OGH 8Ob1/17f

OGH8Ob1/17f25.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann‑Prentner, Dr. Brenn, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners M*****, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin J*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 21. Bezirk, Franz‑Jonas‑Platz 12, 1210 Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Oktober 2016, GZ 47 R 290/16v‑116, mit dem dem Rekurs der Insolvenzgläubigerin E***** AG, *****, vertreten durch den Kreditschutzverband von 1870, Wagenseilgasse 7, 1120 Wien, dieser vertreten durch Putz & Rischka, Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 10. Juni 2016, GZ 12 S 29/08x‑96, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00001.17F.1025.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Mit Beschluss vom 10. 6. 2008 (ON 6) wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Insgesamt sechs Gläubiger, darunter J***** sowie die E***** AG, meldeten Forderungen in Höhe von (letztlich) in Summe 133.394,39 EUR an. Diese Forderungen wurden anerkannt. Nachträglich erfolgte eine Anmeldung vom Finanzamt Wien über eine Abgabenforderung von 927,25 EUR.

Mit Beschluss vom 19. 5. 2009 (ON 44) wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und die G***** GmbH zum Treuhänder bestellt. Mit Beschluss vom 14. 10. 2009 (ON 63) erfolgte eine Umbestellung auf die A***** GmbH. Mit Beschluss vom 26. 3. 2012 (ON 76) erfolgte eine neuerliche Umbestellung auf die ***** S***** GmbH.

Aus der Abrechnung der A***** GmbH (ON 68) ergibt sich für das Jahr 2010 eine Überweisung von insgesamt 39.567,66 EUR an die Gläubiger.

Mit Schriftsatz vom 7. 6. 2016 (ON 95) legte der Treuhänder ***** S***** GmbH eine Schlussrechnung, nach der die Insolvenzgläubiger 34,06 % der angemeldeten Forderungen erhalten haben.

Mit Beschluss vom 10. 6. 2016 (ON 96) sprach das Erstgericht aus, dass das Abschöpfungsverfahren beendet ist und dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt wird. In der Begründung führte es aus, dass die Insolvenzgläubiger zumindest 10 % der Forderung erhalten hätten.

Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Insolvenzgläubigerin E***** AG gab das Rekursgericht Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und verwies das Verfahren zurück an das Erstgericht zur allfälligen Verfahrensergänzung. Die Rekurswerberin mache geltend, dass sie tatsächlich nur eine Quote von 6,18 % erhalten habe. Es bestehe der Verdacht, dass der Treuhänder A*****GmbH eingehende Beträge nicht (zur Gänze) an die Gläubiger weitergeleitet habe. Das Abschöpfungsverfahren sei für beendet zu erklären, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen sei und die Konkursgläubiger zumindest 10 % der Forderungen erhalten hätten. Nach § 260 Abs 2 IO iVm § 273 Abs 8 IO könnten im Rekurs neue Tatsachen, soweit sie bereits zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz entstanden waren, und auch neue Beweismittel angeführt werden. Da Gläubiger erst durch durch die Restschuldbefreiung oder einen Antrag des Schuldners erfahren würden, in welchem Umfang der Treuhänder Zahlungen geleistet habe, stelle das Vorbringen, dass die Quote nicht in der angegebenen Höhe den Gläubigern zugekommen sei, eine zulässige und beachtliche Neuerung dar.

Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, ob der Treuhänder als Vertreter des Schuldners, der Gläubiger oder beider auftrete. Es sei jedoch davon auszugehen, dass er für beide tätig werde. Zur Veruntreuung eines Kaufpreises durch den gemeinsamen Treuhänder vertrete der Oberste Gerichtshof, dass mangels vertraglicher Regelung beide Treugeber das Risiko treffe. Diese Rechtsansicht sei auch auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Allerdings fehlten Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang Geldbeträge vom Treuhänder veruntreut worden seien und die Gläubiger Zahlung erhalten hätten. Werde eine Veruntreuung festgestellt, sei der Betrag zu teilen, 50 % sei auf die Quote des § 213 KO anzurechnen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Veruntreuung von Geldbeträgen durch den Treuhänder keine Rechtsprechung bestehe und die Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Insolvenzgläubigerin J***** mit dem Antrag, die Erteilung der Restschuldbefreiung zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Das Abschöpfungsverfahren wurde vor dem 30. 6. 2010 eröffnet. Abgesehen von den Ausnahmen nach § 273 Abs 8 IO gelangen daher gemäß § 273 Abs 1 IO die Bestimmungen der Konkursordnung zur Anwendung. Die relevante Bestimmung des § 213 KO wurde aber im Wesentlichen unverändert in die Insolvenzordnung übernommen.

