] Das Berufungsgericht erklärte nachträglich die ordentliche Revision für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob bei vertraglich zugesicherter Verkehrs‑ und Betriebssicherheit eine Unterscheidung dahin zulässig sei, ob es sich um einen technischen oder einen bloßen „Vorschriftsmangel“ handle.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels Erheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht zulässig.
[10] 1. Die behaupteten Verfahrensmängel wurden geprüft, sie liegen nicht vor.
[11] Der erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht habe bei seiner rechtlichen Beurteilung das erstinstanzliche Parteienvorbringen nicht richtig gewürdigt, begründet keinen Verfahrensmangel, sondern wäre der Rechtsrüge zuzurechnen.
[12] Fragen der Beweiswürdigung können im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft. Die Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS‑Justiz RS0043371 [T28]).
[13] 2. Nach der ständigen und einhelligen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Leistung nur dann mangelhaft im Sinne des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem nach dem Vertragsinhalt Geschuldeten zurückbleibt. Was nicht Vertragsbestandteil wurde, kann keine Gewährleistungsfolgen auslösen (RS0018547 [T1, T2]).
[14] Die Vertragswidrigkeit eines Leistungsgegenstands ist nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrags zu beurteilen (RS0018547 [T7]). Der Auslegung von Verträgen kommt aber in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0042936; RS0112106 [T1]).
[15] Im hier vorliegenden Fall ist die zusammengefasste Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Typisierung des nachträglich eingebauten Luftfahrwerks gerade nicht zu den von den Streitteilen vereinbarten Eigenschaften des Fahrzeugs gehörte und sich die im Vertrag genannte Zusage der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit nach ihrer übereinstimmenden Vorstellung nicht auch auf diese Eigenschaft bezogen hat, in den Feststellungen zum Wissensstand des Klägers beim Ankauf des Fahrzeugs gedeckt. Gründe, warum diese Vertragsauslegung geradezu unvertretbar wäre, vermag die Revision nicht darzulegen.
[16] Auf die vom Revisionswerber angestellten Überlegungen, wie eine Zusage der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit eines Fahrzeugs von den beteiligten Verkehrskreisen im Allgemeinen verstanden würde, kommt es wegen der Maßgeblichkeit des jeweiligen konkreten Vertragsinhalts nicht an.
[17] Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
[18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihre Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten (RS0035979 [T16]).
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