Nach § 273 Abs 8 IO sind die § 115 Abs 4, §§ 242 und 252 bis 263 idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 auch auf am 30. 6. 2010 anhängige Verfahren anzuwenden.

Nach § 254 Abs 1 Z 6 IO ist (mit Ausnahme des hier nicht vorliegenden Falls des § 253 Abs 3 vierter Satz IO) die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten. Die Rechtsmittelwerberin bedarf daher keines Anwalts.

2. Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist nach ständiger Rechtsprechung – mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens (dazu 8 Ob 282/01f) – grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS‑Justiz RS0116129).

3. Auch im Konkursverfahren ist jeder zum Rekurs befugt, der in seinen Rechten beeinträchtigt wird (vgl RIS‑Justiz RS0065135 mwN), also durch die Entscheidung beschwert ist. Bei der Beschwer unterscheidet man die formelle Beschwer, die dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, und die materielle Beschwer. Diese ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (vgl RIS‑Justiz RS0041746 mwN).

Die nunmehrige Revisionsrekurswerberin hat selbst keinen Rekurs erstattet und damit keinen Rekursantrag gestellt. Grundsätzlich wäre daher eine formelle Beschwer zur Erhebung eines Revisionsrekurses zu verneinen. Allerdings ist für den vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass, wenn nach Beendigung des Abschöpfungsverfahrens vom Gericht ausgesprochen wird, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit ist, diese Restschuldbefreiung gegen alle Konkursgläubiger wirkt (§ 214 Abs 1 KO). Auch wenn dadurch keine Streitgenossenschaft unter den Gläubigern begründet wird, kommt es damit durch das Rechtsmittel eines Gläubigers notwendigerweise zu einer für und gegen alle Gläubiger wirkenden Entscheidung. Insofern hat die Anfechtung des Beschlusses über die Restschuldbefreiung durch einen Gläubiger Auswirkungen auf die Rechtsstellung aller anderen Gläubiger. Daher können in diesem besonderen Fall auch Gläubiger, die keinen Rekurs erhoben haben, durch die Rechtsmittelentscheidung beschwert und zum Revisionsrekurs berechtigt sein.

Ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss steht einer Partei nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bekämpft, sondern auch dann, wenn sie lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anficht, obwohl sich diese nur aus den Gründen des Beschlusses ergeben, da nicht nur die Aufhebung selbst, sondern auch eine nachteilige Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien beeinträchtigt. Daher kann gegen den Aufhebungsbeschluss auch jene Partei ein Rechtsmittel erheben, die selbst die Aufhebung erwirkt hat. Ebenso muss das für die Partei gelten, die von der Aufhebung im selben Maß betroffen ist. In diesen Fällen genügt eine materielle Beschwer durch die Begründung der Entscheidung, weil das Erstgericht im zweiten Rechtsgang an die Rechtsansicht des Rechtsmittelgerichts und an die auf dieser Basis erteilten Aufträge gebunden ist (RIS‑Justiz RS0007094).

Im konkreten Fall ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass, wenn es zu Veruntreuungen durch den Treuhänder gekommen ist, im Rahmen der Restschuldbefreiung die Hälfte des Schadens zu Lasten der Gläubiger als Zahlung des Schuldners anzurechnen ist. Davon ausgehend ist aber sowohl die Rechtsmittellegitimation als auch die materielle Beschwer der Revisionsrekurswerberin zu bejahen.

4. Nach § 213 Abs 1 Z 2 KO hat das Gericht das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen ist und die Konkursgläubiger während des Konkurs‑ und Abschöpfungsverfahrens zumindest 10 % der Forderung erhalten haben.

Unstrittig ist die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen. Weiters ist davon auszugehen, sollte sich die Behauptung als richtig erweisen, dass ein wesentlicher Teil der beim Treuhänder eingelangten Gelder von einem Mitarbeiter nicht weitergeleitet, sondern veruntreut wurde, die Quote von 10 % nicht an die Gläubiger ausgeschüttet worden ist.

Der Revisionsrekurs wendet sich gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Treuhand im Abschöpfungsverfahren den Interessen beider Parteien dient und Vertretungshandlungen des Treuhänders zu gleichen Teilen den Schuldner und die Gläubiger belasten. Insbesondere treffe der Verlust in diesem Fall tatsächlich nur die Gläubiger, die eine Quote unter 10 % erhielten, während der Schuldner dessen ungeachtet die Restschuldbefreiung bewilligt bekomme, daher durch das unrechtmäßige Verhalten des Treuhänders überhaupt keinen Nachteil erleidet.

Dazu hat der Senat erwogen:

Nach § 199 KO hat der Schuldner dem Antrag auf Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung die Erklärung beizufügen, dass er den pfändbaren Teil seiner Forderungen für die Zeit von sieben Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, an den vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtritt. Die Bestellung eines Treuhänders ist zwingend ( Kodek , Handbuch Privatkonkurs 2 Rz 578) und erfolgt mit der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens. Zu den Pflichten des Treuhänders gehört es, jeweils am Ende des Kalenderjahres die bei ihm eingelangten Gelder an die Gläubiger zu verteilen.

In der Regierungsvorlage zu § 213 KO (1218 BlgNr XVIII. GP  35) wird darauf verwiesen, dass die Restschuldbefreiung voraussetzt, dass der Schuldner die im Gesetz genannte Mindestleistung erbracht hat. „Als Mindestleistung wird vorgesehen, dass die Konkursgläubiger 10 % ihrer Forderung während des Konkurs‑ und Abschöpfungsverfahrens erhalten haben. Die Festlegung einer Mindestquote hat den Zweck, eine gewisse Mindestbefriedigung der Konkursgläubiger sicherzustellen. (...) Haben die Konkursgläubiger hingegen nicht 10 % ihrer Forderung erhalten, so entscheidet – wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung verstrichen ist, und auch kein Antrag eines Konkursgläubigers auf vorzeitige Einstellung vorliegt – das Gericht nach Billigkeit, ob es das Abschöpfungsverfahren beendet und dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt.“

Dementsprechend stellt auch der Wortlaut des Gesetzes sowohl für den Fall des Ablaufs der Abtretungserklärung als auch der vorzeitigen Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ausdrücklich auf den Erhalt der jeweiligen Quote ab (§ 213 Abs 1 Z 1 und 2 KO).

In der Literatur findet sich, soweit überblickbar, keine Auseinandersetzung mit dem Fall der Veruntreuung durch einen im Abschöpfungsverfahren bestellten Treuhänder, sondern nur allgemein mit den Voraussetzungen einer Restschuldbefreiung.

Kodek (aaO Rz 578) verweist darauf, dass die Stellung des Treuhänders im Gesetz nur rudimentär geregelt sei. Systematisch handle es sich um einen Fall (fremdnütziger) doppelseitiger Treuhand.

Aus der Formulierung des Gesetzes, das die Restschuldbeschreibung für den Fall vorsieht, dass die Gläubiger 10 % der Forderung erhalten haben, schließt er, dass ihnen dieser Betrag tatsächlich zugekommen sein oder ihnen zumindest zur Verfügung stehen muss (aaO 667/1). Auch für den Fall des § 213 Abs 1 Z 1 IO (vorzeitige Beendigung nach drei Jahren) geht er zwar davon aus, dass das Antragsrecht des Schuldners bereits dann besteht, wenn die Quote von 50 % der erforderlichen Beträge beim Treuhänder erliegt. Hinsichtlich der Frage, ob die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens schon zu erfolgen habe, wenn die Beträge noch beim Treuhänder erliegen, oder ob das Gericht ihm erst die Auszahlung aufzutragen habe und erst nach dem Bericht darüber die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens aussprechen dürfe, meint er, dass die Parallele zu § 139 Abs 1 IO für letztere Auffassung (aaO 662/1) spricht, setzt doch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens den Nachweis des Vollzugs der Schlussverteilung voraus.

Die Befürwortung einer Antragstellung bereits mit Einlangen der Beträge beim Treuhänder findet ihren Grund darin, dass die Auszahlung immer erst am Ende des Jahres erfolgt und damit trotz Erreichen der 50 %‑Quote das Abschöpfungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt weiterlaufen würde, wohingegen eine Antragstellung während des Jahres eine frühere Beendigung ermöglicht.

Schneider (Privatinsolvenz 220) geht grundsätzlich davon aus, dass die vorgesehene Mindestquote den Insolvenzgläubigern tatsächlich zugekommen sein muss. Sie hält es aber für ausreichend, wenn der Betrag bereits beim Treuhänder erliegt und jederzeit ausgeschüttet werden kann.

Mohr (in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 213 KO Rz 2) verweist darauf, dass die Gläubiger 50 % bzw 10 % der Quote erhalten haben müssen, damit die Restschuldbefreiung ausgesprochen werden kann. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Abschöpfungsverfahrens geht er davon aus, dass diese erst nach Mitteilung des Treuhänders von der Auszahlung erfolgen darf.

Richtig ist, dass – wie vom Rekursgericht ausgeführt – nach der jüngeren Rechtsprechung bei der mehrhändigen Treuhand insbesondere im Zusammenhang mit Liegenschaftsverkäufen davon ausgegangen wird, dass der Treuhänder regelmäßig im Interesse aller Beteiligten bestellt wird, weshalb eine Risikoteilung zwischen Verkäufer und Käufer sowie allenfalls auch dem Finanzierer vorzunehmen ist, wenn die Veruntreuung zwischen Erlag beim Treuhänder und Auszahlungsreife erfolgt ( P. Bydlinski in KBB 5 § 1002 Rz 7 mwN). Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch aus mehreren Gründen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Risikoverteilung wird dort unter anderem damit begründet, dass mangels konkreter Risikovereinbarung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen ist, dass ein durch Zufall beim Treuhänder eintretender Verlust des Treuguts von den Treugebern gleichteilig zu tragen ist, wie dies redliche und vernünftige Parteien auch vereinbaren würden. Wenn die Treuhandvereinbarung einen Sicherungszweck habe und die sichere Zug‑um‑Zug‑Abwicklung ersetzen solle, sei die Aufteilung des von der Treuhandschaft ausgehenden Risikos auf beide Treugeber sachgerecht und stehe mit dem Austauschverhältnis der Hauptleistung im Einklang (6 Ob 248/03v).

Auch wenn im Abschöpfungsverfahren der Treuhänder die Interessen sowohl des Schuldners als auch der Gläubiger zu wahren hat, in diesem Sinn daher tatsächlich eine mehrseitige Treuhand vorliegt, dient die Bestellung des Treuhänders nicht der Garantie der wechselseitigen Erfüllung der Verbindlichkeiten, sondern der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Abschöpfungsverfahrens. Durch die Abtretungserklärung des Schuldners repräsentiert der Treuhänder gegenüber Drittschuldnern den Schuldner, diese können mit Mitteilung der Abtretung schuldbefreiend nur noch an ihn leisten. Mit der Leistung an den Treuhänder wird aber noch keine Verpflichtung des Schuldners gegenüber seinen eigenen Gläubigern erfüllt, sondern nur die quotenmäßige Verteilung vorbereitet. Die Gläubiger haben aus dem Grundgeschäft mit dem Schuldner kein Interesse an der Bestellung eines Treuhänders. Auf die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens haben sie keinen Einfluss. Während des Abschöpfungsverfahrens können sie nicht unmittelbar gegen den Schuldner vorgehen, sondern sind auf Zahlungen durch den Treuhänder angewiesen. Allein das Interesse an der quotenmäßigen Befriedigung zumindest eines (10%igen) Teils ihrer Forderungen rechtfertigt es nicht, ihnen das Risiko der Weiterleitung dieser Zahlungen auch nur teilweise aufzuerlegen.

Dem entspricht auch die zuvor dargestellte Intention des Gesetzes, wonach eine Restschuldbefreiung nur dann zu erfolgen hat, wenn den Gläubigern eine bestimmte Mindestquote zugekommen ist, was nur bei tatsächlichem Erhalt der Zahlung als erfüllt angesehen werden kann. Worauf das Nichterreichen der Quote zurückzuführen ist, ist im Rahmen der Prüfung nach § 213 Abs 1 Z 2 KO irrelevant.

Sollte dies, was bei Veruntreuungshandlungen durch den vom Gericht bestellten Treuhänder indiziert sein kann, zu unbilligen Härten gegenüber dem Schuldner führen, kann dem im Sinn des § 213 Abs 2 KO insoweit begegnet werden, als das Gericht auf Antrag des Schuldners nach Billigkeit darüber zu entscheiden hat, ob trotz Nichterreichung der 10%igen Quote eine Restschuldbefreiung erfolgt. Das ermöglicht neben dem Schaden durch die Veruntreuung auch das Gesamtverhalten des Schuldners während des Abschöpfungsverfahrens und die den Gläubigern tatsächlich zugekommenen Beträge im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass eine Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 1 Z 2 KO nur dann zulässig ist, wenn die Gläubiger den Mindestbetrag von 10 % der Forderungen auch tatsächlich erhalten haben. Erfolgte eine geringere Auszahlung aufgrund von Veruntreuungen durch den Treuhänder, ist diese Minderzahlung nicht zu Lasten der Gläubiger zu berücksichtigen, kann jedoch über Antrag des Schuldners bei einer Entscheidung nach § 213 Abs 2 KO (IO) in die Billigkeitserwägungen einbezogen werden.

Da derzeit noch nicht feststeht, ob und in welchem Umfang es zu Veruntreuungen gekommen ist, und inwieweit tatsächlich Auszahlungen an die Gläubiger erfolgt sind, hat es aber im Ergebnis beim aufhebenden Beschluss des Rekursgerichts zu bleiben. Dem Revisionsrekurs war daher (im Ergebnis) nicht Folge zu geben.

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